Verschiedene: Die Gartenlaube (1882) | |
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Und will er wissen, mit was dereinst die Leutchen hantirten, um sich der wilden Thiere zu erwehren und sich Nahrung und Kleidung zu verschaffen, so gehe er zum Herrn Limmer nach Muggendorf! Der wird ihm gern sein hübsches Privatmuseum zeigen, in welchem zu Tausenden all die verschiedenen Geräthe, Waffen und Schmucksachen aufgespeichert liegen, die aus dem Boden dieser Höhlenwohnungen erhoben worden sind. Wir wandeln auf einem hochinteressanten vorgeschichtlichen Terrain, wie wir neben dem der Pfahlbauten kaum ein zweites von gleicher Bedeutung haben.
Je tiefer wir im Verlauf dieser Thäler herabsteigen und je mehr wir uns dem Centrum des Nordstockes des fränkischen Jura nähern, desto großartiger und romantischer gestaltet sich die Scenerie. Was uns früher Rand des Plateaus schien, entwickelt sich jetzt zu mächtigen Zinnen und Felsburgen, gewaltigen Thürmen und Domen, die aus einer Höhe von Hunderten von Fußen stolz zu uns herniederblicken.
Es ist der Dolomit, welcher, dem Jura aufgelagert, bei der leichten Verwitterbarkeit seines Steines diese wunderbaren Figuren bildet und der Gegend ihr specifisches Gepräge aufdrückt. Man muß selbst zwischen diesen Bildungen herumgeklettert sein, um einen Begriff von der unendlichen Verschiedenheit der abenteuerlichsten Formen und Gestaltungen zu gewinnen.
Vielfach hat sich mit ihnen die Volkspoesie beschäftigt und die Werke übermenschlicher Kraft in ihnen erblickt, und am interessantesten ist ihr Anblick, wenn sie auf ihrem Scheitel noch wirkliches Menschenwerk tragen in Gestalt kleiner Burgen oder verfallener Ruinen, deren graues Gemäuer mit dem alten Steine verwachsen scheint. Freilich beschäftigen sie auch zeitweilig die Baupolizei; denn gar nicht so selten, besonders im Frühjahr, rollen ganz hübsche Brocken aus der Höhe hernieder und bedrohen die ländlichen Wohnungen, ja häufig müssen gelockerte Partien, welche mit Sturz drohen, künstlich entfernt werden. Trotz dieser für das Ganze ja verschwindenden Verluste werden die imponirenden Massen noch lange Zeiten durchdauern und des Wanderers Herz stets mit neuem Staunen und Entzücken füllen. Interessant ist der Reichthum an Fossilien, die man auf ihnen findet und welche in seltenen Ammonshörnern, Belemniten, Korallen und anderen Producten des Seebodens Manchem schon zu einer schönen Sammlung verholfen haben; nicht minder auch die Flora, welche zwar keine Alpenrosen beut und in welcher das Edelweiß erst noch der künstlichen Anpflanzung harrt, die aber doch eine ganze Reihe subalpiner Formen, vom stolzen Apollo-Falter umgaukelt, aufweist, ganz abgesehen von der seltsamen Mückenpflanze und dem zierlichen Frauenschuh, jenen beiden Lieblingen des echten jurassischen Bodens. Auch mancher Opferplatz findet sich da oben und manche Wallburg mit regelmäßigen Steinhäufungen und Gräben, die noch des Studiums und der Beschreibung durch den Alterthumsforscher warten. Kurz überall, wohin unser Auge blickt, ist es anregend und schön, und wenn auch oft die Felsen über unseren Häuptern zusammenzustürzen scheinen oder in wildem Chaos ihre Trümmer über einander gehäuft haben, so vermissen wir doch nie den Reiz des Lieblichen, welcher gerade die fränkische Schweiz bei allen großen Eindrücken uns immer so anmuthig erscheinen läßt.
Der Schwarm der Touristen, der in die fränkische Schweiz gelangen will, benützt den Weg von der Station Forchheim, einer uralten Stadt und ursprünglichem Meierhof der Carolinger zwischen Bamberg und Erlangen, bei welcher die Wiesent in die Regnitz einmündet, über Ebermannstadt nach Streitberg und Muggendorf und gelangt auf diese Weise mit beguemer Fahrgelegenheit allerdings zu der schönsten Eintrittspforte, welche in die fränkische Schweiz leitet.
Lange schon haben die Berge zu beiden Seiten der Straße eine eigenthümliche Form angenommen; theils zeigen sie in fortlaufendem Zusammenhange nasenförmige Vorsprünge, welche weithin leuchtende Capellen tragen, theils heben sie sich einzeln, wie der Walburgisberg mit scharfgeschnittenem Sattel, aus der üppig-grünen, durch Schöpfräder im Flusse bewässerten Wiesenfläche. Allmählich aber rücken sie mehr und mehr zusammen.
Wie ein paar gewaltige Wächter begrüßen uns auf steiler Berghöhe zu beiden Seiten des Thales zwei stattliche Ruinen, in ihren Trümmern noch die Festigkeit und Größe der ursprünglichen Burgen verrathend. Weithin beherrschen sie die Gegend und bilden die romantischste Einfassung für den ersten Einblick in die seltsamen Gebirgsformationen der fränkischen Schweiz.
Die Burg links, in ihren Anlagen noch deutlich erkennbar und zum letzten Male im Jahre 1811 zerstört, ist Streitberg, eine Ritterburg aus altersgrauer Zeit, welche durch mancher Herren Hände gewandert ist; ihr gegenüber in imponirender Lage ragt die Ruine Neudeck mit drei hohen Thürmen und mancherlei Gemäuer, auf welchem jetzt Bäume und Sträucher sich im Winde wiegen, über das saftige Grün der Flur empor. Sie ist nicht jünger als ihr vis-à-vis und wurde in den Raubzügen des Markgrafen Albrecht Alcibiades zerstört, welchen auch damals die Burg Streitberg zum Opfer fiel. Sie bestand ursprünglich aus drei einzelnen festen Schlössern, deren Reste noch heute die umfangreichsten der ganzen Gegend sind und unter die schönsten Ruinen auf deutschem Boden gerechnet werden.
Am Fuße der Ruine Streitberg entfaltet sich in malerischer Umgebung das gleichnamige Dorf, dessen Häuser amphitheatralisch am Berge zwischen Obstgärten hingebaut sind. Es ist ein vielbesuchter, altrenommirter Luft- und Molkencurort unter vorzüglicher ärztlicher Leitung, umgeben von schönen Promenaden, welche zu interessanten Punkten führen, und mit mancherlei Höhlen in der Nähe. Auch das freundliche Muggendorf, zu dem wir nach einstündiger Wanderung von Streitberg aus gelangen, genießt seit einer Reihe von Jahren den wohlbegründeten Ruf eines vorzüglichen Curortes. Als einer der ältesten Orte im ganzen Lande, hat es jetzt wie all die verschiedenen Städtchen und Marktflecken, welchen wir auf unserem Wege begegnen, das Gepräge eines reinlichen, sauberen Landstädtchens mit freundlichen Häusern und freundlichen Menschen und dazu jenes eigenthümlich Anheimelnde, das leichter empfunden als definirt wird, uns aber den Aufenthalt in solchen Plätzen immer schwer vergessen läßt.
Zahlreiche Spaziergänge führen uns nach allen Richtungen, theils längs des Flusses, der krystallklar, aber mit empfindlicher, nicht für jeden Badenden verträglicher Frische und mit seinen pfeilgeschwinden Forellen an uns vorbei eilt, theils die Bergwände hinan zu den mannigfachsten Aussichtspunkten. In nächster Nähe befindet sich die im Jahre 1790 entdeckte Rosenmüllershöhle, welche wohl noch von keinem Besucher Müggendorfs unbesichtigt gelassen worden ist. Bequem zugänglich, aber nicht ohne Führer zu betreten, hat sie wohl nicht so viel Imponirendes und Erhebendes aufzuweisen, wie manche der anderen Höhlen, aber sie besitzt doch eine Höhe von über zwölf Meter und ist mit den prächtigsten Stalaktiten geschmückt, welche durch ihre wunderbaren Formen im Glanze des mitgebrachten Lichtes einen überraschenden, Staunen und Bewunderung gebietenden Eindruck machen. Sie ist mehr wie jede andere geeignet, dem Laien durch diese reichen, phantastischen Formen, welche durch niedertropfendes Wasser in steter Weiterbildung begriffen sind und als Stalaktiten von der Decke herab, als Stalagmiten vom Boden auf immer fortwachsen, einen deutlichen Begriff der Höhlenbildung im Jurakalk zu gewähren.
Ein anderer Ausflug, welcher, weil weiter, von Vielen unterlassen wird und doch höchst interessant ist, führt uns über die Wiesent auf prächtig beschatteten, leicht zugänglichen Wegen und in schönster Waldluft zu dem auf der Höhe des Plateaus links gelegenen Trainmeusel, einem kleinen und ärmlichen Dörfchen, wie die meisten oben auf der Höhe. In demselben wird uns der allerdings uralte Unterbau eines Bauernhauses als letzter Rest der Burg jenes famosen Raubritters Eppelin von Gailingen gezeigt, welcher dereinst den Nürnberger Kaufleuten das Leben so sauer machte und ihnen zu dem bekannten Sprüchwort: „Die Nürnberger hängen keinen nicht, sie hätten ihn denn zuvor“ verholfen hat. Doch wir kümmern uns nicht um diese alten, höchst unschönen und mehr als sagenhaften Mauertrümmer und lasten uns auch durch das Luftmalzbier, das Nationalgetränk, obgleich es an heißen Tagen herrlich mundet, zu keinem langen Aufenthalte in dem niedrigen, kleinfenstrigen Wirthshause verleiten; wir holen uns daselbst nur einen Führer und wandern mit diesem über das Dorf Wohlmannsgesees nach einem der interessantesten und geheimnißvollsten Orte, welche unser Vaterland bietet, nach dem Druidenhain. Der Name ist wohl von einem Alterthumsfreunde dem merkwürdigen Waldterrain gegeben worden, das wir am besten bei Sonnenuntergang betreten, wenn wir uns ganz seinem Einflusse hingeben wollen; denn uns ist nichts von einem heimischen Druidendienste bekannt, und finden sich auch keine alten Namen, die wir auf einen solchen deuten könnten. Und doch sagt uns der erste Blick, trotz der gegentheiligen Ansicht mancher Forscher, daß wir es in dem auffälligen Felsenaufbau, den wir in einem hohen
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 530. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_530.jpg&oldid=- (Version vom 14.8.2023)