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Seite:Die Gartenlaube (1885) 136.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Der bunte Zelter.

nach Hüon dem SpielmannsKönig
 von Wilhelm Hertz.
Mit Illustrationen von Ernst Keppler.

Dereinst im Land Champagne lebte
Ein Ritter, der nach Ehren strebte,
Von hohem Sinn und kühnem Muth,
Am Herzen reich, doch arm an Gut.
Hätt’ ihm das Glück solch Gut bescheert,
Als er fürwahr an innrem Werth
Vor allen andern war erlesen,
Wär’ seinesgleichen nicht gewesen.
Herr Wilhelm hieß der junge Held.
So freudig pries ihn alle Welt,
Daß auch, wer ihn nicht selber kannte,
Gern den berühmten Namen nannte.
Barg er im Helm sein Angesicht
Beim Waffenspiel, so dacht er nicht,
Zur Schau der Damen sich zu schmücken
Und heimlich aus dem Kampf zu drücken:
Nein, wo am stärksten das Gedränge,
Stürzt er mit Wucht sich in die Menge.

Er trug im Herzen treu gesinnt
Ein schönes junges Herrscherkind,
Von hoher Art und viel umworben,
Die Mutter war ihr früh gestorben;
Ihr Vater, reich an Land und Macht,
Hielt eifersüchtig sie bewacht
Als seines Stammes letzten Sproß.
Im tiefen Walde lag sein Schloß,
Der damals weithin sich erstreckte
Und schattend rings das Land bedeckte,
Wild war der Tann und schwarz und dicht,
Doch treue Liebe schied er nicht.
Der junge Held fand guten Rath:
Er brach zu ihr sich einen Pfad
Von seinem Haus zwei Meilen weit
Durch tiefste Waldeseinsamkeit.
Kein lebend Wesen in der Runde
Erhielt von diesem Schleichweg Kunde
Als nur sein einziger Genoß:
Das war sein schönes edles Roß,
Ein Zelter schillernd bunt und fein;
Kein Farbenspiel, kein Blumenschein
War seinem Glanze zu vergleichen,
Kein schönres war in allen Reichen.
Es ging so sanft; er hätt’s im Leben
Um alles Gold nicht hingegeben.

Gar oftmals trug dies treue Roß
Ihn heimlich nach der Liebsten Schloß,
Die er doch nur von weitem sah.
Sie kamen nie einander nah;
Stets waren vor des Thores Bogen
Die Eingangsbrücken aufgezogen;
Ein Graben lief um’s Felsenhaus.
Nur durch die Blanken des Verhaus
Besprach das Paar sich scheu von fern
In Aengsten vor dem alten Herrn.
Denn der war klug und vielerfahren,
Und da ein Weg bei seinen Jahren
Ihm schwer ward, ritt er selten aus
Und hielt sich ruhig meist zu Haus.
Die Tochter mußte bei ihm bleiben,
Um ihm die Stunden zu vertreiben,
Indeß ihr Sinn in’s Weite ging
Und trauernd am Geliebten hing.

So brannten in der Sehnsucht Leid
Die jungen Herzen lange Zeit
Im ungeduldigen Verlangen
Nach Kuß und zärtlichem Umfangen.
Der Ritter dachte hin und her;
Doch endlich litt er’s nimmermehr:
Er kam zum alten Herrn geritten,
Um seine Tochter ihn zu bitten.

Mit Ehren ward er aufgenommen.
Herr, hub er an, ich bin gekommen
Vertrauend Eurer Gnad’ und Huld.
Hört meine Bitte mit Geduld,
Und was mein Herz von Euch begehrt,
Gott gebe, daß Ihr mir’s gewährt! –
Der Alte sah ihn forschend an
Und sprach: Gern thu ich’s, wenn ich kann.
Fürwahr, vergönnt’s die Ehre mir,
Ich helf’ Euch! Sagt, was wünschet Ihr? –
So hört mich, Herr! Euch sind mein Stand
Und meine Ahnen wohlbekannt
Und was ich habe, was ich treibe:
Gebt Eure Tochter mir zum Weibe!
Ich hörte stets, daß, wer sie kennt,
Sie nur mit Lob und Liebe nennt.
Schenkt mir dies Glück! Laßt Euch erweichen!
Auf Erden lebt nicht ihresgleichen. –

Der Greis vernahm’s zum Wort bereit;
Er sann nicht lang auf den Bescheid:
Ich weiß zu würd’gen, was Ihr sprecht.
Ja, meine Tochter, Ihr habt Recht,
Sie ist so jung und schön und gut,
Ein magdlich Kind von Fürstenblut.
Ich selbst bin reich, von hohen Ahnen,
Die stolz mich alter Ehren mahnen,
Und weithin ist mein Adel kund,
Mein Land trägt jährlich tausend Pfund.
Ich müßte doch von Sinnen sein,
Wollt’ ich sie einem Ritter frein,
Der zum Turnier nach Beute fährt
Und sich vom Lanzenbrechen nährt.
Ich hab’ nur sie; nach meinem Sterben
Wird sie, was mein ist, alles erben.
Kein Fürst im Reich braucht sich zu schämen,
Will er mein Kind zur Gattin nehmen. –

Der junge Ritter stand befangen;
Er schied mit schamerglühten Wangen.
Verwirrt ritt er davon und stahl
Zur Liebsten sich voll Seelenqual
Und bracht’ ihr klagend den Bescheid:
Ach, edles Fräulein, süße Maid,
Was soll ich thun? Ich muß Euch fliehn
Und will in weite Ferne ziehn.
Verlorner Wahn, wie warst du hold!
Weh über das verhaßte Gold,
Das Eures Vaters Herz bethört!
Sonst hätt’ er mich gewiß erhört. –
Glaubt, sprach sie, gings nach meinem Sinn,
Wie gerne gäb’ ich alles hin!
Fürwahr, den besten Theil vergißt,
Wer Euch nur nach der Habe mißt.
Wollt’ Euren Heldenwerth dagegen
Mein Vater auf die Wage legen,
Er schaute froh, was er gewinnt,
Doch Stolz des Reichthums macht ihn blind.
Mein Sehnen stört ihm nie den Schlummer;
Was fragt er je nach meinem Kummer?
Ein altes Herz versteht nicht mehr
Der Jugend Sinnen und Begehr.
Doch laßt Euch rathen! Hört mich an!
Ich weiß, was uns noch helfen kann. –
Ja, sprach er, sagt mir Euren willen! –
Ich sann darüber längst im Stillen:
Euch lebt ein Oheim groß und reich,
An Macht wohl meinem Vater gleich.
Er hat nicht Weib, er hat nicht Kind,
Noch Sippen, die ihm lieber sind
Als Ihr, der nächste seines Blutes.
Ihr seid der Erbe seines Gutes.
Geht hin und sagt ihm, was geschehn,
Und bittet ihn, Euch beizustehn,
Da schwerlich Euer Wunsch gedeihe,
Wenn er nicht seine Hilfe leihe.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_136.jpg&oldid=- (Version vom 23.5.2023)
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