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Seite:Die Gartenlaube (1884) 717.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

No. 44.   1884.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


„Fanfaro.“
Novelle von Stefanie Keyser.
(Fortsetzung.)


So wenig der junge Doctor schlafen konnte in dieser Nacht, so wenig Bartenstein den Frieden erritt: so wenig fand Ereme Ruhe.

Die türkischen Pantöffelchen waren rastlos den ganzen Tag durch das alte Clusius-Haus geklappt, während die Wagen zum Feste und dann wieder heimwärts rollten und die Insassen derselben fragende oder schadenfrohe Blicke zu den Fenstern hinauswarfen. Als sie spät Abends auf dem Smyrnateppich still neben einander standen, starrte ihre Trägerin mit weit geöffneten Augen in die Nacht hinaus und sann darüber nach, wie sie es anzufangen habe, daß sie sich endlich ihres Sieges zu freuen vermöchte. Aber wie sie auch sann, kein Ausweg fiel ihr ein.

Nur sein Bild stand unablässig vor ihrem innern Auge, wie sie ihn zuletzt erschaut hatte: hoch aufgerichtet, mit lodernden Blicken, die dunklen Brauen, die wie Adlerfittiche sich ausbreiteten, finster zusammengezogen, und jedesmal blieb ihr der Athem dabei aus.

Nun, allmählich mußte ja auch diese Erinnerung schwinden hinter dem Schleier, welchen die vorüberwandelnden Stunden davor webten.

Uebermüdet schloß sie die Augen, um sie mit dem ersten Sonnenstrahl unter dem Eindruck eines tiefen Schreckens wieder zu öffnen. Was war ihr nur Furchtbares geschehen?

Und sie hörte wieder seine Stimme sprechen: „Wir vergossen unser Blut, damit Sie in Ruhe Tinte vergießen konnten“. Ach, wenn sie doch in diesem Augenblick vor seinen Augen ihr Leben einer großen Sache hätte opfern dürfen! Wie gern hätte sie es hingegeben! Wie werthlos war es!

Sie ging aus einem Zimmer in das andere, die Treppe auf und ab.

„Willst Du nicht Deine Spitzen fertig ausbessern?“ fragte die Tante. „Das Kleid sollte doch damit garnirt werden, welches Du bei dem feierlichen Rede-Actus am Geburtstag des Herzogs anziehen willst.“

Ereme erstickte fast; sie wußte nicht, ob bei dem Gedanken an den Rede-Actus oder an die Spitzenstopferei. Sie öffnete, nach einem frischen Athemzug schmachtend, das Fenster.

Drückende Hitze drang herein, die Sonnenstrahlen lagen grell auf den Pflastersteinen.

Da schlug auf der Universitätsuhr die Stunde, um welche er sonst seine Schwadron vorüberzuführen pflegte. Ferne Musik erschallte. „Ich bin ein Preuße, kennt Ihr meine Farben?“ bliesen die Trompeten.

Mit stockendem Athem lauschte sie den Tönen. Sie wußte, wie sie näher und näher kommen mußten.

Aber sie wurden schwächer und verhallten.

Er mied den Weg an ihrem Haus vorüber; das war wenigstens erreicht. Aber der spießbürgerliche Platz mit den kleinstädtisch am Brunnen klatschenden Mädchen den bartlosen Studenten und den alten gebückten Professoren war auch gar zu langweilig. Sie schloß das Fenster.

Als es dämmerte, saß sie in ihrem Garten inmitten der Kübelbäumchen, die symmetrisch auf dem glatt geharkten Kies standen.

Die schöne Johanniszeit war längst vorüber. Schon begann ein Heimchen zu zirpen, das hinter dem warmen Herd hockte.

Alter Gewohnheit folgend, streifte ihr Auge über die Mauer und die Straße hin von wo der flüchtige Hufschlag seiner schönen Pferde so oft erklungen war.

Sie sah ihn im Geist herankommen. Seine Blicke flammten zu ihr herüber, und wenn sie mit ernstem Gruß ihm dankte, dann ritt er vor Uebermuth in wildem Galopp einen Ring.

Hörte sie nicht plötzlich deutlich das Trappeln des Pferdes?

Sie fuhr empor.

Ach nein, es war nur Täuschung gewesen, aber ihr Herz klopfte so heftig, daß sie es hörte.

„Es ist recht schön still heute,“ sagte die Tante, die ein Windlicht auf den Tisch stellte und mit ihrem Strickzeug neben Ereme Platz nahm. „Kein Ulan hat sich blicken lassen, gerade als wären sie schon zum Manöver ausgerückt. Es hat doch gute Früchte getragen, daß Du Herrn von Bartenstein einen Wink gegeben hast.“

„Ich bitte Dich, Tantchen,“ rief Ereme mit schwer bezähmter Heftigkeit, „schweige von dieser ganzen Angelegenheit.“

Die Tante ließ vor Schrecken eine Masche fallen. Sie hob das Strickzeug in die Höhe und gabelte darin herum. „Warum Du nur immer jetzt so heftig wirst? Nun nimm auch die Masche wieder auf. Beruhige Dich nur; er wird sich schon trösten. Der heirathet einmal so ein Mädchen wie die Elsa, ein resolutes Weibchen, das sich überall leicht zurecht findet. Wie eine Einquartierung war sie gleich zu Haus bei uns. Da wird er sich glücklich fühlen. Aber was machst Du? Jetzt ziehst Du die ganze Nadel heraus. Du hast wahrhaftig in dem Heidenlande verlernt, wie man mit einem Strickzeug umgeht.“

Ereme legte die Arbeit hin. „Liebe Tante, mit der heruntergefallenen Masche werde ich nicht fertig. Ich habe heut so eiskalte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 717. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_717.jpg&oldid=- (Version vom 10.10.2022)
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