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Seite:Die Gartenlaube (1882) 556.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

bestehen soll.“ Ja, wenn sie jetzt da wäre und mit ihrem Schlüsselbund jede Sache an den ihr gebührenden Platz läutete! Er gedachte auch daran, daß er sie einst hausbacken, trocken, derb und schlicht genannt hatte, wie das liebe Brod. Sie war auch so: man schätzte sie erst, wenn sie fehlte. – – –

Durch das in sanften Wellenlinien sich dehnende Land, welches Nürnberg umgiebt, ringelte sich am andern Morgen ein glänzender Zug gleich einer schillernden Schlange heran. Trompeter ritten voraus und bliesen für und für auf ihren blinkenden Instrumenten, von denen Fähnchen in den spanischen Farben, roth und gelb, herabflatterten. Dann folgten hoch zu Roß Fürsten in hermelinbesetzten Mänteln und Würdenträger der Kirche. Zur Seite hielten sich Edelknaben, in die Farben ihrer Herren gekleidet, und den Nachtrab bildeten bärtige Reisige, Falkoniere mit Jagdvögeln, Diener auf schlechten Gäulen und roth geschirrte mit Gepäck beladene Maulthiere.

Einen Schritt den vornehmen Herren voraus ritt auf einem braunen Hengst ein schlanker Jüngling in eng anliegender schwarzer spanischer Tracht. Unter seinem spitzen Hut kräuselten sich dunkle Locken, und ein flaumiges Bärtlein zierte die vollen Lippen; in der Hand trug er ein weißes Stäblein. Es war der Erzherzog Ferdinand.

Dicht hinter ihm folgte auf einem Fuchs ein hoch gewachsener Mann mit graulockigem Bart, dessen traurige Augen gar seltsam abstachen gegen sein lustiges Kleid, das mit scharlachnen und gelben Zungen benäht war.

„Ein wonniglicher Tag!“ rief ein junger Domherr, dem die brokatne Kappe bis auf den Sattel hing. „Der blaue Himmel lacht, die grüne Au glitzert von Thautropfen, und die Lerchen jubiliren wie die bestellte Cantorei des Feldes.“

„Es ist ein Wunder,“ erwiderte spöttisch der Mann mit dem graulockigen Bart. „Eigentlich soll es unflätig Wetter geben, wenn die Geistlichkeit ausrückt, sagt das Volk.“

Der dicke Herzog von Baiern lachte laut. Dann richtete er sich auf seinem standhaften Pferde aus und sprach:

„Nit nur der Tag, auch das Land ist halt schön, und sollte selbiges von Rechtswegen zu unsrem Baiernlande gehören, dieweil es ein ebenso gesegnet Stück Erde ist. Schaut nur, wie weithin sich die Hopfengärten strecken! Gleichen sie nit, mannlich und wehrhaft wie sie sind, lanzenstarrenden Söldnerschaaren?“

„Sind ein rechtes Symbolum für Euch,“ lachte der Graubärtige. „Denn das Gebräu, so mit dem Hopfen gewürzet wird, ist Euer liebstes Gewaffen, mit dem Ihr Euch gegenseitig gern unter den Tisch strecket.“

Die Herren lachten. Der dicke Herzog aber antwortete:

„Ihr lacht meiner, scheint’s, weil wir Baiern tapfren Trunk und gute Mahlzeit nimmer verachten. Aber was kommt beim Kasteien heraus? Schaut hinüber nach dem Hungerlande, dem Sachsen! Beim heiligen Joseph, dem Nährvater Christi, sie kämen dort nit auf so rebellische ketzerische Gedanken, wenn sie was Rechts im Leibe hätten.“

Der Graubärtige nickte und sagte:

„Hörte neulich einen gelahrten Mann, der aus dem Sachsenlande kam, sagen, Eure Köpfe hätten für ketzerische Gedanken nicht Raum, weil sie eines andern stets voll wären.“

„Den, wenn i wüßt!“ brauste der Herzog auf, aber ein Blick des Erzherzogs wies ihn zur Ruhe.

Näher und näher kamen sie der Stadt; weit dehnten sich die hohen Ringmauern mit den von Zinnen gekrönten Thoren aus; höher und höher stiegen die Spitzen von St. Lorenzo und St. Sebaldus empor, umgeben von einem Wald von Kirchthürmen, überragt von der wehrhaften Veste.

„Welch herrliche Stadt!“ rief der Erzherzog.

„Was ist's weiter!“ spottete der Graubärtige und rieb sich wie von der Sonne geblendet die Augen. „Es ist eine Handvoll Thurmsamen aufgegangen.“

„Kannst Du mir das Handelsschild nennen, wo man ihn kauft, lustiger Rath?“ fragte ihn der Pfalzgraf Ott Heinz. „Möchte mir auch eine Düte voll solchen Samens mitnehmen. Es würde meinem Schloß in Heidelberg stattlich stehen.“

„Das alte Schild,“ erwiderte der Andere, „das die Thürme sprießen ließ, hat sein Geschäft einstellen müssen Es hieß: ,Zum frommen Glauben‘.“

„Es wird wieder aufblühen,“ sagte der Erzbischof von Mainz. „Der Mönch von Wittenberg ist in Worms unterlegen. Selbst der Kurfürst Friedrich von Sachsen, der allzeit die Hand über ihn hielt, hat gesagt: ,Der Martinus muß in's Elend.‘“

„Und er hat hinzugefügt: ‚doch steht der Ausgang bei Gott,‘“ erwiderte der lustige Rath. „Der Sachse läßt stets eine Hinterpforte offen; deshalb heißt er auch der Weise.“ Und leise fügte er hinzu: „Es kommt Mancher aus dem Elend zurück, von dem es Niemand mehr gedacht hat.“

In diesem Augenblick war der Zug dem Thürmer sichtbar geworden. Auf sein Zeichen schlugen die Glocken von St. Lorenzo an; nah und fern stimmten die andern ein. Wie ein Meer von Tönen wallten die majestätischen Klänge heran.

Da zuckte es wunderbar über das Gesicht des Narren und er nahm seine Kappe ab. Keiner der Herren bemerkte es.


(Fortsetzung folgt.)




Coligny und seine Gegner.

Ein Capitel aus der französischen Reformationsgeschichte.

Bereits zu Ende des zwölften Jahrhunderts erhoben sich in Frankreich die Albigenser und Waldenser, welche für die Verbreitung der heiligen Schrift in der Muttersprache eintraten und die Lehre vom Ablaß und Fegefeuer sowie die Ehelosigkeit der Priester verwarfen. Sie wurden zwar durch Kreuzzüge und andere grausame Verfolgungen aus einander gesprengt, aber ihre Lehre pflanzte sich im Verborgenen fort; sie glich Jahrhunderte lang dem unter der Asche glimmenden Funken, der, sobald der frische Windhauch geistiger Forschung über die Völker strich, zu lichten Flammen aufloderte. So fanden die Grundsätze Wiklef’s und Huß’ auch in Frankreich einen Widerhall, und das Land hatte bereits seine Vorkämpfer für religiöse Freiheit, seine auf Scheiterhaufen für die Aufklärung gemordeten Märtyrer aufzuweisen als die gewaltige That des Wittenberger Mönches die Völker in neue Bahnen zwang.

Kein Wunder also, daß die unter dem Namen des Protestantismus in der Geschichte verzeichnete reformatorische Bewegung schon im Anfang des sechszehnten Jahrhunderts in Frankreich zahlreiche Anhänger fand, kein Wunder, daß auch jenseits der Vogesen ein furchtbarer fast vierzigjähriger religiöser Krieg entbrannte, der in seinen Schrecknissen den deutschen Dreißigjährigen übertraf. Mitten aus allen den Gräueln des Bürgerkrieges ragt aber, einer Schandsäule gleich, ein Ereigniß hervor, welches gleichsam den Höhepunkt dieser schauerlichen Tragödie religiöser Kämpfe bildet – die Pariser Bluthochzeit.

Wohl verlohnt es sich selbst in Zeiten des tiefsten religiösen Friedens, solche Ereignisse in das Gedächtniß des Volkes zurückzurufen und dieselben ihm als warnende Beispiele hinzustellen, damit es nicht erschlaffe in der heiligen Wacht an den Errungenschaften der politischen und religiösen Freiheit. In diesem Sinne öge es auch uns heute gestattet sein, unsern Lesern die Gestalten der Helden und der Henker jener blutigen Bartholomäusnacht vor die Augen zu führen.

Die allgemeine Erschöpfung des Landes zwang die kriegführenden Parteien in Frankreich den „dritten Hugenottenkrieg“ zu beenden und den „dritten Religionsfrieden“ zu schließen, welcher zu St. Germain en Laye am 8. August 1570 zu Stande kam. Unmittelbar nach diesem Friedensschluß gestalteten sich die Verhältnisse derart, daß man zu der Annahme berechtigt war, Eintracht und Duldung würden nunmehr in das ihrer so bedürftige Frankreich einkehren. Es trat zunächst ein Umschwung in der äußeren Staatspolitik ein, der sich gegen die Machtfülle Spaniens und Englands richtete und eine Sammlung der Kräfte sowie den inneren Frieden erheischte. Dann suchte die Königin-Mutter Katharina, welche schon während der Minderjährigkeit des damals regierenden Königs Karl

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 556. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_556.jpg&oldid=- (Version vom 1.5.2023)
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