Verschiedene: Die Gartenlaube (1885) | |
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Tragbare ekektrische Lampen. Der französische Elektriker Trouvé, dem wir bereits eine Reihe hübscher elektrischer Neuheiten, darunter die elektrischen Schmucksachen, verdanken, hat der Pariser Akademie der Wissenschaften soeben zwei tragbare elektrische Lampen vorgelegt, deren eine überall dort Anwendung finden soll, wo ein offenes Feuer zu Explosionen
Anlaß geben könnte, während die andere die stets gefährlichen Petroleum- und sonstigen Laternen zu ersetzen bestimmt ist. Als Elektricitätsquelle dienen hier, wie bei den anderen Trouvé’schen Apparaten, sogenannte doppeltchromsaure Tauchbatterien, die zu wirken beginnen, sobald die Kohle in die Flüssigkeit getaucht wird. Dies geschieht bei der ersten Lampe, und zwar selbstthätig, sobald der Bergmann oder Gasarbeiter, der z. B. nach einer undichten Stelle in einer Gasleitung sucht, die Lampe an seinem Gürtel befestigt, um beide Hände frei zu bekommen. Die hier abgebildete zweite Lampe brennt hingegen, sobald man sie am Henkel (F) hochhebt, und erlischt augenblicklich, wenn man sie irgendwo hinstellt. Zur größeren Sicherheit ist die Lampe selbst mit einem Drahtgeflechte umgeben, während die in der Abbildung sichtbaren Stäbe das Umfallen des Batteriebehälters (D) verhüten. Der am Deckel angebrachte Knopf (H) dient zur Erhöhung oder Verringerung der Leuchtkraft, indem er ein mehr oder minder tiefes Eintauchen der Kohle in die Flüssigkeit der Batterie bewirkt. Die Leuchtkraft der normalen tragbaren Trouvé’schen Lampe beträgt vier bis fünf Kerzen, und zwar drei Stunden lang, oder eine Kerze fünfzehn Stunden lang. Selbstverständlich sind auch kräftigere Lampen erhältlich. G. van Muyden.
Streit um den Fahrweg. (Mit Illustration S. 125.) Wer hat den Fahrweg freizugeben, der Schwache oder der Starke, der Kleine oder der Große? Die Frage ist heikel, nicht so leicht zu entscheiden, wie man auf den ersten Blick annehmen möchte, und Milchfrau und Postillion unseres Bildes sind offenbar auch nicht einig darüber. Kampfbereit stehen sie sich da im dunkeln Morgen auf der verschneiten Landstraße gegenüber, und das zartere Geschlecht scheint hier nicht das mildere zugleich zu sein. Die geschwungene Peitsche, der zornige Zuruf ihres Gegners schreckt sie wenig. Rechts wird ausgebogen! Das ist das Recht der Landstraße! Den ganzen Weg freigeben? Fällt mir nicht ein! Fliege ich mit meiner Milch in den Straßengraben bei dem Schnee, so verhungern alle die kleinen Stadtkinder, denen ich die tägliche Nahrung bringe. Also – – Und so ’n Hundeschlitten will der Post, der kaiserlichen Post nicht die ganze Straße freigeben? Das wäre! Aber resolut genug sieht das Weib aus, stürzt sie in den Graben, muß ich für den Schaden aufkommen – Himmel Sapperment! — — Hinüber und herüber geht’s, heftig entbrennt der Streit. Wird die Gewalt siegen oder das Recht? Wer weiß es — vielleicht liegen in der nächsten Viertelstunde beide Kampfhähne im Straßengraben — und der Fahrweg in der Mitte ist auf einmal frei. Dann hat der Streit ein Ende. –r.
Bettlerin an der Via Appia. (Mit Illustration S. 129.) Es ist ein trübes Geheimniß, ein Weh, das nicht so leicht in Worte zu kleiden ist, eine tief in Schleier gehüllte Trauer, was die Seele dieses Mädchens bewegt, dämmernd und hoffnungslos wie die verödete Landschaft, in der sich dies Zusammenbrechen eines unglücklichen, verwaisten Herzens abspielt. So wenig der Künstler uns die mächtigen Silhouetten der vom letzten Tageslichte erhellten Trümmerreste der altrömischen Leichenstraße deutlich erkennen läßt, so wenig läßt sich jedes Detail dieses Schicksals mit Zuverlässigkeit ablesen. Wir sehen auch hier nur die Umrisse und einige Abtönungen, – und gerade dies völlige Harmoniren des dargestellten Menschenloses mit dem Charakter der Scenerie ist ein besonders wirksamer Zug des Max’schen Gemäldes.
Ueber die Eigenart dieser Scenerie sei uns eine kurze Notiz gestattet. Im Alterthum war die Strecke zwischen Rom und dem Albanergebirg ein prangender Garten, mit Villen und Lusthäusern aller Art übersät; auf der Via Appia wogte und rollte es von Fuhrwerken jeder Art; überall die blühendste Vollkraft, das lebendigste Leben. Nur die Grabmäler, die nach römischer Sitte vor den Wohnungen angebracht waren, erinnerten an Tod und Vergänglichkeit. Jetzt hat allenthalben der Tod das Leben verschlungen. Grau und einförmig liegt die sanft gewellte Ebene vor dem Beschauer, nur durch die bröckelnden Trümmer zu beiden Seiten der Straße und die Bogenreihen der altrömischen Wasserleitung in ihrer starren Monotonie unterbrochen. Kein Baum belebt diese Landschaft, keine noch so dürftige Blume. Nur spärliches Gras bietet den Ziegen der Campagnolen eine armselige Nahrung. Fern aber in den bräunlichen Dünsten, die über diesem welthistorischen Kirchhofe brodeln, lauert das hohläugige Gespenst der Malaria, das blutvergiftende Fieber.
Es ist dem Künstler gelungen, diese Stimmung der Via Appia treulich wiederzugeben: einmal in der todten Natur und dann in der schmerzlich bewegten Mädchengestalt, die am Wege sitzt. Der kaum noch erkennbare Wagen, der da im Hintergründe davonrollt, als könne er dem Bereich dieser Trostlosigkeit nicht eilig genug entrinnen – trägt er vielleicht eine letzte Hoffnung, ein hohes, unerreichbares Glück der Vergessenen für alle Zeiten hinweg? Und ist sie erst jetzt im vollen Sinne des Wortes, was sie von Kindheit gewesen, ohne es recht zu begreifen: eine hilflose Bettlerin?
Die Ausspinnung dieses Gedankens überlassen wir der Einbildungskraft unserer Leser.
Der bunte Zelter. Nach Hüon dem Spielmannskönig von Wilhelm Hertz. Das Gedicht, welches wir unter dem vorstehenden Titel den Lesern der „Gartenlaube“ vorführen (S. 136 bis 139), gehört in die Klasse der altfranzösischen sogenannten „Fabliaux“, deren Blüthe in das 13. Jahrhundert fällt. Es waren dies Novellen in Versen, welche sich in der wirklichen Welt abspielten und der Mehrzahl nach sehr derbe Gegenstände behandelten. Zu den feinsten und anmuthigsten dieser Gattung gehört „Der bunte Zelter“, welchen uns W. Hertz in meisterhafter Uebertragung vermittelt.
Der Titel „Spielmannskönig“ taucht bereits im 12. Jahrhundert auf, doch ist es da noch ungewiß, ob er ein bloßer Ehrentitel, oder ob eine Autorität über andere „Spielleute“ mit ihm verbunden war. Im 13. Jahrhundert ist das Letztere der Fall. Die Spielleute organisirten sich während desselben wie die übrigen Gewerbe zu Zünften, deren Vorstände den Titel „Spielmannskönig“ (le roy des menestrels oder einfach le roy) führten. Ein solcher scheint der Dichter Huon le roy gewesen zu sein, von dessen Schicksalen wir übrigens nichts weiter wissen, als daß er im 13. Jahrhundert gelebt hat. – Sechs Jahrhunderte also sind verflossen, seit dieser Spielmannskönig die Liebesgeschichte vom „bunten Zelter“ dichtete, welche heute noch mit dem allen echten Dichterwerken eigenen Zauber unvergänglicher Jugend jeden für Poesie empfänglichen Leser anmuthet.
Ein merkwürdiger artesischer Brunnen ist in der Stadt Selma (Alabama) vorhanden. Er entsendet zwei Ströme Wasser, deren jeder seine besonderen Eigenschaften besitzt. Dieses Wunder ist dadurch bewirkt, daß man in eine 10 Centimeter weite Röhre eine von 5 Centimeter einführte. Die erstere geht etwa 110 Meter tief und fördert ein Wasser zu Tage, das keine mineralischen Bestandtheile aufweist und ziemlich kalt ist; die engere Innenröhre ist bis zu etwa 200 Meter niedergesenkt und liefert ein Wasser, das viel Schwefel und Eisen enthält und ziemlich warm ist. N.
Von Marlitt’s Roman „Die Frau mit den Karfunkelsteinen“ erscheinen gegenwärtig bereits nicht weniger als fünf Ausgaben in fremden Sprachen: eine schwedische bei A. Bonnier in Stockholm, eine dänische bei G. E. C. Gad in Kopenhagen, eine ungarische bei Aladár Székely in Budapest, eine französische bei Firmin Didot u. Comp. in Paris und eine italienische bei E. E. Oblieght in Rom. Weitere Uebertragungen stehen bevor. Auch dieser neueste Marlitt’sche Roman scheint also seinen Lauf durch die ganze civilisirte Welt nehmen zu wollen.
Auflösung des magischen Tableaus „Das geflügelte Rad“ in Nr. 7: Folgt man dem Laufe eines jeden der beiden vom Rade ausgehenden Blitzstrahlen in der Art, daß man oben beim Rad angefangen den an jeder Biegung des Blitzes durch die Senkrechte markirten Buchstaben abliest, wobei zuerst der Blitz links und dann rechts durchgenommen wird, so erhält man durch Zusammenstellen der so gefundenen Buchstaben die Worte: „Die Zeit eilt, die Zeit heilt“. S. Atanas.
F. H. in G. Wie die Verfasserin der „Brausejahre“, so sind auch wir einer gerechten sachlichen Kritik jederzeit zugänglich. Herr Rechtsanwalt Robert Keil in Weimar, unser früherer langjähriger Mitarbeiter, hat das Maß einer solchen aus für uns leicht erkennbaren Gründen weit überschritten. Wir glauben, er hat durch seinen rücksichtslosen, von bedenklicher Ideenverwirrung und Selbstüberschätzung zeugenden Angriff auf das jüngste Werk einer allgemein beliebten und auch von der Kritik längst anerkannten Dichterin weder dieser, noch der „Gartenlaube“, sondern lediglich sich selbst geschadet. Wir halten es unter unserer Würde, auf die an den Haaren in seine Kritik hineingezogene, abfällige Beurtheilung der „Gartenlaube“ zu antworten, und dürfen uns eine Erwiderung um so eher ersparen, als wir aus zahlreichen uns zugehenden warmen Anerkennungen die beruhigende Ueberzeugung schöpfen dürfen, daß unsere Bestrebungen da, wo wir Werth darauf legen, auch richtig gewürdigt werden.
J. G. L. in S. Herr Rober Keil in Weimar steht zu der Familie des Begründers der „Gartenlaube“ in keinerlei verwandtschaftlicher Beziehung.
Inhalt: Die Frau mit den Karfunkelsteinen. Roman von E. Marlitt (Fortsetzung). S. 125. – Deutsches Frauenlos im Ausland. Zur Gründung eines deutschen Frauenheims in Wien. Von Paul Dehn. S. 130. – Steirische Eisenhämmer. Eine Erinnerung von P. K. Rosegger. S. 132. Mit Illustrationen S. 132, 133 und 135. – Der bunte Zelter. Nach Hüon dem Spielmannskönig. Von Wilhelm Hertz. S. 136. Mit Illustrationen S. 136–139. – Blätter und Blüthen: Tragbare elektrische Lampen. Von G. van Muyden. Mit Abbildung. S. 140. – Streit um den Fahrweg. S. 140. Mit Illustration S. 125. – Bettlerin an der Via Appia. S. 140. Mit Illustration S. 129. – Der bunte Zelter. – Ein merkwürdiger artesischer Brunnen. – Marlitt’s Roman „Die Frau mit den Karfunkelsteinen“. – Allerlei Kurzweil: Der redende Parkettboden. – Auflösung des magischen Tableaus „Das geflügelte Rad“ in Nr. 7. – Kleiner Briefkasten. S. 140.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_140.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2023)