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Seite:Die Gartenlaube (1884) 706.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Die Straßburger Universität.

In aller Erinnerung stehen noch die festlichen Maitage des Jahres 1872, da die Universität Straßburg neu gegründet wurde. Mit den Waffen waren die alten Reichslande wiedergewonnen worden; dem friedliebenden deutschen Volke schien es aber, daß die Erwerbung erst dann ganz in seinem Geiste vollzogen sei, als sie besiegelt ward durch ein Werk des Friedens, als eine Hochburg deutscher Wissenschaft aufgethan wurde in der alten „Burg an der Straße“. – In einer Weise, wie sie sich im Leben der Völker selten ereignet, nahmen alle Volksgenossen Theil an jenem Feste. Nicht nur, daß der Strom der anwesenden Gäste selbst in den gewaltigen Räumen des Schloßhofes nicht unterzubringen war, – unablässig kamen neue Sendschreiben und Grüße von allen Orten, wo Deutsche wohnten, alle getragen von patriotischer Freude, erfüllt von dem Klange des Jubels.

In den Frühlingstagen des deutschen Volkes, in den Tagen des Humanismus hatte der größte Mann, den Straßburgs Geschichte besitzt, der auch als Deutscher zu den Großen gehört, – hatte Jacob Sturm von Sturmeck die Grundlagen jener „Akademie“ gelegt, welche am 1. Mai 1567 in feierlichem Gepränge eröffnet werden konnte.

Trüber waren schon die Zeiten, als die Akademie zu einer „vollkommenen“ Universität ausgestaltet wurde. Es kostete der Reichsstadt ein schweres politisches Opfer, von Kaiser Ferdinand II. für ihre protestantische Universität das nothwendige Privilegium zu erhalten, in allen Facultäten die Grade verleihen zu dürfen. Sechszig Jahre später, und ein Abgesandter der Stadt kam zu Rector und Senat und gab auch ihnen zu bedenken, was in so kritischen Zeitläuften zu geschehen habe, denn Louvois stand mit den Soldaten Ludwig’s XIV. in Illkirch, die vom Reich verlassene Stadt war ihm preisgegeben; eine Capitulation sicherte der Universität ihr Bestehen. Was nun von 1681 ab folgte, war ein langer, von Zeiten der Ruhe unterbrochener Kampf des Schwächeren gegen den Stärkeren, ein Kampf, wie für ihre Eigenart, so auch für Erhaltung deutscher Sprache und Sitte, in welchem die Universität sich rühmlich bewährte.

Eine Episode aus dieser Zeit von 1681 bis zur Revolution ist uns besonders theuer. Ein herrlich schöner Jüngling aus Frankfurt zog den Rhein herauf und schrieb am 18. April 1770 in die Matrikel: „Johannes Wolfgang Goethe, Moeno-Francofurtensis.“ Er studirte die Jura nicht eben so fleißig, als der Herr Vater gewünscht hatte, aber er begeisterte sich an dem großen Wahrzeichen der Stadt, dem Münster, für deutsche Kunst, sammelte Lieder aus dem Munde des Volkes und wurde sich im Gegensatze gegen das auf diesem Boden eben erstarkende und um sich greifende französische Wesen seiner deutschen Art nachdrücklich bewußt. Sein Erzbild grüßt heute Jeden, der durch die Halle an ihm vorüberschreitet, mit stiller Mahnung.

Die Jahre 1793 und 1794 brachten das Ende der Universität. Die Professoren wurden gefangen gesetzt, verwiesen, die Güter eingezogen. Es galt, wie ein Mitglied des revolutionären Gemeinderaths es aussprach, „der Hyder des Deutschthums“. Es war ein stolzes Ende.

Als man am Anfange dieses Jahrhunderts unter den Trümmern der Vergangenheit aufzuräumen und Neues zu erbauen anfing, erhielt Straßburg eine französische Akademie. Die Art der alten reichsstädtischen Universität und die Weise deutscher Hochschulen pflanzte sich nur in einem Zweige dieser Akademie, dem „Séminaire protestant“, der Pflanzschule protestantischer Theologen, unentwegt fort; im Uebrigen waren Fachschulen und Internate an die Stelle der alten Einrichtungen getreten.

Wieder kam ein erster Mai, und wieder gab es die Einweihung einer Universität. Der erste Kaiser des neuen Deutschen Reiches hatte, wie es in der Stiftungsurkunde heißt, „auf den Antrag des deutschen Reichstages und unter Zustimmung des Bundesrathes des Deutschen Reiches beschlossen, daß die durch eine glänzende Vergangenheit ausgezeichnete hohe Schule zu Straßburg in ihrer früheren einheitlichen Gestaltung als Universität wieder in’s Leben trete.“

Noch fehlten aber die Räume, in denen die Hochschule ganz und voll ihres Berufes, zu forschen und zu lehren, warten konnte. Nach zehnjähriger Arbeit sind nun die Neubauten der Hauptsache nach vollendet, so daß die feierliche Eröffnung des Hauptgebäudes der Universität (dessen Vorderseite unsere Zeichnung S. 708 vor Augen führt) auf den 27. October d. J. festgesetzt werden konnte. Es ist dieser Tag die fröhliche Ergänzung des Maitages von 1872. Der Herbsttag bringt die Frucht, welche jener Frühlingstag verheißen. Im Jahre 1878 wurde die Concurrenz für den Bau dieses Centralgebäudes ausgeschrieben, als der Reichstag die auf 2,300,000 Mark festgestellten Mittel bewilligt hatte. Als Sieger ging hervor Professor Warth aus Karlsruhe. Ihm wurde auch der Bau übertragen, der die ganze Breite des Universitätsplatzes einnimmt. Den Mittelpunkt des Innern bildet ein herrlicher Lichthof, um den sich die Arbeits- und Lehrräume gruppiren.

Werfen wir noch einen Blick auf das andere Bild (S. 705), das von einem erhöhten Punkte im Rücken des Universitätsterrains aufgenommen ist. Wir sehen im Vordergrunde links die Bauten der Sternwarte mit dem großen Refractor. Die zum Oeffnen und Drehen eingerichtete Kuppel birgt das größte Instrument, das sich zur Zeit auf den Sternwarten des Deutschen Reiches befindet. Rechts von diesem Bau stehen die Meridiangebäude. Daneben stößt der botanische Garten mit seinen Gewächshäusern an, weiter rechts wird das botanische Institut sichtbar. Der viereckige Thurm kennzeichnet das physikalische Institut, während das lange Gebäude daran für das chemische Institut bestimmt ist; diese vier Institute sind nach dem von dem jeweiligen Institutsdirector gegebenen Programm entworfen und erbaut von A. Eggert, demselben Architekten, dem der Bau des Straßburger Kaiserpalastes und des Frankfurter Centralbahnhofes übertragen worden ist.

Ein ebenso ausgebreitetes Terrain als das, welches wir eben durchmessen haben, wird an einer andern Stelle der Stadt von den Gebäuden der medicinischen Facultät bedeckt. Sechs große Institute haben sich in den Raum zwischen Hospital und der neuen Umwallung der Südfront eingeschoben.

Zahlreiche Autoritäten aus aller Welt kamen, die neue Schöpfung in Augenschein zu nehmen. Sie alle sind einig in dem Urtheil, daß, was Umfang, Schönheit und praktische Einrichtung der Gebäude anlangt, Straßburg nunmehr in erster Reihe genannt werden müsse.

Bei einem der Festmahle, welches vor nicht langer Zeit die Angehörigen der Universität mit einer großen Anzahl von Bürgern und Beamten vereinigte, sprach ein beredter Altstraßburger in feurigen Worten es aus, daß, wenn man durch die Bauten wandle, welche für die Universität geschaffen worden seien, man nothwendig auf den Schluß komme, es müsse eine große Seele sein, die sich diesen herrlichen Körper geschaffen habe. Lassen wir diesen Lobspruch in bescheidenem Stolze gelten! Möge er auch in dem Sinne wahr werden, daß es immerdar eine große freie Seele sei, die diesen Körper belebt! S.     


Brausejahre.

Bilder aus Weimars Blüthezeit.0 Von A. v. d. Elbe.
(Fortsetzung.)

Ich beschwöre, daß ich nichts von diesem Briefe weiß!“ begann Goethe nach einer Pause in tiefer Bewegung.

„Wäre es möglich? Soll – darf – kann ich glauben?“ rief der Herzog.

„Nicht ohne Beweis; wir müssen den Urheber entdecken!“

„Den Urheber? Göchhausen, der alte Tropf, gab mir den Brief; er hatte ihn aus Deiner Tasche fallen sehen.“

„Welch ein Gespinnst von Lug und Trug! Dahinter steckt ein Anderer als dieser blöde Baron!“

„Ein Anderer! Wer?“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 706. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_706.jpg&oldid=- (Version vom 29.5.2024)
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