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Seite:Die Gartenlaube (1885) 135.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

und kam unter die Handhämmer der Schmiede, die sie feiner formend in gleichem Takte bearbeiteten, bis der Henkel und der Rückenrand und die Schneide und die Spitze fertig waren. Sie hatte nun eine Reihe von kleinen Narben bis zur Spitze hinaus und war überlaufen mit einem schönen violetten Blau.

Mir fielen aber die Schmiede auf. Warum sie allemal noch einen leeren Schlag auf den Amboß machen, wenn die Sense schon weggezogen ist? so fragte ich. Mein Vater antwortete: „Das thun die Schmiede überall; mit dem Schlage auf den Amboß schmieden sie die Kette fester, mit welcher der höllische Drach’ gefesselt ist; sonst thät’ sie endlich brechen und der böse Feind wär’ los und ledig.“

Nun kam die Sense noch auf einen Schleifstein; der ging so scharf, daß die Stahlschneide, die fest auf ihn gedrückt lag, unter ohrenzerreißendem Geschrille beständig einen hellen Blitzschein von sich gab, was noch das Allerschönste war in der ganzen Schmiede.

Wollte ich’s genau nehmen, so müßte ich auch das Personal aufzählen, durch dessen Hände ein Stück Eisen geht, bis es Sense ist, ich müßte den Kohlenbuben, Strecker, Breitenheizer, Abschinner und Kramrichter nennen und vor Allem den Obersten, den Essemeister. Ich müßte auch den Streckhammer, den Breithammer und den Kleinhammer genauer beschreiben, endlich das Abschinnern (Abschaben) der fertigen Sense, und das Stempeln mit dem Firmazeichen und das Kramrichten (das in den Kram-, ins Magazin- Bringen der Waare).

Ich bin aber kein gelernter Schmiedegeselle und werde wohl manche Handgriffe und Vorgänge übersehen haben, bis das Werkzeug des Mähders fertig war. – Aehnlich, sagte mein Vater, würden auch die Sicheln gemacht, aber ganz anders die Messer und alle Schneidewerkzeuge, die einen federigen Stahl haben.

„Glückauf!“ rief mein Vater den Schmieden zu. Diese hörten nichts. Wir gingen – stets angefochten von sprühenden Funken – ins Freie. Dort war es freilich noch schöner; wir gingen unter Pappeln hin und hörten noch lange das dumpfe Hammerpochen und das Wasserrauschen hinter uns.

Ich hatte ein blauschimmerndes Stück Schlacke mit mir genommen und betrachtete es jetzt wie einen errungenen Schatz.

„Das ist nichts,“ sagte mein Vater und zog ein Schöllchen Roheisen aus dem Sacke. Das war rostfarbig und durchlöchert wie ein Schweizerkäse. „Wenn’s auch nicht so glänzt wie das Deinige, es ist doch mehr. Aus diesem Ding – heb’ einmal, wie schwer es ist! – kann man feine Werkzeuge machen, die wie Spiegel funkeln. Du sollst mir auch noch das Tüchtige vom Schimmernden unterscheiden lernen.“

Nun gingen wir in den Marktflecken Kindberg hinein. Auch hier hörten wir an allen Ecken die Hämmer pochen, und auf der Straße fuhren schwarze Kohlen- und Roheisenwagen, aber auch fertige Eisenwaaren in Kisten, Fässern und Strohgewinden sahen wir schleppen die weiße Reichsstraße entlang gegen Graz und gegen Wien.

Im Brauhause bekränzten sie das bogenförmige Einfahrtsthor mit Tannenreisig und schmückten es mit Fahnen, mit Hämmern, Hacken und Zangen. Mein Vater fragte, was das bedeute? Ja, morgen hätten die Schmiede hier einen Ball, sagte der Brauknecht.

„Den eigentlichen Ehrentag des Schmiedehandwerks, den feierten sie doch erst zu Jakobi!“ meinte mein Vater.

Das sei schon richtig – doch zur selben Zeit sei etwas Anderes, da hätten die Schmiede einen zwei Wochen langen Feiertag, da thäten sie nichts, als gut essen und trinken, tanzen und Scheibenschießen, und da kämen die Hammerherren von weit und breit, um Schmiede zu werben für das nächste Jahr. Die Geworbenen kriegen den Leihkauf auf die Hand und werden zum nächsten Sylvester durch aufgeputzte Wagen oder Boten an ihren neuen Werksort gebracht. Vom Werksherrn kriegen sie nebst dem vereinbarten Jahrlohne auch die Kost; der Essemeister speist gar mit der Herrschaft.

„Ich weiß das Alles,“ versetzte mein Vater dem gesprächigen Brauknecht, „aber meines Buben wegen ist’s mir lieb, daß Du’s erzählst, der ist schon alt genug, und wenn er gleich Bauer bleiben wird, so schadet es ihm nicht, daß er auch anderer Stände Arbeit und Brauch kennen lernt. Ich hab’ ihn darum vom Berge herabgeführt.“

„Und bei solchem Schmiedefeste,“ erzählte der Mann weiter, „da kommen sie halt zusammen, Jeder, der’s hat, im Steirergewand, Jeder eine kecke Feder oder Gemsbart am Hute, Jeder eine schwersilberne Uhrkette mit Thalerbehängseln an der Brust, Jeder eine volle Geldtasche im Sacke, Jeder sein Mädel am Arme. Schmetternde und trommelnde Spielleute voran, so ziehen sie ins Wirthshaus zum Trunk, zum Tanz und zu anderer Lustbarkeit. Da darf sich kein Bürgerssohn, kein Bauernbursch, kein Holzknecht blicken lassen, er würde zur Thür hinausgeworfen; denn diese Eindringlinge werden bald frech, spotten die Schmiede ob ihrer Schwerhörigkeit, ob ihrer Kröpfe und dergleichen und ihr Trachten geht dahin, den Hammerschmieden die Dirndlein wegzunehmen. Da kann mit Messern gerauft werden! Den Schmieden gehört der Tag, und der Marktflecken und die Leute lassen sich’s gefallen – es springt Geld um.

„So kohlrabenschwarz sie am Werktag sind, die Schmiede,“ schloß der Brauknecht, „am Sonntag giebt’s keine hochmüthigeren Menschen als diese Rußteufel. Und sind doch so viel Gaggen (Halbkretins) dabei!“

Schon jetzt, als wir dastanden und das geschmückte Hausthor bewunderten, kamen sie herbei von den unteren und oberen Hämmern, um nachzusehen, wie weit die Vorbereitungen gediehen seien, und ein Glas Bier durch die Gurgel zu sprengen.

Da kam plötzlich ein Bote gelaufen, rußig im Gesicht, aber weiß vor Straßenstaub an den Beinen. Einen Sturmhut hatte er auf, wie Landwehrmänner zu Kriegszeiten. Ein langes Messer hatte er an der Seite baumeln, und schier athemlos war er, als er rief. „Kameraden! Kameraden!“

„Was giebt’s?“ fragten sie ihm entgegen.

„Keinen Schmiedball giebt’s! Kein Flaniren und Karessiren giebt’s! Jetzt heißt’s Messer, Spieß und Säbel schmieden, Kanonen, Kugeln gießen!“

„Ja,“ sagten sie, „wer giebt uns dazu das Privileg?“

„Ich!“ rief der Bote. „Denn der Kaiser Ferdinand ist fort. In Wien ist Revolution!“




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_135.jpg&oldid=- (Version vom 22.5.2020)
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