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Seite:Die Gartenlaube (1884) 711.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Gesandtschaft guineischer Neger, die nach Berlin gekommen war, um dem Großen Kurfürsten zu huldigen, Hunderte von Schwarzen den grünen Strand der Spree besucht, aber keinem von ihnen hat bis jetzt eine gelehrte Gesellschaft ihren Dank ausgesprochen. Welches war nun das Verdienst dieser demüthig niederknienden Fremden mit den unaussprechlichen Namen: Madugu[1] maigasin baki Mohamman dan Mohamman und Madugu dan Tambari Mohamman dan Abubakr?

Sie haben tief im Innern Afrikas einem Sohn Deutschlands treu beigestanden in der schwierigen Lösung wichtiger wissenschaftlicher und cultureller Aufgaben, sie waren seine zuverlässigen Führer durch fremde Länder, die bis dahin noch niemals der Fuß eines Europäers betreten, sie waren seine Freunde, die ihn vor der Mißgunst roher Völkerschaften durch Rath und That zu bewahren wußten. Und der Mann, dem sie diese Dienste erwiesen und der sie jetzt nach Europa mitgenommen hatte, um ihnen die Macht der Weißen und die Wunder der Cultur zu zeigen, er war der gefeierte Held jenes Abends, das jüngste Ehrenmitglied der Geographischen Gesellschaft, Eduard Robert Flegel. Noch trug sein Antlitz Spuren der vielen Mühen, die er jüngst ertragen hatte, aber aus seinen Augen leuchteten frohe Zuversicht und energisches Wollen. Denn er war nicht heimgekehrt, um auf den frischen Lorbeeren seines Ruhmes auszuruhen, sondern um neue Mittel zu weiteren Unternehmungen zu sammeln.

Rückseite des zusammengefalteten Briefes des Sultans von Sokoto.

Wenn man im industriellen Leben der Gegenwart diejenigen Männer als nachahmenswerthe Vorbilder hinstellt, die aus eigener Kraft Großes auf ihrem Gebiete vollbracht haben, so verdient auch die Art und Weise, in welcher Flegel sich zu einem der besten Afrikaforscher emporgearbeitet, unsere vollste Bewunderung und darf an dieser Stelle nicht verschwiegen werden.

Am 13. October 1852 wurde er zu Wilna in Rußland geboren, von wo seine Familie nach Mitau und dann nach Riga übersiedelte. Hier besuchte der Knabe die Kreisschule bis Prima und trat im Jahre 1869 bei A. Fluthwedel u. Comp. in’s Geschäft, um Buchhändler zu werden. Aber dieser Beruf entsprach nicht seiner inneren Neigung, ihn zog es mächtig in die Ferne hinaus, und im Jahre 1871 ging er zunächst nach Deutschland, wo bereits sein Bruder weilte. Bemerkenswerth waren hier die großen Fußtouren, die er trotz der bequemen Eisenbahnverbindungen unternahm, wie z. B. ein Gang nach Straßburg, den er im Spätherbste 1871 mit seinem Bruder von Gera aus über Eisenach, Frankfurt am Main und Speyer in 15½ Tagen vollendete. So hatte er damals gewissermaßen eine Vorschule für seine Afrikareisen durchgemacht. Auf der Handelsschule in München reifte in ihm der Entschluß, sich an der Erforschung von Afrika zu betheiligen, und er nahm darum nach Absolvirung derselben eine Stelle in der Tabakhandlung von Plumeyer in Hamburg an, da er wohl ahnte, daß er in der Hansastadt die beste Gelegenheit zur Ausführung seiner Pläne finden würde. Und in der That verließ er schon am 30. September 1875 auf dem Segelschiff „Mathilde“ den Hafen Hamburgs, um zunächst als Angestellter des Hauses G. L. Gaiser in der Factorei Palma bei Lagos, westlich vom Nigerdelta, die afrikanischen Verhältnisse kennen zu lernen und seine Pläne endgültig auszuarbeiten. Während eine große Gesellschaft sich an dem unteren Laufe des Congo niedergelassen hatte und von dort aus sich einen Weg in das Innere von Afrika, gegen Katarakte und Stromschnellen ankämpfend, bahnen will, hatte Flegel seit Jahren das Ziel verfolgt, auf dem Laufe des Niger und Benuë in die für den Handel so wichtigen Gebiete des Sudan vorzudringen.

Im Jahre 1852 kam die Nachricht nach Europa, daß Dr. Barth am 18. Juni 1851 in Adamaua einen schiffbaren Nebenfluß des Niger, den Benuë (auch Binuë genannt), entdeckt hatte, und damals begriff man sofort die hohe Bedeutung dieser Wasserstraße für den Handel Afrikas, da der Niger unter allen Flüssen dieses Welttheils der Schifffahrt die geringsten Hindernisse bietet. Schon im Jahre 1854 wurde eine Expedition unter Dr. Backie’s Leitung ausgerüstet, und die „Plejade“ dampfte den Niger und Benuë ohne wesentliche Hindernisse hinauf. Leider mußte diese Expedition die weitere Verfolgung des Stromes unterlassen, „weil das Schiff mit den unvollkommensten Werkzeugen zum Schlagen des für die Maschine erforderlichen Brennholzes ausgerüstet war“. Sie konnte aber schon damals feststellen, daß der Benuë einschließlich des unteren Niger eine brauchbare Wasserstraße von mindestens 1100 Kilometer abgiebt. Aber merkwürdiger Weise blieb trotz dieser Erfolge der Benuë durch 25 Jahre völlig unbeachtet, und erst im Jahre 1879 suchte der Missionsdampfer „Henry Venn“ der „Plejade“ zu folgen. Das thätigste Mitglied dieser Expedition war nun Ed. Robert Flegel. der seit jener Zeit mit rastlosem Eifer für die Bedeutung dieser Wasserstraße eintritt.

Der Empfehlungsbrief des Sultans von Sokoto.

Heute, wo die Handelsfreiheit auf dem Niger allen europäischen Völkern durch internationale Verträge garantirt werden soll und wo das Stromgebiet von Benuë sozusagen das Hinterland der deutschen Erwerbungen in Kamerun bildet, wird der hohe Nutzen der unermüdlichen Arbeiten von Flegel voll anerkannt, und wir freuen uns, an dieser Stelle einen Bericht aus der Feder des berühmten Forschers über seine Reisen veröffentlichen zu können.

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Der Bericht Robert Flegel’s.

Dr. Heinrich Barth war es, der mit seiner Ueberzeugung von der hohen Bedeutung des Benuë für die Civilisirung und Erschließung des westlichen Sudan auf mich zuerst wirkte, und dessen Gedanke, von Adamaua nach dem Indischen Ocean zu dringen[2], erscheint mir ausführbar, nachdem Stanley seine auf unsere Zeit so mächtigen Einfluß übende Großthat beendet. Wie ich mir den Weg gebahnt, um überhaupt geographische Kreise für meine Ideen zu interessiren und mir die nöthigen Unterstützungen zu verschaffen, habe ich in meiner Jungfernrede, März 1880, im Architektensaale zu Berlin mitgetheilt. Ich kann nicht anders als mit dankbarer Befriedigung zurückblicken auf die Vergangenheit.


  1. Madugu bedeutet einen Titel ungefähr wie „Prinz“. Maigasin baki = der mit dem Barte. Mohamman dan Mohamman = Sohn des Mohamman.
  2. Siehe meine Vorschläge zu neuen Unternehmungen von Adamaua aus. Mittheilungen der Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland. R. F.     
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 711. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_711.jpg&oldid=- (Version vom 17.10.2024)
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