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Seite:Die Gartenlaube (1885) 166.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)


mövengleiche und doch wieder so imposante Aussehen verschwinden mußte, welches dem alten Segler anhaftete, wenn er mit halbem Wind, keck auf der Seite liegend, brausend die Wogen theilte.

Der Wettkampf zwischen Panzerung und Geschoß, bei dem die erstere immer dicker und das letztere immer perkussionsfähiger gemacht wurde, hat schließlich auch dazu geführt, das „schwimmende Fort“ von einer Seite anzugreifen, auf der es nicht wohl gepanzert werden kann, ohne seine Schwimmfähigkeit allzu sehr zu beeinträchtigen, nämlich von unten.

Längst hat man, besonders zur Vertheidigung von Hafeneingängen etc., Minen gelegt, die entweder durch den elektrischen Funken oder in selbstthätiger Weise im gegebenen Momente springen sollten, und es giebt sogar eigene Fahrzeuge, die den Namen „Minenleger“ führen: der neuesten Zeit aber war es vorbehalten, den sogenannnten Fischtorpedo (vergl. das Bild S. 163) zu erfinden, der von besonderen Torpedoschiffen oder von jedem andern dazu hergerichteten Fahrzeuge unter Wasser losgelassen werden kann und, von einer Schraube mittels komprimirter Luft getrieben, mit Blitzeseile tausend und mehr Fuß zurücklegt, um an der Schiffswand des Gegners anzurennen, zu explodiren und denselben zum Sinken zu bringen. Es ist, wie man sieht, eine tückische, aber viel versprechende Waffe, denn sämmtliche seefahrende Nationen haben dieselbe adoptirt, und es ist alle Aussicht vorhanden, daß sie im nächsten Seekriege die ausgiebigste Verwendung finden und manches stolze Schiff in den Grund bohren wird.

Die Besucher des Kieler Hafens haben übrigens Gelegenheit, diese zierlichen, in doppelspitzer „Cigarrenform“ aus Bronze sorgfältig konstruirten Zerstörungsmaschinen aus geringer Entfernung, wenn auch nicht bei der „Arbeit“, so doch in Bewegung zu sehen. Gefahr ist keine dabei, denn geladen sind sie nicht.

Die in Berlin angefertigten Torpedos werden nämlich in der Kieler Bucht in Bezug auf richtige Gangart, respektive Trefffähigkeit geprüft, und auf unserm großen Bilde erblicken wir rechter Hand ein solches Uebungs-Torpedoboot, auf welchem deutlich die eigenartige Form der Geschosse zu erkennen ist.

So ist das Bild des Kieler Hafens ein stetig wechselndes, ein Januskopf, dessen eine Hälfte den Krieg, die andere den Frieden zeigt. Während hier im Schwimmdock der gewaltige Körper des Panzerkolosses seine wunden Stellen der untersuchenden Hand des Schiffsbaumeisters darbietet, nachdem er bis auf den Kiel seinem Elemente entrückt ist, treibt dort der Handelsdampfer der Flotille von Lichterfahrzeugen entgegen, die gegen klingenden Lohn gern bereit sind, ihn seiner Last zu entledigen. Und zwischenhindurch schießen die beweglichen Boote der Bewohner von Ellerbeck, Neumühlen und wie alle jene hübschen Ortschaften heißen, welche die Ufer der Föhrde zieren; in stolzer Ruhe liegt die Panzerkorvette vor Anker und in quecksilbriger Beweglichkeit schießt das Uebungsschiff mit 2000 jungen „Seebären“ an Bord hin und her, lavirt und kreuzt in der Bucht, und bei gutem Winde hört man von deren Deck das scharfe Kommandowort des Kapitäns, das Wirbeln der Trommeln und anderen Kriegslärm deutlich herüberschallen.

Neben diesem kriegerischen Treiben gehen aber Handel und Industrie lebhaft vorwärts. Der Kieler „Umschlag“ ist eine weitbekannte Messe, auf der große Waarenumsätze erzielt werden und wo die sehr bedeutenden Geldgeschäfte des flachen Landes ihre Erledigung finden. Die Ausfuhr von Land- und Industrie-Erzeugnissen steigt jährlich, und Dampfschiffsverbindungen nach zahlreichen deutschen Ostseehäfen, Dänemark, Schweden, England etc. vermitteln einen lebhaften Handelsverkehr. Auch die Universität, welche 1665 von Herzog Christian Albrecht gegründet wurde, bildet mit ihrer Bibliothek und ihren zahlreichen Sammlungen, die manche interessante Seltenheit aus vorgeschichtlicher Zeit enthalten, einen nicht unbedeutenden Faktor in dem wirthschaftlichen und öffentlichen Leben Kiels.

Die Festungswerke aber mit ihren starken Seeforts und zahlreichen Strandbatterien bilden einen gewichtigen Küstenschutz und gewähren die Beruhigung, daß das deutsche Vaterland auch in seinen bisher verhältnißmäßig schwachbewehrten Seeküsten zu Zeiten der Noth nicht unvorbereitet überrascht werden kann.F. K.     


Im Wartesaal.

Skizze von C. Michael.

Ein großer leerer Raum, öde und leer bis auf die Bänke von verschossenem rothen Plüsch, welche die Wände umsäumen, und die beiden großen, halberblindeten Spiegel, welche – eingefaßt von schmalen verräucherten Goldleisten – eine unzählbare Menge schwarzer Reisetaschen und grauer Plaidrollen zeigen, die, immer kleiner und kleiner, bis in die Unendlichkeit hinaus aufgestapelt scheinen, in Wahrheit aber nur die Vervielfältigung einer einzigen Tasche und Rolle sind, meines eigenen bescheidenen Reisegepäckes, das ich auf den Sims von falschem Marmor vor einen der sich gegenüberhängenden Spiegel hingelegt habe.

Doch halt, da giebt es ja noch einen Gegenstand, und zwar einen sehr bemerkenswerthen: die große Pendeluhr, deren Sekundenzeiger in hüpfender Bewegung fortschreitet, während der Minutenweiser schier wie festgewurzelt an seiner Stelle verharrt.

Zwanzig Minuten, wie rasch sind sie verflogen im emsigen Alltagsgetriebe, – – zwanzig Minuten, ein Nichts, eine kaum bemerkbar winzige Spanne Zeit, wie lang können sie sich dehnen, wenn wir der Uhr gegenübersitzen und – warten!

Ich bin zwanzig Minuten zu früh gekommen und muß hier auf den Abgang des nächsten Postzuges warten; nun, das läßt sich leichter ertragen, als wäre ich nur um eine Minute zu spät gekommen, und sicherlich habe ich schon manche Stunde meines Lebens in weniger angenehmer Lage mit – Warten zugebracht. Man braucht nur an die Vorzimmer der verschiedenen Aerzte, Zahnärzte oder Photographen zu denken, die man schon mit „bevölkern“ geholfen hat; oder an das unwirthliche Lokal des Zollamtes, oder an das tage- und wochenlange Warten auf einen Brief, der nicht kommen will. Ja, bei Licht besehen, bringen wir den weitaus größten Theil unseres Lebens damit zu, irgend Etwas zu erwarten. Man könnte die ganze Welt einen einzigen großen Wartesaal nennen, und wer nichts, gar nichts mehr daselbst zu erwarten hat, sei es nun Freudiges oder Schmerzliches, der ist reif, das Signal zur Abfahrt erklingen zu hören und diesen Wartesaal „Erde“ zu verlassen, gerüstet zur letzten, großen Reise!

Da seht das kleine Kind schon sitzen und geduldig warten auf seine Suppe, die erst abkühlen muß. Etwas größer geworden, wartet es auf den nächsten Weihnachtsabend, auf die große Puppe, die man ihm versprochen hat, dann das Mädchen auf das erste Einflechten der flatternden Haare in Zöpfchen, der Knabe auf die Knallbüchse und auf die ersten Stiefel!

Armer Junge, wenn du in diesen heiß ersehnten Stiefeln steckst, dann geht für dich erst recht das Warten an, und immer gespannter, immer aufregender wird deine Erwartung werden.

Das Schulleben hat begonnen, da gilt sie zunächst den Censuren der verschiedenen Semester, wie werden sie ausfallen? „Ich kann es kaum erwarten!“ hört man dich sagen. Dann kommen die goldenen Ferien, die du noch viel weniger „erwarten“ zu können glaubst. Dem Eintritt zum Militärdienst gilt nun deine Erwartung, dem lustigen Studentenleben, endlich gilt sie dem ersten Amte, der ersten Stellung, um welche du dich beworben hast.

Nun kommen verschiedene Beförderungen, Versetzungen oder anderweitige Veränderungen in deinem Berufsleben an die Reihe, die mit derselben Spannung erwartet werden, mit welcher der Seemann, weit draußen im stillen Ocean, auf eine günstige Brise wartet.

Du bist vielleicht ein Mann der Feder, dann weißt du, was es heißt, ruhig und geduldig, Monate lang, auf die Entscheidung der Redaktionen über deine Arbeiten zu warten. Die Liebe, der kleine geflügelte Gott, schwirrt auch wohl an dir vorüber, und wenn sein Pfeil getroffen hat, dann wird auch dir das Warten auf die Heilung nicht minder schwer, als es allen sonstigen Blessirten und Kranken fällt.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_166.jpg&oldid=- (Version vom 14.3.2024)
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