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Seite:Die Gartenlaube (1884) 693.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Von der hansischen Flanderfahrt.

Von Karl Braun-Wiesbaden.0 Mit Illustrationen von H. Schlittgen.
III.0 Brügge.0 Rückfahrt.

Canal in Brügge.

Nach einem fröhlichen gemeinsamen Male in Gent fuhren wir den Abend mit der Eisenbahn nach Brügge, der Hauptstadt von Westflandern. Wie wir später erfuhren, hatten wir den Einwohnern von Brügge – „dieser schönen und edeln Stadt“, wie sie unser großer deutscher Maler Albrecht Dürer bewundernd genannt hat – ohne es zu wollen, eine Täuschung bereitet, nämlich durch die Art unseres Einmarsches. Belgien ist das Land der öffentlichen Festlichkeiten, der Straßenaufzüge und der Schaubelustigungen, der Schützenfeste, der Preisschießen mit der Armbrust oder mit dem Handbogen, der Wallfahrten und Processionen, des Umherziehens von Riesen und von Schiffen (natürlich auf Wagen) und der Kirchweihen. Bei der Lebhaftigkeit und der Vergnüglichkeit der Bevölkerung und ihrem gesunden Sinn für Kunst, für Farben und Formen, für Musik und Malerei, ist es zu einem ordentlichen „Ommegang“ oder Aufzug unbedingt nothwendig, daß er nicht ohne einen gewissen Aufwand von äußeren Mitteln stattfindet, welche geeignet sind, die Lust des Volks am Schauen und Hören, kurz die Augen und die Ohren zufriedenzustellen.

Der Deutsche, und namentlich der Norddeutsche, hat für so was nicht viel Sinn und Neigung. Er liebt weder die Schaustellung noch den Lärm, den letzteren so wenig, daß uns unsere östlichen (slavischen) Nachbarn „die Stummen“ zu nennen belieben.

Die Einwohnerschaft von Brügge hatte, so sagte man mir, erwartet, daß diese Hansen (oder wie man hier schreibt „Hanzeaten“), diese „Osterlings“, deren Andenken im Geiste und Gedächtniß der Vlamingen durchaus nicht erloschen, einen ähnlichen „Ommegang“ halten würden, wie ihre Vorfahren vor einem halben Jahrtausend; daß sie einziehen würden mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel, in malerischer Gewandung und nicht ohne eine Art von festlicher oder wenigstens von militärischer Ordnung; denn wozu ist man der Militärstaat?

Dieser Voraussetzung war Nahrung gegeben worden durch das plattdeutsche Hanseaten-Lied, das uns vorausgeeilt war und dessen ersten Vers ich hierhersetzen will:

„Höört jy wel de pypen klingen
Un de trumlen daartoe slaan?
Kinders, nu laat uns ’maal singen,
Dat een fiks marscheeren kan!
 Hanseaat,
 Kameraad!
Vast in takt marscheer dyn straat!
Vraagt een, wat voor’n regiment?
Ses un seüventig men’t nent!“

Von alledem geschah das Gegentheil. Wir kamen spät an, es war, glaube ich, nach neun Uhr Abends, indeß noch hell genug, daß wir den Bahnhof bewundern konnten, welcher uns den Beweis liefert, daß auch für diese Art von Bauwerken der gothische Stil, richtig verstanden, sehr wohl anwendbar ist. Auf dem Bahnhof wurden wir von dem Brügger Comité und den Vorstehern der verschiedenen Vereine, welche sich ihm angeschlossen hatten, lebhaft und freundlich bewillkommnet als die Nachkommen derer, welche vordem so viel zur merkantilen Blüthe dieser Stadt beigetragen hatten. Wir erwiderten die Begrüßung nach Kräften. Aber offen gestanden: wir waren müde. Denn wir waren in Gent den ganzen Tag den Sehenswürdigkeiten nachgelaufen, und

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 693. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_693.jpg&oldid=- (Version vom 29.5.2024)
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