Verschiedene: Die Gartenlaube (1885) | |
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Diese Boten führen den vielversprechenden Namen Ch'ien fu „starke Männer“ oder Ch'ien li ma „Tausend-Li-Pferd“; leider fehlen uns genauere Angaben darüber, in welcher Zeit und in welchen Absätzen der Träger des stolzen Namens seine tausend Li, das wären ungefähr 500 Kilometer, zurücklegt. Nach den interessanten Aufzeichnungen eines englischen Konsularbeamten in China, Mr. Giles, rekrutiren sich diese Fußboten in der That nur aus den stärksten und gesundesten Männern, die selbst mit einem Pack von 80 bis 90 (engl.) Pfund Gewicht ihren Weg stets im Trott zurücklegen, unbekümmert um Hitze und Kälte, bei Tag und bei Nacht. Namentlich die Dienstleistung zur Nachtzeit wird als etwas Außergewöhnliches angesehen, weil die Leute aus den unteren chinesischen Volksklassen eine abergläubische Furcht vor Gespenstern haben. Daraufhin wird deßhalb der „starke Mann“ noch ganz besonders geprüft, ehe man ihm ein Postpacket anvertraut, weil man sonst überzeugt sein könnte, daß er nächtlicher Weile bei dem geringsten Geräusche oder einer sonstigen ungewöhnlichen Erscheinung sofort den Postsack abwerfen würde, um den Geistern der Finsterniß desto schneller entrinnen zu können. Um den Körper ausdauernder zu erhalten, nehmen diese Leute fast nie eine volle Mahlzeit zu sich, sondern essen sich nur, wie der Chinese sagt, zu sechs bis sieben Zehnteln voll, so oft sie Hunger verspüren.
Auch der indische Postbote, dem man den Ehrentitel hurkara (Postrenner) beigelegt, trägt wie der starke Mann in China Glöckchen und Schellen, die hier allerdings den ernsten Zweck verfolgen, die zahlreichen Giftschlangen und Raubthiere zu verscheuchen, welche besonders nach Eintritt der Dämmerung die Wege unsicher machen. In manchen Gegenden Indiens hat man sogar den Fußboten, der über Ströme ohne Brücken setzen muß, in ein Amphibium umgewandelt und ihm eine Ausrüstung gegeben, die in einem Paar Schwimmhosen, einem Kopfbund und einem um die Hüften geschlungenen Netz besteht, in welchem eine Anzahl flaschenförmige Schwimmblasen stecken.
Nach alledem, was wir bis jetzt berichtet, wird es uns nicht verwundern, daß auch in Afrika die Post mit dem primitiven Verkehrsmittel der menschlichen Beine rechnen muß. Die Art und Weise, in welcher der schwarze Postbote von der Loangoküste die Korrespondenz befördert, ist weder neu noch rein afrikanisch. Aehnlich trugen in früheren Jahrhunderten japanische Boten die ihnen anvertrauten Briefe an einem Stäbchen, und ebenso verfahren heutigen Tages die Australneger, die in Queensland den Fußbotendienst besorgen.
Aber wir brauchen nicht Europa zu verlassen, um derartige Originale von Briefträgern zu sehen. Auch die französische Regierung hat in gewissen Gegenden ihre Landbriefträger mit allerlei Rüstzeug zum Kampf gegen die Naturhindernisse ausgestattet.
Besonders originell ist die in unserer Abbildung wiedergegebene Ausrüstung mit Stelzen. Im Departement des Landes und im südlichen Theile der Gironde bedienen sich die Landbewohner, um in dem sandigen, oftmals mit hohem Haidekraut bewachsenen Boden rascher fortkommen zu können, hoher an den Beinen festgemachter Stelzen und, zur nöthigen Unterstützung des Gleichgewichts, langer Gehstöcke. Um die Landbriefträger auch in Bezug auf Schnelligkeit nicht hinter den landesüblichen Ansprüchen zurückstehen zu lassen, hat die französische Postverwaltung dieses Gehwerkzeug unter die vorschriftsmäßigen Beförderungsmittel aufgenommen. Aehnlich sind die Landbriefträger in der von Sümpfen und Wassergräben durchzogenen Vendée mit langen Stangen versehen, welche im Sprung über die unwegsamen Stellen hinweghelfen sollen. Im Jura bedienen sich die Landbriefträger langer, flacher Schneeschuhe, welche den Marsch auf verschneiten Wegen erleichtern. – –
In der Zeit des großartigsten Aufschwungs des Postverkehrs, in dem letzten Jahrzehnt, das vor Kurzem seit der Gründung des Weltpostvereins verflossen ist, hat man überall in Europa den hohen Nutzen der Fußbotendienste wieder anerkannt, und in allen Staaten ist jetzt die Post zu Fuß als Bindeglied zwischen den Postanstalten und den einzelnen Ortschaften, die keine Postanstalten besitzen, eingeführt. Die preußische Postverwaltung war die erste, die im Jahre 1824 reformirend auf diesem Gebiete vorging und versuchsweise eine „Länd-Fußbothen-Post“ in der Umgegend von Frankfurt an der Oder ins Leben rief.
Wir würden den Leser nur ermüden, wollten wir mit Zahlen
beweisen, wie groß die Arbeitsleistung der bescheidenen Post zu
Fuß im Laufe der letzten Jahre auf allen Punkten der civilisirten
Erde geworden. Auch ohne die stattlichen Zifferreihen wird er
schon aus dieser kurzen Skizze, in der wir dem „Buche von der
Weltpost“ im Wesentlichen gefolgt sind, ihre Bedeutung erkannt
und auch hierin gelernt haben, wie mit scheinbar geringfügigen
Kräften die Menschheit Großes zu vollbringen vermag. St. J.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 395. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_395.jpg&oldid=- (Version vom 1.7.2021)