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Seite:Die Gartenlaube (1885) 833.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Ein ganz anderes Gesicht bekommt jedoch die Sache, sobald sich der Mensch damit begnügt, besonders zu Kriegszwecken, irgend ein Fahrzeug auf kurze Zeit durch Untertauchen dem Späherauge des Feindes zu entrücken und den Angriff dieses Fahrzeuges auf diese Weise zu erleichtern. Streng genommen war die Frage an dem Tage gelöst, wo der erste Fischtorpedo seinen verderbenbringenden Weg dicht unter der Wasseroberfläche verfolgte, und wenn die Technik trotzdem eine weitere Ausbildung der unterseeischen Angriffswaffe anstrebt, so liegt es wohl nur daran, daß Torpedos nicht mit voller Sicherheit lenkbar sind und das Ziel daher oft verfehlen.

Es sind demnach Fahrzeuge vorhanden, die kurze Zeit unter Wasser bleiben und sich in dem nassen Element vorwärts bewegen können. Wir erinnern zunächst an das seiner Zeit in der „Gartenlaube“ (Jahrg. 1863, S. 554) ausführlich besprochene Boot des Ingenieurs Bauer, welcher indessen damit nicht durchdringen konnte. Mehrfache Verbesserungen weisen, wie man sich denken kann, die neueren derartigen Boote auf, von welchen wir nur drei erwähnen wollen. Diese Boote verdanken wir dem schwedischen Kapitän Nordenfelt, L. Klein in Charlottenburg und Hotchkiß in Paris.

Unsere Abbildungen veranschaulichen das zuerst genannte Nordenfelt’sche Unterseeboot. Dasselbe ist aus dem besten schwedischen Stahl gearbeitet und bei cigarrenförmiger Gestalt 94 Fuß lang und in der Mitte 9 Fuß breit. Der oben hervorragende Thurm ist mit einer Glaskuppe versehen und dient dem Kapitän als Beobachtungsposten. Die Vorwärtsbewegung des Bootes unter Wasser wird durch eine gewöhnliche Schraube bewirkt, die neben dem auf unserer Abbildung rechts sichtbaren Steuerruder angebracht ist. Wie taucht aber das Fahrzeug unter die Wasserfläche? Zu diesem Zwecke finden wir an den beiden Seiten desselben je einen Radkasten mit horizontal gestellten Schiffsschrauben, deren Bewegung das Boot nach unten drängt. So lange das Fahrzeug über dem Wasser schwimmt, wird seine Dampfmaschine mit Kohlen geheizt, soll es aber untertauchen, so wird der nöthige Dampf durch aufgespeicherte Wärme erzeugt. An der vorderen Spitze des Bootes ist schließlich in einer Röhre seine furchtbare Waffe, der Torpedo, befestigt. Nach den bis jetzt vorgenommenen Versuchen kann dieses Boot die Tiefe von 16 Fuß erreichen und sechs Stunden unter dem Wasser verbleiben, ohne daß seine Besatzung durch Luftmangel u. dergl. belästigt wird.

Weitere Reisen braucht das Boot selbst nicht zu unternehmen, es wird zu diesem Zweck von einem andern Fahrzeug, wie dies auf unserer ersten Abbildung ersichtlich, ins Schlepptau genommen, um erst im gegebenen Fall in Thätigkeit zu treten.

Sehr ähnlich ist das Klein’sche Torpedoboot. Nur daß es eine Vorrichtung zur Erneuerung der Kraft im Innern enthält und vorne drei Saugnäpfe hat, mit deren Hilfe sich das Fahrzeug wie ein Polyp an das feindliche Schiff festsaugt, worauf Taucher dem Thurm entsteigen und einen mitgeführten Torpedo an den Leib des Gegners befestigen.

Was endlich das Unterseeboot von Hotchkiß anbelangt, so zeichnet es sich vor Allem durch seitlich angebrachte Korkschwimmer aus, welche die Rolle der Nordenfelt’schen Seitenschrauben spielen. Werden sie von innen hochgehoben, so sinkt das Fahrzeug so weit, daß nur noch der Thurm und die Schwimmer aus dem Wasser ragen. Eine Beschädigung dieser Schwimmer durch das Feuer des Feindes soll ohne Belang sein. Das Boot von Hotchkiß enthält Behälter mit Pressluft für die Mannschaft. Es wird, wie das Klein’sche, durch Dampf getrieben.

Im Augenblicke, wo wir Obiges niederschreiben, gelangt die Kunde von der Erfindung zweier neuer Unterseeboote durch die Amerikaner Zalinski und Tachs zu uns. Ersteres wird durch eine Petroleunmmaschine getrieben und schleudert aus einer riesigen Windbüchse mit 100 bis 150 Kilogramm Sprenggelatine gefüllte Geschosse gegen den Feind. Das Tachs’sche Boot aber steht insofern mehr auf der Höhe der Zeit als die vorgenannten Boote, da die Betriebskraft hier Elektricitäts-Akkumulatoren entnommen wird. Dadurch entfällt die Feuerung mit allen ihren Uebelständen, wogegen der Nachtheil mit in den Kauf zu nehmen ist, daß die Elektricitätsquelle nur zu einer Fahrt von 100 Seemeilen ausreicht. Dies dürfte indessen in den meisten Fällen genügen. G. van Muyden.     


Ein wunderlicher Heiliger.

Novelle von Hans Hopfen.
(Fortsetzung.)


Bianca konnte sich nicht besinnen, wie sie aus dem Fiaker, wie sie in den Eisenbahnwagen gekommen war, durch dessen Fenster jetzt ein schwüler Windstoß ihr ins Gesicht blies.

Ein bleiernes Grau wälzte sich über den weiten Himmel herauf und schien immer näher und tiefer zu rücken und zu drücken, als solle die ganze Welt in einen Sack gesteckt werden. Mit eigenthümlich hell klingendem Rasseln und Keuchen hasteten Lokomotive und Zug diesem fahlen farblosen Zwielicht entgegen. Bianca, die doch oft genug auf Eisenbahn gefahren war, meinte nur in bangem Traume je solche garstigen Töne gehört zu haben. Der Waggon stieß hin und her auf den schütternden Geleisen. Jeder Baum, jeder Strauch am Wege, daran sie vorüberflogen, schüttelte und krümmte sich, als jammerte er ihnen zu: Nehmt mich mit, ich fürchte mich hier, denn es giebt ein Unglück! Die Steine auf dem Schotter neben den Schienen waren bei der Schnelligkeit des Zuges nicht mehr wahrzunehmen, sie sahen sich an, wie eine zerfließende graue Masse, wie ein schwindender Boden, den unsichtbare Gewalt den Menschen unter den Füßen wegzieht. Ueber Allem ein schwüler Hauch, der menschliches Empfinden niederdrückte. Und doch war Einem bei dem stoßweisen Anhauche schaurig zu Muth, als frör’ es Einen in den Haarwurzeln. Eine unaussprechliche Angst löste auf Minuten die Empfindung des Ekels in Bianca’s Bewußtsein ab. Sie sah dann Pater Otto in der anderen Wagenecke auf derselben Reihe sitzen. Er hatte den schwarzen Arm in die Wandhalfter gehenkt, die wie eine Schleife der Bequemlichkeit oberhalb des Sitzpolsters angebracht war, und er las ruhig in seinem Brevier, dem kleinen schwarz eingebundenen rothbeschnittenen Büchlein, das er nach mönchischer Weise immer und überall bei sich trug.

Ihr starres Anblicken mocht’ ihn auf einmal im Lesen stören. Er sah auf und sah sie an und sah durch das Fenster hinter ihr.

„Es wird regnen!“ sprach er, „der schöne Tag klingt wild und trübselig aus!“

Es gab Bianca einen Stich, daß der Vetter diesen Tag einen schönen nannte. Stumm brütete sie weiter vor sich hin.

„Otto!“ rief sie plötzlich.

„Was willst Du?“

„Bring’ mich jetzt nicht zum Vater heim! Hörst? Ich könnt’s nicht ertragen. Bring’ mich zur Tant’ nach Gumpoltskirchen. Sie erwartet mich ohnehin!“

Pater Otto sah die Redende mit großen Augen an. „Das hast Du mir ja schon gesagt. Wir fahren ja bereits auf der Südbahn. Was hast Du?“

Bianca lief ein Schaudern über den Rücken. Was ging mit ihr vor? Sie war nicht ohnmächtig gewesen, sie hatte nicht geschlafen, und doch erinnerte sie sich an nichts mehr, weder an das, was in den letzten Stunden mit ihr geschehen war, noch an das, was sie selbst gesprochen hatte. Sie sah nur immer noch das braune Häuschen im Grünen und davor Edgar, der sich tief verbeugt vor dem im Halbkreis wendenden Wagen, dann sah sie nichts mehr als ihre rinnenden Thränen, und jetzt den bleigrauen erdrückenden Himmel und auf dem Gewitterwolkengrunde einen schwarzen Mann mit einem schwarzen Buch in der Hand.

Sie merkte erst jetzt, daß es später Abend sein mußte. Was von Tageslicht noch übrig war, drohte die graue Fläche, die zwischen Himmel und Erde niederwuchs, in der nächsten Minute einzuschlucken.

Da zog ein jäher Blitzstrahl eine rothe Furche quer durch den öden Himmel, und als der Donnerschlag, der ihm folgte, verhallt war, warf es etliche klatschende Tropfen an die geschlossene Fensterscheibe des Wagens, dann noch eine derbere Handvoll, und endlich prasselte der Regen in Strömen gegen das triefende Glas. In das immer gleichmäßig fort sich wiederholende Fauchen der Lokomotive und das Schüttern und Klirren der Schienen dröhnte bald jetzt, bald später, bald mit grauenhaften Schlägen, bald mit dumpfem Rollen die Musik des Orkans. Mit Riesenschritten von den Fackeln der Blitze geleitet, vom pfeifenden Sturm gefolgt, kam die Nacht herauf.

Sie fuhren das Gewitter mitten hindurch und in einen gleichmäßig fadendicht schüttenden Landregen hinein, der alle Weinberge dieses gesegneten Landstriches unter Wasser zu setzen drohte.

Bianca hatte sich schlecht versorgt für solchen Wetterumschlag. Ein dünnes Mäntelchen, das sie vom Handkoffer abschnallte, gewährte nur zum Spott Schutz gegen solchen Wind und Regen. Und es war kaum zu hoffen, daß sich der Himmel aufhellen werde, ehe sie das Ziel ihrer Fahrt erreichten.

Es war doch just so schwül hier innen gewesen. Jetzt fror sie’s auf einmal, wie wenn ein eiskalter Wind durch die Wände pfiff. Durch ein Nebenfenster, das schlecht geschlossen worden, sprühte jäh der Regen über sie hin, und Pater Otto hatte Mühe, weiteren Schaden durch rasches Zugreifen zu verhindern.

Unwillkürlich sah sie, die Regentropfen aus Haar und Gewand streifend, sich nach der guten Wagendecke um, die Edgar zur Vorsicht in seinen Fiaker gelegt hatte. Ach so, die war weit weg! …

Für einen Augenblick trat da ein holdes Bildchen vor ihre Seele. In einem wohlverschlossenen behaglichen Koupé erster

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 833. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_833.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2024)
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