verschiedene: Die Gartenlaube (1885) | |
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Unterwegs. (Mit Illustration S. 93.) Eine eigene Sache ist’s mit dem Urlaub im Herrendienste, denn dieser ging in der „guten alten Zeit“, wie männiglich bekannt, zuweilen „vor Gottesdienst“. Und doch hat Franz, der Reitknecht des gnädigen Herrn, Urlaub, denn daheim heirathet seine Schwester, die blonde Liese, Nachbars August. Ja, nicht einmal zu Fuß braucht er die fünf langen Stunden Weges abzumachen, er durfte einen Ackergaul nehmen. Zwar ist’s ein „Werfer“, man fliegt im Sattel drei Fäuste hoch, und schwer ist er auch im Trabe mit seinen gewaltigen Knochen. Aber was thut’s, Franz nimmt eine Hetzpeitsche, und die großen Sporen an den langen Reiterstiefeln werden das Weitere besorgen. Nun noch den Hochzeitsstrauß an den Hut, den reinen weißen Hemdenkragen weit übers Kollet geschlagen, und mit Hussa gehts los, gefolgt von Diana und Nimrod, die anzunehmen scheinen, daß ihre Begleitung von der Hetzpeitsche unzertrennlich sei. Eilig hat’s der Franz, sehr eilig.
Gleichwohl aber macht er eine kurze Rast auf dem Wege, denn des Schenkwirths muntere, dralle Tochter stand, als er vorüber reiten wollte, gerade am Brunnen und lud ihn ein, sich und seinem Rosse einen Trunk zu gönnen, und – das Mädel war gar so hübsch; er konnte nicht anders.
Jetzt steht er denn bei der ländlichen Schönen, die dienstbeflissen dem durstenden Rosse seinen vom Nimrod beneideten Trank reicht, und macht ihr einige „Flattusen“, welche die hübsche Wirthstochter – obgleich sie in halber Verlegenheit den Blick abwendet – ihrem Lächeln nach zu schließen, nicht ungern zu hören scheint. Die Antwort aber, welche sie dem Franz giebt, scheint gerade nicht darnach angethan, denselben daran zu mahnen, daß er höchstens fünf Minuten Rast machen wolle. Ob Franz unter diesen Umständen am Ende gar zu spät oder – gar nicht zur Hochzeit reitet?
Das Hypnoskop. Zu Nutz und Frommen der Anhänger des Hypnotismus hat Dr. Ochorowicz in Paris eine neue Verwendung des Magneten in Anregung gebracht, mittelst welcher man im Stande sein soll, sofort zu erkennen, ob eine beliebige Person in den hypnotischen Zustand versetzt werden kann oder nicht.
Der hierzu vorgeschlagene Magnet hat, wie aus der Abbildung ersichtlich, eine röhrenförmige Gestalt. Die an dem oberen Schlitz befindlichen freien Ränder bilden die beiden Pole des Magneten, an die, wie bei den bekannten Hufeisenmagneten, ein Stück weichen Eisens, der sogenannte Anker oder die Armatur, gelegt wird. Auf unserer Abbildung sehen wir rechts das Hypnoskop mit der Armatur, links dagegen ohne dieselbe.
Nachdem man den Anker herausgenommen, steckt man den Finger des auf die hypnotischen Eigenschaften zu Prüfenden derart in den Magneten, daß der Finger beide Pole berührt. Nach etwa zwei Minuten wird der Finger herausgezogen, und man bemerkt an demselben, falls der Patient empfindlich ist, verschiedene Erscheinungen wie Ameisenlaufen, Gefühl der Trockenheit, unwillkürliche Bewegungen, Unempfindlichkeit, Lähmung, Steifheit, jedoch nur auf wenige Augenblicke. Treten letztere vier Erscheinungen auf, so hat der Betreffende die Neigung, leicht in den hypnotischen Zustand zu verfallen.
Die oben bezeichneten Erscheinungen treten bei etwa 30 Procent von den herangezogenen Personen auf, sodaß 70 Procent der Menschheit nicht hypnotisirbar sein dürften. G. van Muyden.
Die Erdbeben in Spanien. Noch läßt sich der Schaden, welchen die großen Erdbeben in den letzten Dezembertagen vorigen Jahres in den Provinzen Murcia und Granada angerichtet hatten, genau nicht feststellen. Es unterliegt aber keinem Zweifel mehr, daß die Katastrophe zu den fürchterlichsten gehört, die jemals Spanien heimgesucht hatten. Der Verlust an Menschenleben zählt nach Tausenden, und der materielle Schaden wird auf 24 Millionen berechnet. Gegen 40 Städte und Dörfer wurden durch die Erdbeben vernichtet, und allein in der alten Maurenfeste Alhama soll die Zahl der Todten und Verwundeten 600 betragen. Sonderbarer Weise haben die alten berühmten Denkmäler der maurischen Baukunst dem Aufruhre der Elemente Stand gehalten.
Die herrliche Alhambra ist unversehrt geblieben und nur La Giralda, der bekannte Glockenthurm in Sevilla, der höchste Spaniens, ist so stark beschädigt worden, daß man seinen Einsturz befürchtet. Derselbe wurde im Jahre 1196 von Abu Jussuf Jakub in der Höhe von 82 Metern erbaut; später im Jahre 1568 ließ Fernando Ruiz das obere 32 Meter hohe Stück hinzubauen, sodaß gegenwärtig die Höhe desselben 114 Meter beträgt; durch ihre 22 harmonisch gestimmten Glocken ist die Giralda weit und breit berühmt.
Jenes herrliche „Paradies Südspaniens“, das jetzt die Stätte des größten Elends bildet, hat Fritz Wernick erst vor Kurzem in der „Gartenlaube“ geschildert. Wir wollen hoffen, daß den Schwergeprüften baldige und reichliche Hilfe zu Theil wird (vergl. unsern Anfruf in Nr. 5) und Glück und Frieden in das verwüstete Land wieder ihren Einzug halten.
„De oll plattdütsch Modersprak!“ In unserer Alles nivellirenden Zeit droht auch die Volkssprache Norddeutschlands auszusterben, das Plattdeutsche. Es ist ein unausbleiblicher Proceß, bedingt durch die allgemeine Wehrpflicht, durch die bessere Erziehung des kleinen Mannes, durch die fortschreitende Bildung und durch die immer mehr sich ausbreitenden Verkehrswege. Da ist es nur zeitgemäß, wenigstens literarisch die alte Sassensprache vor dem Untergange zu retten und, da sie keine Zukunft hat, doch ihre Vergangenheit zu prüfen und zu schildern. Und welch eine reiche, große, merkwürdige Vergangenheit besitzt gerade „de oll Modersprak“! Anschaulich tritt uns dies entgegen aus der jüngst erschienenen „Geschichte des niederdeutschen Schauspiels“ von Karl Theodor Gaedertz (Berlin, A. Hofmann u. Comp. 1884). Die Schaubühne ist ja der beste Spiegel für das gesammte Volksleben, und vornehmlich die plattdeutsche. Der Fleiß des Forschers verbindet sich mit dem Talente des Dichters, um ein Stück altsächsischer Kultur- und Litteraturgeschichte zu bieten, dem der Reiz poetischer Gestaltung nicht fehlt. Bei Karl dem Großen beginnend durchschreiten wir ein Jahrtausend bis in die neueste Zeit, und in jedem Säculum tritt uns eigenartig, voll urwüchsiger Kraft, in rührender Naivetät, mit unwiderstehlichem Humor das plattdeutsche Theater entgegen. „Von den Anfängen bis zur Franzosenzeit“ handelt der erste Band, der zweite befaßt sich mit dem 19. Jahrhundert. Gut gewählte Proben voll Scherz und Ernst illustriren den Text.
Zum zehnjährigen Todestage Fritz Reuter’s gab ferner Gaedertz aus dessen Nachlaß „Reuter-Reliquien“ (Hinstorff’sche Hofbuchhandlung in Wismar) heraus. Die Papiere des Studenten Reuter, neue Mittheilungen aus seinem Leben, die vielbesprochene Urgestalt der Stromtid auszüglich, eine mecklenburgische Luftballonfahrt, Lieder, Sprüche, Briefe: aus all diesem werden wir den unvergleichlichen Humoristen noch mehr lieb gewinnen.
Karl Kehr †. Einer der verdientesten Schulmänner der Neuzeit, der Seminardirektor und Schulrath Dr. Karl Kehr zu Erfurt, ist am
19. Januar d. J. im Alter von 55 Jahren gestorben. Kehr erwarb sich durch seine schriftstellerischen Arbeiten auf dem Gebiete der Volksschul-Pädagogik einen in den weitesten Kreisen hochgeachteten Namen. Unter seinen Werken wurde namentlich „Die Praxis der Volksschule“ für die Belebung und Vertiefung des Volksschulunterrichtes von eingreifendster Bedeutung. – th.
Allerlei Kurzweil.
Auflösung des Kryptogramms „Die Vignette“ in Nr. 5: Läßt man die Buchstaben der „Gebr. Rügen“ aufeinander folgen, wie die über ihnen stehenden, und durch 1, 2, 3 etc. Schattenstriche markirten Beeren es andeuten, so erhält man den Namen des durch seinen Wein bekannten schlesischen Städtchens „Grüneberg“.
Kleiner Briefkasten.
E. E. Auch wir haben die betr. Notiz gelesen. Was ist da zu machen! Narrenfreiheit! Zu bedauern ist nur, daß durch diese aus dem Zusammenhange gerissene Mittheilung die Sache in ein ganz falsches Licht gerückt und das Sammelwerk für die armen Hinterbliebenen thatsächlich geschädigt worden ist.
Dr. Fr. L...g. Wir bitten um genaue Angabe Ihrer Adresse.
Bescheidene Fragerin in Rußland. Für den Stil der Annoncen in der Beilage sind wir nicht verantwortlich.
L. T. Hier kann nur der Arzt helfen, der Sie persönlich untersucht hat.
E. Fl. in Brünn. E. L. in Wiesbaden: Nicht in der „Gartenlaube“ erschienen.
Fr. W. in Schwelm. Fragen Sie einen Rechtsanwalt.
P. St. in W. Ein solches Mittel giebt es nicht.
A. B. in Nienburg. Wenden Sie sich gefl. an die Buchhandlung Ihres Wohnortes, die Ihnen sicher Werke der gewünschten Art vorlegen kann.
Clara A. in R. Ueber Johannes Scherr vergl. Sie Jahrgang 1867, S. 469.
Luise H. in J. (Gers). Sie werden das Gesuchte finden in Heinrich Düntzer „Die Sage vom Doktor Faust“ (2. Aufl. 1857).
J. in D. Die gewünschte Adresse ergiebt sich aus der betr. Biographie. – E. Marlitt’s Bildniß erschien im Jahrgang 1868, S. 21.
H. K., Leserin der Gartenl. Geben Sie uns Ihre Adresse und den Namen Ihrer Mutter an, nur dann kann geholfen werden. Für anonyme Zuschriften haben wir keine Antwort, das ist nun oft genug gesagt worden. Hier gilt es, eine Adresse zu suchen, und Sie nennen uns nicht einmal Ihren Namen!
A. H. in N. „Flehende Bitte“ und „Der Himmel der Erinnerung“, nach Stoff und Form nicht geeignet.
A. G. in Odrau. W. R. in Tetschen. Ein Freund echter Poesie. Col. C. in Wien. A. H. in Nauen. A. W. in A. Otto B. E. H. aus Hannover. Nicht geeignet.
Eine alte Anhängerin der „Gartenlaube“. Gegen Nachahmung des Titels schützt das Gesetz nicht.
Eduard F. in Chemnitz. Stahldrahtbürsten reinigt man am besten mit einem leinenen Tuche, indem man die Drähte einzeln sauber abreibt. Oeftere Reinigung erleichtert das Geschäft.
Inhalt: Die Frau mit den Karfunkelsteinen. Roman von E. Marlitt (Fortsetzung). S. 89. – Hessisches Bauernmädchen. Illustration S. 89. – Ferienstudien am Seestrande. Von Carl Vogt. Weiber und Männlein. (Schluß.) S. 94. Deutschlands Kolonialbestrebungen. Sansibar. Von Oscar Canstadt. S. 96. Mit Illustrationen S. 96, 97, 98, 100, 101 und 102. – Ein Bild aus dem Schauspielerleben. Von Anna Löhn-Siegel. S. 102. – Blätter und Blüthen: Dank und Bitte! S. 103. – Unterwegs. S. 104. Mit Illustration S. 93. – Das Hypnoskop. Von G. van Muyden. Mit Abbildungen. – Das Erdbeben in Spanien. – „De oll plattdütsch Modersprak!“ – Karl Kehr †. – Allerlei Kurzweil: Karneval-Räthsel. – Auflösung des Kryptogramms „Die Vignette“ in Nr. 5. – Kleiner Briefkasten. S. 104.
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_104.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2024)