Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1884) 708.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

hoffte, mit ihrer Heirath einen Abschluß und die günstigste Wendung für den Herzog zu finden. Dieser sah aber den Freund jetzt groß an.

„Was fällt Dir ein?“ sagte er befremdet. – „Warst Du es nicht, der mir ernstlich abrieth, Dergleichen zu thun; mein Geld nicht zu verschwenden? Jetzt habe ich mir die Sache auch überlegt, habe den jungen Menschen neulich abgewiesen, jetzt bleibt es dabei!“

Graf Görtz säumte nicht lange, dem Drängen des Herzogs zu folgen und Weimar zu verlassen. Er siedelte in der nächsten Zeit mit seiner Familie nach Berlin über, wo er später wieder eine Hofstellung annahm.

Die plötzliche Verabschiedung des Grafen Görtz und das, was von der Ursache verlautete, übte einen höchst ungünstigen Einfluß auf die Herzogin Luise. Der Hofmarschall hatte ihr seinen Abschiedsbesuch gemacht, hatte über ungerechte Behandlung, über eine perfide Intrigue gegen sich und gegen seine hohe Gebieterin geklagt und hinzugefügt, sein Respect, seine Loyalität verbiete ihm, mehr zu sagen.

Das neue Hauptgebäude der Universität in Straßburg.
Nach einer Photographie.

Die so zart empfindende Fürstin, der jede öffentliche Besprechung, jede Vermengung ihres Namens mit einer auffälligen Angelegenheit höchst empfindlich war, hörte, wo es sich um ihre Person handelte, mit feinem Ohr, und so kannte sie bald die Ursache der Verabschiedung ihres Hofmarschalls: er sollte Goethe beschuldigt haben, daß dieser ihr nachstelle, daß er sich ihr in ungeziemender Weise nahe! Goethe hatte allerdings versucht, ihr Artigkeiten zu erzeigen, hatte das Gespräch mit ihr zu vertiefen, auf ernste Punkte zu führen gesucht. Sie war vielleicht doch nicht zurückhaltend genug gewesen? O, sie konnte an diesem Hofe, wo es so wenig Formen und Schranken gab, nicht vorsichtig genug sein! So überlegte sie, und so geschah es, daß die Ränke des Wundermannes die Kluft zwischen dem jungen fürstlichen Ehepaare erweiterten und neue Entfremdung zwischen ihnen herbeiführten.

Mit Christoph Kaufmann, der längere Zeit in Weimar gewohnt hatte, machte der Herzog kurzen Proceß; er ließ ihm einen Platz in dem Reisewagen zur Verfügung stellen, der behufs Ausbesserung an den Rhein geschickt wurde. Kaufmann ging später als Arzt zur Brüdergemeinde nach Herrnhut.

Graf Saint Germain verschwand ebenso geheimnißvoll nach dem Mißlingen seines Anschlags aus Weimar, wie er dahin gekommen war; man hörte später, er sei mit dem Landgrafen Karl von Hessen, dem zweiten Sohn des regierenden Herrn, nach Schleswig gegangen, wo sich bald der Mysticismus zur vollen Blüthe entfaltete; Schleswig wurde der Sammelplatz aller wundergläubigen Männer der Zeit; der Landgraf nahm am Sectenwesen lebhaften Antheil und verfaßte unter dem Beistande Saint Germain’s aufsehenerregende, phantastisch religiöse Bücher.

Corona würde sich jetzt erleichtert und befreit gefühlt haben, wenn ihr nicht der Graf in einem kurzen, geheimnißvoll gehaltenen Schreiben seine baldige Rückkehr in Aussicht gestellt und ihr die Versicherung gegeben hätte, daß er im Geiste mit ihr sei und Kenntniß von all ihrem Thun und Treiben erhalte.

Dem wiederholten Werben Hildebrand’s von Einsiedel setzte sie also stets die alte Antwort, daß sie gebunden sei und bleibe, entgegen. Er ward bald nach der Verabschiedung des Grafen Görtz zum Hofmarschall der Herzogin Luise ernannt und seine Lebensstellung dadurch noch mehr über die der Künstlerin erhoben.

So mußte das Paar in gezwungener Entsagung und bei ruhiger Ueberlegung der Ansicht Raum geben, daß eine Heirath kaum ausführbar sei.

(Fortsetzung folgt.)

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 708. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_708.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2024)
OSZAR »