Verschiedene: Die Gartenlaube (1885) | |
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von den Pferden auf die Damen, speciell auf das Thema der weiblichen Schönheit – und Erbgraf Friedrich wurde tüchtig geneckt mit seiner Vorliebe für kleine Füße!
„Parbleu, ich ziehe doch ein schönes Gesicht einem hübschen Fuß vor!“ rief der lange Junker von Plüskow, „Sie aber, bester Graf, sollten lieber einen Schuster für Ihre Brautschau engagiren, der den heirathsfähigen Töchtern des Landes gleich das Maß nimmt und sie numerirt wie in einem Schuhladen – die kleinste Nummer zöge dann wahrscheinlich als glückliche Herrin auf Schloß Basedow ein.“
„Der kleine zierliche Fuß ist mir allerdings eine Hauptsache bei der weiblichen Schönheit,“ erwiderte ernsthaft der Geneckte. „Abgesehen davon, daß ich ihn bewundere, gilt er mir auch als ein untrüglicher Seelenspiegel. Ich kann den ganzen Charakter einer Dame in ihrem Fuße erkennen; aus der Form ihres Schuhes weissage ich mit Zuverlässigkeit, ob sie klug, bestimmt, zartfühlend, hingebend ...“
„Hören Sie auf, Sie Fußfanatiker!“ lachten alle durch einander. Und der kleine Graf Behr-Regendanck rief: „He, Oertzen, das ist etwas für Sie – in Ihrer Familie ist ja eine hervorragende Dichterader – Sie müssen uns die Auslassungen des Grafen Friedrich in Verse kleiden. Dichten Sie uns eine ‚Apotheose des Fußes‘, oder schreiben Sie eine Abhandlung ‚Der schmale Hacken‘, Beitrag zur Charakteristik des Weibes ...“
Diese Unterhaltung wurde nicht fortgesetzt, denn der Gastgeber trat herein – welcher dringend wünschte, wegen der Vorbereitungen zum Balle und zur Theateraufführung sich seiner Gäste bis zum Abend zu entledigen und sie bis dahin passend zu unterhalten – indem er verkündete, daß die Wagen angespannt wären, welche die Herren nach einem entfernten Vorwerk bringen sollten, woselbst eben angekommene ungarische Schweine der Besichtigung harrten.
Als nach einer Weile der alte Graf unvermuthet durch den Korridor schritt, auf welchen des reichen Vetters Logirzimmer mündete, war er sehr erstaunt, seiner Tochter dortselbst zu begegnen. Er hätte schwören mögen, sie käme aus des jungen Grafen Zimmer! Doch das war ja ganz unmöglich, denn die Comtesse wußte als wohlerzogene junge Dame genau, was sich schickte.
„Wie kommst Du denn hierher?“ fragte er befremdet und blickte forschend auf ein Stück zerknittertes Papier, welches die Comtesse sichtlich verlegen zu verbergen strebte.
„Ich versuche eben das erste Kapitel zu einem Roman zu entwerfen,“ lautete die überraschende Antwort.
„Aber ich bitte Dich, Ida,“ ries ungeduldig der Vater, „so denke doch lieber an die Bowle, das Souper und an Deine Toilette! Wie kommst Du denn nur heute auf die absonderliche Idee zu schreiben?“
„Mein Roman wächst auch wahrscheinlich gar nicht über den eben begonnenen Anfang hinaus,“ erwiderte die Comtesse mit eigenthümlich melancholischem Tone.
Als Erbgraf Friedrich mit Eintritt der Dämmerung von der Besichtigung der ungarischen Schweine zurückkehrte, war sein Hauptgedanke, nach den Strapazen eines üppigen Frühstücks und vor dem Ereignisse eines großen Balles „einen langen Schlaf zu thun“. Er fand in seinem Zimmer ein behagliches Eckchen, wo ein teppichbehangener Divan unter einem Holz-Sims an der Wand stand. Der junge Mann streckte sich lang aus auf dem angenehmen Lager; daß von dem Rande des Simses ein Paar rosa Bändchen herabflatterten und ihm fast die Stirn berührten, nahm er sich gar nicht die Zeit zu bemerken, sondern versank gleich in festen Schlummer.
Fast eine Stunde lag er ohne sich zu rühren. Dann ward sein Schlaf ein unruhiger, der Graf veränderte die Lage, brachte auch den Kopf etwas höher ... sonderbar – gab es denn jetzt noch Fliegen? Er schlug danach ... wieder berührte es ihn - was baumelte ihm denn nur immer an die Nase? Ein energischer Griff ... platsch – da kollerten zwei Gegenstände von der Wand herab, der eine schlug neben ihm auf den Boden nieder, der andere fiel ihm auf die Brust und blieb just auf seinem Herzen liegen. Nun war es nur gut, daß eben auf dem Korridor die Flurlampe angezündet wurde und deren helles Licht auch einige Strahlen durch ein großes Fenster in des Grafen dunkles Zimmer entsendete. Da konnte er doch wenigstens sehen, was ihm denn da auf das Herz gefallen war ... ein reizender Atlasschuh! Ein kleineres Füßchen glaubte der Graf sich nicht vorstellen zu können. Er wendete bewundernd die zierliche Form in seinen Händen um und um, eine ganze Liste der schönsten weiblichen Eigenschaften ahnend. Wie originell die Sohle gebogen war, kräftig, doch maßvoll, ein geniales Köpfchen gehörte sicher zu diesem Fuße! Offenbar war der Schuh schon getragen – desto besser, dann hatten sich die Eigenschaften der Besitzerin recht genau darin ausgeprägt.
Am leisen Wachsfleck, der sich mitten unter der Fußspitze festgesetzt hatte, sah der Graf, daß die Herrin des reizenden Liliputaners einen geraden festen Tritt habe. Der feine Hacken verrieth eine zarte nervöse Konstitution. Die schmale Spitze bekundete einige Anlage zur Koketterie, und das leichte Ueberschweifen des Oberzeuges in der Gegend der kleinen Zehe deutete Vorliebe für
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_121.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2019)