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Seite:Die Gartenlaube (1885) 621.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)


Die Enthüllung des Denkmals Friedrich Wilhelm’s I. im Lustgarten zu Potsdam.

Am 18. August dieses Jahres wurde in Potsdam, und zwar in dem vor dem Stadtschlosse sich ausbreitenden Lustgarten, das Denkmal eines Ahnherrn unseres Kaisers, des Königs Friedrich Wilhelm I., enthüllt. Es hat lange gedauert, bis man die Verdienste gerade dieses Königs in unparteiischer Weise zu würdigen vermochte. Er war einer jener harten Herrscher, welche, trotz eines stark ausgeprägten Rechtsgefühls, nur der Strenge huldigten und selten den Regungen eines milden Herzens folgten und man muß bei der Beurtheilung seines Wirkens darum wohl den Menschen von dem Staatsmanne trennen. Als letzterer steht er in der Geschichte Preußens groß da und ist als rüstiger Pionier jener Erfolge zu betrachten, die in der glorreichen Regierungszeit seines Sohnes Friedrich’s des Großen errungen wurden. Eine bemerkenswerthe That wird für immer die von ihm bewirkte Ansiedelung der 17 000 Salzburger Protestanten auf preußischem Gebiet bleiben. Sie kennzeichnet seine Bestrebungen, durch Heranziehung von Arbeitskräften die Kultur des Landes zu heben. Vor Allem aber müssen seine Verdienste um die Stärkung der Heeresmacht Preußens anerkannt werden. Ihm ist es gelungen, in kurzer Zeit eine Armee zu schaffen, die im damaligen Europa unübertroffen dastand und deren Stärke sich auf 70 000 Mann bezifferte. Dieses Vortreffliche Heer, geleitet von einem gut geschulten Officierkorps, ein Schatz von 9 Millionen Thalern, wohlgeordnete Verhältnisse im Lande, das war das große, vielverheißende Erbe, welches er seinem Nachfolger zurückließ. Noch heute läßt die preußische Armee in vielen Dingen seine schöpferische Hand erkennen, und dementsprechend war auch die Feier der Denkmals-Enthüllung zu Potsdam eine fast ausschließlich militärische.

Der achtundachtzigjährige Kaiser Wilhelm kommandirt die Honneurs bei der Enthüllung des Denkmals Friedrich Wilhelm’s I.
Originalzeichnung von H. Lüders.

Man muß Potsdam an einem solchen Tage gesehen haben, um sich von der Eigenart des Festes einen Begriff machen zu können. Andere Städte und namentlich auch Berlin haben ihre großartigen militärischen Festlichkeiten, aber die Art und Weise, wie in Potsdam dergleichen durchgeführt wird, ist doch fast ohne Gleichen. Die denkbar schönsten Truppen, der Platz mit seinen königlichen Bauten umher, die Intimität, mit welcher in Potsdam Soldat und Bürger mit und neben einander leben, alles trägt dazu bei, einen solchen Anblick aufs Höchste sehenswerth zu machen.

Der Tag der Enthüllung war diesmal in Bezug auf das Wetter durchaus kein Kaisertag; kühl, windig und regnerisch, war er eher einem Apriltage als einem Augusttage ähnlich. Schon fing man an zu zweifeln, ob der Kaiser überhaupt der Feier anwohnen würde. Da trat der greise Herr, gefolgt von dem Kronprinzen und mehreren Prinzen des Königshauses, mit dem Schlage elf Uhr auf die Rampe des Schlosses hinaus und schritt, kaum die Last der Jahre erkennen lassend, über den weiten Platz bis zu dem noch verhüllten Denkmal.

Ringsum hatten die Truppen der Potsdamer Garnison im Viereck Stellung genommen, dem Denkmal gegenüber die direkten Nachkommen der einstigen Potsdamer Riesengarde, das unvergleichlich schöne erste Garderegiment zu Fuß, Prinz Wilhelm vor der Front seines ersten Bataillons auf dem rechten Flügel. Noch stand das Denkmal verhüllt da, als der Kaiser eine kernige Ansprache an die Truppen hielt, hinweisend auf das, was gerade Friedrich Wilhelm I. der Armee und damit dem Vaterlande gewesen sei, dann zog er den Degen, machte militärisch Front gegen das Denkmal, gab das Zeichen zur Enthüllung und unter dem kräftigen Hurrah der Truppen bei präsentirtem Gewehr und rauschender Musik sank die Hülle. Der achtundachtzigjährige Kaiser salutirte an der Spitze seiner Truppen seinem Ahnherrn – ein seltener und ergreifender Anblick, der mir unvergeßlich sein wird.

Unmittelbar darauf erfolgte der Vorbeimarsch der Truppen vor dem Denkmal so mustergültig, wie man es eben nur in Potsdam sehen kann. Dann begrüßte der Kaiser und mit ihm die Kaiserin, die im Wagen erschienen war, die Generalität und die Vertreter der Garnisonen von Berlin, Spandau und Großlichterfelde, sowie auch den Bildhauer Hilgers, den Schöpfer des Denkmals. Nach etwa dreiviertelstündiger Dauer war die Feier beendet. Das Denkmal selbst ist eine genaue Kopie des Standbildes des Königs in der Ruhmeshalle und deßhalb bedauerlicher Weise für diesen Platz vielleicht nicht charakteristisch genug aufgefaßt. Der König steht unbedeckten Hauptes da, den Blick nach der Garnisonkirche gewandt, die linke Hand am Degenknauf und in der rechten den Feldherrnstab. Geschmackvoll ist das Postament, im Stil der Zeit von rothem Granit ausgeführt. H. Lüders.     

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 621. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_621.jpg&oldid=- (Version vom 4.12.2022)
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