Verschiedene: Die Gartenlaube (1882) | |
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dauernde Ferien unterbrochen werden. Die Ferienzeit muß der Lehrer außerhalb der Schule zubringen, und zwar bei Stellenlosigkeit in der Nähe der Schulagenten in London. Die Reise und dieser Ferienaufenthalt verschlingen, selbst wenn er sparsam ist, gewöhnlich 35 Pfund Sterling, sodaß er sich jährlich eine Agenturgebühr von fünf Pfund Sterling auferlegen muß. Nun beträgt das durchschnittliche Gehalt des deutschen Lehrers, welches gewöhnlich nur ein Drittel oder die Hälfte desjenigen seiner englischen Collegen erreicht, 50 Pfund Sterling. Es bleiben ihm also für Wäsche, Kleidung und unvorhergesehene Fälle etc. nur 10 Pfund Sterling = 200 Mark!
Den deutschen Lehrer wie die deutsche Erzieherin schätzt man nicht etwa wegen vorhandener Kenntnisse oder der Nationalität. Der Lehrer ist für den Principal eine schätzbare Acquisition, weil er überall zu gebrauchen ist. Erstens kann er neben Deutsch auch Französisch unterrichten. Dann spielt er Clavier, vielleicht auch Violine, und wenn die Schule eine eigene Capelle hat, Sonntags die Orgel. Er kann, wenn es nöthig ist, auch zum Unterricht in Geographie, Geschichte, Rechnen und verschiedenen anderen Fächern verwandt werden. Nun, welcher Art, angesichts dieser Verhältnisse, der Unterricht an Privatschulen überhaupt und der fremden Lehrer insbesondere sein muß, das kann sich jeder verständige Mensch selbst sagen, ja sogar Engländer gewinnen allmählich einige Einsicht in diese Zustände, richten aber in nationalem Dünkel ihren Tadel wieder an die unrichtige Adresse, indem sie sich in bitteren Schmähungen über die „pädagogischen Abenteurer“ ergehen, welche von Frankreich und Deutschland herüberkommen; sie schmähen so, ohne zu bedenken, daß Adler sich sammeln, wo Aas ist, und daß etwas faul sein muß im Staate England, wenn die Zahl der „pädagogischen Abenteurer“ anschwillt. Und faul ist in der That in dieser Beziehung manches im Staate England; denn – um nur Einiges kurz anzuführen – in welchem Lande ist es in das Belieben jedes Reverend gestellt, eine pädagogische Firma zu gründen? In welchem Lande hält man eine Agentur für das geeignetste Mittel, um tüchtige Lehrer zu erhalten? In welchem Lande sind die Directoren so ungebildet, daß sie nicht einmal die Zeugnisse ihrer Lehrer lesen können?
Hier muß gründlicher Wandel geschaffen werden. Von englischer Seite kann man kein kräftiges Eingreifen erwarten; folglich müssen die deutschen Lehrer sich der Sache annehmen. Die tüchtigen Elemente, welche gute Zeugnisse besitzen, sollten zu einem Verein zusammentreten und vor Allem die Agentur in die Hand nehmen, damit die Schatzung der Stellenvermittler endlich aufhört. Ihr zweites Bestreben müßte es sein, ihre Kunden mit scrupulöser Gewissenhaftigkeit zu bedienen, um Vertrauen im Lande zu gewinnen; denn alsdann würde sich die sociale Hebung ihrer Mitglieder von selbst vollziehen und in Folge dessen jeder englische Director ihnen gern ein höheres Gehalt geben. Der jährliche Beitrag müßte so hoch bemessen werden, daß der Verein seinen kranken und stellenlosen Mitgliedern eine Unterstützung zukommen lassen könnte.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß zahlreiche Mitglieder der deutschen Colonien den Gründern solchen Vereins mit Rath und That zur Seite stehen und hochstehende Personen das Patronat desselben übernehmen würden. Dieser Hülfe müssen die deutschen Lehrer sich aber zunächst versichern, wenn sie in England Vertrauen und Erfolg erwarten wollen. – Eine Species deutscher Lehrer, welcher man am dringendsten vom Besuche Englands abrathen muß, ist der deutsche Musiklehrer. Er vermehrt sich jenseits des Canals in so wunderbarer Weise, daß an einigen Stellen die Preise bis auf einen Schilling für die Musikstunde heruntergegangen sind. Wie gering aber ist der Werth eines Schillings
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_209.jpg&oldid=- (Version vom 5.1.2023)