Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1882) 576.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

eines quadratischen Saales mit Eisenconstruction und Oberlicht. Hier hängt auch das außerordentlich fein und wahr charakterisirte Portrait des Fürsten Bismarck von Lenbach in München. In der Nähe befinden sich die Bildnisse des englischen Staatsmannes Gladstone und des deutschen Humoristen Busch, des Humoristen in Schrift und Zeichnung, des Verfassers des „Heiligen Antonius“, des „Max und Moritz“ etc. Aber diese Portraits, so gut sie sind, vermögen nicht aufzukommen gegen dasjenige Bismarck’s.

Unter diesen Bildern fiel mir, inmitten der Beschauer, die massive Gestalt eines echten Baiern vom Lande auf. Er kümmerte sich nicht um das Alles, weder um den berühmten Maler, noch um die berühmten Gemalten. Er wendete sein Antlitz von ihnen ab und der Kühlung zu, welche ihm vom Perseus-Brunnen her zuging. „Hier ist’s serr aromantisch,“ sagte er mit Genugthuung. Damit meint er „erfrischend“. Unser Held ist aus Altbaiern und wiegt über hundertfünfzig Doppelpfund oder Kilo. Seine lederne Hose ist unten zugeschnürt. Er schnupft Brasil und trägt Ueberreste davon in seinem Schnurrbart. Er ist jedenfalls ein gemachter Mann, der in seinen eigenen Schuhen steht. Ob er aber mit Holz handelt oder mit Schweinen – das konnte ich nicht ermitteln.




Aus Bayreuth, der Stadt der Parsifal-Aufführungen.

(Schluß.)

Die Vorstellung des „Parsifal“ dauert von vier bis kurz nach zehn Uhr. Zwischen den einzelnen Acten sind aber so lange Pausen, daß Jedermann Gelegenheit hat, sich zu erholen und neue Kräfte zu schöpfen.


Bilder aus der baierischen Landesausstellung in Nürnberg: Bauern aus dem Pegnitzthale.
Originalzeichnung von Professor Rudolf Geißler.


Wer den „Lohengrin“ von Richard Wagner kennt, dem ist auch der Name des „Parsifal“ nicht fremd; denn in dieser früheren Oper wird Parsifal als der Vater des Lohengrin und als Hüter des „Gral“ erwähnt.

Wer oder was ist nun dieser Gral? Nach dem Glauben des Mittelalters ist es die aus einem kostbaren Edelsteine verfertigte Schale, aus welcher Christus das Abendmahl gespendet hatte, in welcher später (von Joseph von Arimathia) sein Blut aufgefangen worden war und die, von Engeln gebracht, in einem Tempel des fernen Ostens aufbewahrt wurde. Hier war eine Schaar erlesener Ritter zum Dienste des Grals versammelt, die auf seinen Befehl und unter seinem Schutze herrliche Thaten verrichteten. Der Gral spendete ihnen täglich Speise und Trank, wodurch die Ritter jung und unsterblich blieben. Der Charfreitag war der Hauptfesttag in der Gralsburg; an ihm kam eine Taube vom Himmel und brachte die heilige Oblate, durch welche die Kraft des Gefäßes auf ein frisches Jahr erneut wurde. Die Ritter des Grals hatten sich mancherlei Regeln zu unterwerfen, unter Anderem auch der Ehelosigkeit. Nur der Gralskönig durfte ein Weib haben.

In dieser Sage finden augenscheinlich Mönchsthum und Ritterthum eine gemeinsame Verherrlichung, und bei der Bedeutung, welche diese beiden Mächte im Mittelalter hatten, ist es natürlich, daß die Sage vom Gral eine große Anziehungskraft ausübte und daß sich die Poeten von Fach ihrer bemachtigten, sie ausschmückten, erweiterten und in ihre einzelnen Theile zerlegten. Es bildete sich um den Gral ein ganzer Kreis von Sagen; seine einzelnen Ritter wurden zu Helden besonderer Dichtungen, und namentlich die Schicksale und Thaten seiner Könige boten einen unerschöpflichen Stoff zu dichterischen Erzählungen.

Unter diesen Königen nun hat der Eine das Glück gehabt, von einem Dichter besungen zu werden, den Friedrich von Schlegel den größten Poeten Deutschlands genannt hat. Dieser König ist unser Parcival, und sein Homer war Wolfram von Eschenbach.

Wolfram, im Ansbach’schen, also in der Nähe von Bayreuth, geboren, lebte im Anfang des dreizehnten Jahrhunderts. Das genaue Datum seiner Geburt ist ebenso wenig bekannt, wie das seines Todes. Sein Hauptwerk ist aber der „Parcival“, eine Dichtung von ungefähr 24,000 Versen, die durch Karl Simrock, der sie in das heutige Deutsch übertrug, Jedermann zugänglich ist. Ihr Inhalt in einem kurzen Satze wiedergegeben lautet: wie Parcival König vom Gral wurde.

Wolfram schildert das Leben Parcival’s von dessen frühester Jugend an. Sein Vater, Gamuret, dessen Abenteuer ebenfalls berichtet werden, ist gestorben, ehe Parcival geboren wurde, und seine Mutter, Herzeloyde, zieht den Knaben in völliger Einsamkeit auf, damit er ja kein Ritter werde. Das Blut in ihm ist aber stärker als der Wille der Mutter, und eines Tages geht auch der sorglich gehütete, unerfahrene Knabe hinaus in die Welt, besteht die üblichen Fehden, klopft hier und da an: so z. B. am Hofe des König Artus, und gelangt endlich auch zur Gralsburg. In dieser liegt zu jener Zeit Amfortas, der König, an einer Wunde, die er zur Strafe für eine begangene Sünde erlitten, darnieder. Heilung ist ihm versprochen, wenn ein Fremder aus freien Stücken nach seinem Leiden theilnehmend fragen würde. Parcival aber, der von seinem Lehrer Gürnemanz gelernt hat, ein Ritter sollte so wenig wie möglich fragen, fragt nicht und bringt damit den Amfortas um die Heilung, sich selbst aber um hohe Ehren; denn dem fragenden Fremden ist die Königswürde beim Gral verheißen.

Diese Unterlassungssünde hat noch weitere schlimme Folgen für Parcival, die ihn zu einer jahrelangen kämpfereichen Irrfahrt treiben. In deren Verlauf geht aber mit ihm eine innere Umwandlung vor sich: er wird aus einem wilden, trotzenden Ritter zu einem frommen Menschen, der sich unter Gottes Fügungen beugt. Er gewinnt jetzt zu den Vorzügen der körperlichen Kraft

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 576. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_576.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2023)
OSZAR »