verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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Chopin ward indessen von Secunde zu Secunde schwächer, und alle an seinem Lager Stehenden sanken, von Schreck ergriffen und von einer unwillkürlichen Regung hingerissen, geräuschlos auf die Kniee. In dem Gemache herrschte eine feierliche Stille. Niemand wagte zu sprechen. Nur die wundervolle Stimme von Delphine Potocka tönte wie der Gesang eines Engels, der gekommen schien, um die Seele des edlen Meisters zu den Gefilden des ewigen Lichtes zu tragen.
Am nächsten Morgen verlangte der Scheidende die letzte Oelung, die ihm ein polnischer Priester in Anwesenheit der Prinzessin Adam Czartoriska, der Gräfin Potocka, Miß Stirling etc. gab. Während der Priester das Gebet der Sterbenden las, ruhte Chopin auf Gutmann’s Schulter mit geschlossenen Augen. Als aber das Gebet zu Ende war, öffnete der Sterbende plötzlich seine Lider und sprach mit klarem Blick und lauter deutlicher Stimme das „Amen“.
Dann fiel er wieder in seine Starrheit zurück, bis er Nachts um einen Trunk Wasser bat, den ihm Gutmann reichte. Nachdem der Scheidende seine Lippen damit genetzt hatte, hob er Gutmann’s Hand gegen seinen Mund, küßte dieselbe und hauchte mit den Worten: „Cher ami!“ seine Seele in Gutmann’s Armen aus, als eben die Uhr die dritte Morgenstunde des 17. Oktobers verkündete. Der Schmerz des Freundes war so unbeschreiblich, daß Graf Grzymala genöthigt war, denselben aus dem Zimmer zu bringen.
Das Glas, aus welchem Friedrich Chopin den letzten Trunk genossen, hat Gutmann sorglich aufbewahrt.
Als Chopin auf der Bahre lag, wartete der treue Freund bis zum letzten Augenblicke, um auch die todten Züge des berühmten Meisters von Winterhalter zeichnen zu lassen. Winterhalter befand sich seit Anfang September bei der Königin in Windsor zu Besuch, wurde aber mit jedem Zuge zurückerwartet, da Gutmann ihn gleich nach dem Ableben des gemeinschaftlichen Freundes per Depesche zurückgerufen. Er kam jedoch erst am Begräbnißtage an, nachdem der Sarg bereits geschlossen war, und inzwischen hatte Gräfle, der bekannte Mitarbeiter Winterhalter’s, die Gefälligkeit gehabt, für Gutmann die schöne Zeichnung aufzunehmen, welche, wie oben bemerkt, sich neben dem Winterhalter’schen Portrait des lebenden Chopin im Besitze Gutmann’s befindet.
Ein Bild von Hugo Kauffmann (Seite 25: „Ein Aufschneider in Livrée“). Ein Künstler, welcher, in der Vollkraft des Sechsunddreißigers stehend, in der Reihe unserer Genremaler schon einen der ersten Plätze einnimmt, muß unsere besondere Beachtung für sich in Anspruch nehmen. Ein solcher ist Kauffmann, ein geborener Hamburger, der vor neun Jahren sich in München häuslich niedergelassen hat. Erst Schüler seines Vaters, des namentlich in seinen Winterlandschaften ausgezeichneten Hamburger Malers Hermann Kauffmann, ging er 1861 nach Frankfurt am Main, wo Jak. Becker, Steinle und Zwerger drei Jahre lang seine Lehrer und Muster warm. Dann schlug er zu Kronberg im Taunus sein Standquartier auf und machte von da längere Ausflüge nach Hamburg, Düsseldorf und zuletzt nach Paris, aus dem er 1870 mit allen übrigen Deutschen verjagt wurde.
Mit dem frischen Blick des Humoristen sucht er seine Vorwürfe am liebsten in den unteren Volkskreisen, die der Necklust seines Pinsels den reichsten Stoff darbieten, und da er zugleich Meister in der Zeichnung wie im Colorit ist, so erwerben seine Bilder sich auch immer zahlreiche Freunde. Am bekanntesten sind aus seiner Münchener Zeit (von 1871): „Aufbruch zum Treibjagen“ und „Rückkehr von der Jagd“, „Erzählungen aus dem Kriege“, „Auf der Kegelbahn“, „Bauern beim Kartenspiel“, „Violinspieler in der Theaterschenke“, „Kinder am Bache“ etc.; als sein Hauptbild gilt die 1874 vollendete „Versteigerung“.
Unsere Abbildung giebt eines der jüngsten Kauffmann’schen Gemälde wieder, dessen feine Charakteristik über den Gegenstand nicht in Zweifel läßt. Ein herrschaftlicher Kutscher benutzt die Zeit, während seine Pferde gefüttert werden, um den ländlichen Insassen einer Kneipe die Wichtigkeit seines Berufs und seine Ansichten über den Weltlauf klar zu machen. Die Komik des Bildes liegt darin, daß der Großsprecher nur in den beiden Kindern ein paar gläubige Zuhörer hat; in sämmtlichen, äußerst charakteristischen Gesichtern der übrigen Gesellschaft ist es deutlich ausgedrückt, daß sie ihm auch nicht ein Wort glauben. Die in sich hineinlächelnde Pfiffigkeit ist bei Allen so sicher ausgeprägt, daß es schwer ist, denjenigen zu bestimmen, welcher, wenn das bekannte große Messer von der Decke herabhinge, zuerst an der Schnur ziehen würde.
Noch einmal die Kochapparate. Der im Anschluß an meine Besprechung verbesserter Kochapparate (Nr. 23 der „Gartenlaube“ von 1879) lebhaft empfohlene Wasserkochtopf von Becker in Unna (vergl.Nr. 26) verdiente vollständig das dort ausgesprochene Lob, wie mich die fortgesetzte Prüfung eines solchen, aus der Eisenhütte „Westphalia“ bei Lünne an der Lippe bezogenen Apparates immer mehr überzeugte. Durch das Kochen in einem Doppelgefäße, dessen Inneres durch Wasser von dem Aeußeren getrennt ist, werden die allermeisten Speisen nicht nur wohlschmeckender, sondern sie gewinnen auch an Verdaulichkeit und Nahrhaftigkeit, ganz abgesehen davon, daß allerlei untergeordnete Uebelstände bei Anwendung eines solchen Doppelgefäßes vermieden werden. Leichter verdaulich und daher nahrhafter werden durch solche Zubereitung besonders Milch und Milchspeisen, wo die hautartige Gerinnung des in der Milch enthaltenen Eiweißes und das so schwer vermeidliche Anbrennen mehliger Zusätze wegfällt, sodaß z. B. für die Bereitung von Kindermilch und anderer Kinder- und Krankennahrung der Becker’sche Patenttopf einen großen Vorzug vor gewöhnlichen Kochtöpfen voraus hat.
Nicht geringeres Lob verdient in Betreff der Verdaulichkeit und Nahrhaftigkeit der in demselben bereiteten Speisen Kuntze’s Schnellbrater (zu beziehen durch Weibezahl und Schneider in Dresden). Derselbe besteht aus einem Gefäß mit Doppelboden, dessen Zwischenraum mit dem sehr schlecht wärmeleitenden Asbest gefüllt ist, wodurch, ähnlich wie im Sandbade, das Anbrennen von unten verhindert und die Wärme sehr gleichmäßig im Innern des Gefäßes vertheilt wird. Ein gut schließender Deckel hält die aus den Speisen sich entwickelnden Dämpfe viel kräftiger zurück, als die gewöhnlichen Deckel der Kochgefäße, indem er den mit dem Entweichen der Wasserdämpfe verbundenen großen Wärmeverlust wesentlich vermindert, während durch Zurückhaltung der Riechstoffe die Speisen sehr an Wohlgeschmack gewinnen.
In diesem Gefäße ist sowohl auf dem Herdfeuer, wie auf Petroleum jedes Fleisch ohne Zusatz von Wasser oder Fett in kurzer Zeit saftiger und schmackhafter herzustellen, als im Bratofen oder in offenen Töpfen, und die „Sociale Correspondenz“ nennt Kuntze’s Schnellbrater mit Recht eine Wohlthat für die Arbeiterküche, weil auch ein nicht geübter Koch mit Hülfe dieses Gefäßes kleinere Fleischstücke und geringere Fleischsorten mit sehr wenig Mühe rasch und leicht in ihrem eigenen Saft und Dampf schmoren und braten kann.
Die hierdurch mögliche bessere Ausnutzung und leichtere Herstellung gebratenen Fleisches schätzen wir als Hauptvorzug, aber auch Kartoffeln werden ohne Wasserzusatz, also ohne die Mühe des Abgießens und die Gefahr des Verwässerns, bei dieser Art der Zubereitung rascher gar, mehliger und wohlschmeckender, als beim gewöhnlichen Kochen. Endlich können auch mit dem Fleische zugleich Kartoffeln, Reis, Graupen, Erbsen etc. in denselben Topf gefüllt und mit großer Ersparniß an Zeit, Arbeit, Feuerung in vortreffliche Speisen verwandelt werden. Die Billigkeit dieser Apparate und ihre bequeme Anwendung, die mit Hülfe der mitgegebenen Gebrauchsanweisung ohne alle Schwierigkeit zu erlernen ist, machen ein rascheres Eindringen der Schnellbrater in unsere sonst so conservativen und schwerfälligen Küchen möglich, was wir im Interesse der Volksernährung mit unseren besten Wünschen begleiten.
Wenn unser Hülferuf für die Nothleidenden in Oberschlesien erst heute kommt, so liegt die Ursache für diese Verzögerung theils in der Unsicherheit der vielfach widerspruchsvollen Nachrichten vom Schauplatze des Nothstandes, welche uns ein sicheres Bild von der Lage längere Zeit nicht gewinnen ließen, theils aber auch in der schonenden Rücksicht auf unsere Leser, deren Mildthätigkeit wir erst eben für die Beschädigten von Zwickau in Anspruch genommen hatten und an die wir erst dann auf’s Neue appelliren zu sollen glaubten, wenn die Mittheilungen über die Oberschlesische Calamität festere Umrisse annähmen und in ihren Einzelheiten größere Glaubwürdigkeit gewännen.
Heute stehen wir leider vor der sicher verbürgten Wahrheit, daß die Noth in Oberschlesien eine große und weitgreifende ist.
Wenn demnach auch spät, so kommt doch unsere Bitte nicht zu spät. Eine Noth, welche bei ihrem Beginne schon die arme Bevölkerung mehrerer Kreise, also Tausende von Menschen umfaßte, wird nicht so rasch vollständig gestillt, daß Gaben der Liebe bereits unnöthig geworden sein sollten. Es war beim ersten Auftreten der Kälte, als der Nothstand hier und da schon zu Hülferufen zwang, welche sich heute als durchaus berechtigt erweisen; der furchtbarste Feind der Armuth, der Winter, hat seitdem durch zwei Monate an Strenge und Härte derartig zugenommen, daß selbst die Summen, welche für öffentliche Arbeiten bestimmt wurden, von der darbenden Bevölkerung nicht verdient werden konnten. Wo aber Tausende unserer Mitmenschen, die sogar in den für sie günstigen Zeiten von allen höheren und edleren Genüssen des Menschenlebens ausgeschlossen sind, zu allen gewohnten Entbehrungen auch noch dem Hunger und dem Frost preisgegeben sind, da ist es für Jeden, den das Schicksal weicher gebettet hat, doppelt Pflicht, zu helfen.
Unsere Leser haben noch nie gefehlt, wo werkthätige Liebe eine patriotische Pflicht war; sie werden auch diesmal unsern Opferstock nicht leer stehen lassen. Die Quittirung der Gaben wird stets gewissenhaft erfolgen.
verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1880, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_040.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2018)