Verschiedene: Die Gartenlaube (1882) | |
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Linie mich zurück nach Suez brachte. Auf der Heimreise begriffen, hatte ich vermeint, noch die Wunder des Pharaonenlandes erschauen zu können, doch als wir am Abend in den Hafen einliefen, ward uns angekündigt, daß wir Quarantäne hätten, und die gelbe Fahne wurde am Maste aufgezogen. Diese Enttäuschung blieb nicht die einzige; es war, als sollten wir überhaupt die Kehrseite von dem kennen lernen, wovon bei der ersten Fahrt fast nur die glänzende Lichtseite bemerkbar gewesen war.
Ohne Zweifel hatten sich aber auch die Zeiten geändert; die ägyptischen Wirren lasteten schon auf Land und Leuten, und da wir später, bei der Landung in Neapel, hörten, daß die Quarantäne in Aegypten bereits zur Zeit unserer Ankunft gesetzlich nicht mehr bestanden habe, so bin ich überzeugt, daß auch bei dieser Angelegenheit anarchische Elemente ihr Wesen trieben.
Nicht minder lästig waren die endlosen Verzögerungen der Einfahrtsordre; erst gegen Mittag erhielten wir dieselbe und fuhren nun hinter zwei anderen Schiffen in den Canal ein, von denen wir später eins überholten. Wir erfuhren zu unserem großen Leidwesen, daß von einer Bevorzugung der Postdampfer nicht mehr die Rede sei. Die Canalverwaltung scheint die Absicht gehabt zu haben, die Taxe für dieselben über den bisherigen Satz zu erhöhen und sie zur Zahlung des den Handelsschiffen auferlegten Zuschlages zu zwingen. Wenigstens läßt sich sonst kaum ein stichhaltiger Grund für ein Verfahren auffinden, das zum Schaden aller Verkehrtreibenden und Reisenden gerade denjenigen Schiffen empfindliche Verzögerungen verursacht, die den Zweck und die Verpflichtung rascher und sicherer Beförderung haben.
Wie dem aber auch sei, wir hatten in Folge dieser Neuerung geradezu unerhörten Aufenthalt und machten dabei denn auch gründliche Bekanntschaft mit der Thatsache, daß die Böschungen des Canals sich in einem wahrhaft verwahrlosten Zustande befinden. Eine Versandung des Canales, welche trotz der Wüstenwinde sonst nicht zu befürchten sein würde, wird die unausbleibliche Folge dieser Vernachlässigung sein, wenn nicht noch zu rechter Zeit in ganz anderer Weise, als dies bis zum Januar 1882 geschehen, Vorkehrungen dagegen getroffen werden.
Bis dahin hatte man nur ein gewisses Quantum von Steinen sehr mäßiger Größe und Qualität aus den Gebirgen um Suez an den Canal geschafft und die Böschungen in ziemlich liederlicher Weise damit auszubessern begonnen. Anfangs scheint man der Ansicht gewesen zu sein, daß man die Ufer durch Anpflanzungen in gutem Stande erhalten könne, doch erweist sich dies als verfehlt, da der sandige Boden und das trockene Klima kein gehöriges Bewachsen zulassen. Hierbei macht es sich doppelt fühlbar, welcher Uebelstand in der geringen Breite des Canals liegt. Wäre derselbe so angelegt, daß überall zwei Schiffe an einander vorbeifahren könnten – was zur Zeit nur an den Ausweichstellen der Fall – so würde die Beschaffenheit der Böschung keine so große Rolle spielen und die Wasserbewegung beträchtlich ermäßigt sein.
Selbst in dem geschichteten Erdreich in dem südlichen Theile des Canals, das man als einen Ausläufer der Plateauwüste ansehen darf, zeigte sich öfter ein Unterspülen der Ufer, und an einzelnen Stellen waren sogar die mangelhaften Steinpackungen wieder schadhaft geworden. Natürlich wurde angesichts dieses Uebelstandes noch ängstlicher darauf gehalten, daß die Schiffe mit der gehörigen Langsamkeit fuhren. In den engeren Canalstrecken brachten wir es höchstens auf 5 Seemeilen oder 1¼ geographische Meile in der Stunde, und meistens ermäßigte sich die Geschwindigkeit noch mehr, oft bis auf 3½ Seemeilen in der Stunde.
Das häufige Anhalten, zu dem wir gezwungen waren, ward um so lästiger und zeitraubender, als wir widrigen Wind, fast genau Nordwind, hatten, der uns etwas schräg von der rechten Seite her packte und das Schiff unbarmherzig in die versandeten Theile am Westufer des Canals trieb. Nachdem wir 14 Meilen nach mancherlei Hindernissen um 3½ Uhr zurückgelegt, mußten wir für den ersten Tag Halt machen. Der lange Aufenthalt war
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 581. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_581.jpg&oldid=- (Version vom 14.4.2023)