Verschiedene: Die Gartenlaube (1885) | |
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von Thronerben gewesen sind. Zusammen sind hier 26 Särge wie in den Fächern eines mächtigen Schreines aufgestellt, aber rechts wie links giebt es noch einige, die ihres Inhalts warten. – Gewiß war es ein denkwürdiger Moment, als am 4. Dezember 1883 in dieser Gruft der junge König Alfons mit seinem Freunde Fritz von Hohenzollern, dem Kronprinzen des Deutschen Reiches und Preußens, stand. Umgeben von seinem Gefolge ließen sie lange schweigend ihre Blicke über diese Särge mit den Inschriften der spanischen Könige schweifen. Ihr Erbe würdigte es wohl, welche traurige Bedeutung die meisten seiner dort ruhenden Vorfahren für Spanien gehabt und daß ihm die schwierige Aufgabe zugefallen, ihre Sünden wieder gut zu machen. Und wie hätte der deutsche Fürstensohn nicht daran denken sollen, daß einst der Ahnherr dieser Todten, Karl V., auch über Deutschland als dessen Kaiser geherrscht, und daß dieses das Glück seiner Zukunft von ihm, dem Erben der neuen Kaiserwürde, erwarte?
Die Steine sprechen, und die Gräber reden.
Aber was in diesem Escorial spricht und redet, ruft Beklemmung und Unruhe hervor. Ein berühmter Reisender sagte einmal: Wer je einen Tag im Escorial zugebracht hat, muß sich allein bei dem Gedanken, daß er noch zwischen jenen Mauern sein könnte, es aber nicht mehr ist, für das ganze Leben glücklich fühlen. Es ist ein furchtbarer Bau, wie ein Gefängniß für den Geist. Nutzlos steht er da in seiner Massigkeit, welche für die Ewigkeit bestimmt war. Der Blitz hat ihn schon sechs- oder siebenmal als Beute gepackt, Wenn er an der kahlen Gebirgslehne und über die Wüste davor gierig umherzüngelte; immer wieder hat man neu gemacht, was er in Schlag und Flammen zerstörte. Der Könnig Amadeo hat seine Millionen dafür hingegeben; der König Alfons mußte dem Blitz auch seinen Tribut entrichten. Für die Spanier ist der Escorial einmal ein Nationalheiligthum; sie sind stolz auf dieses Werk, das sie das achte Wunder der Welt getauft haben und das ihnen ein König hinterlassen hat, den sie groß nennen, weil er in seiner Zeit dem fanatischen und stolzen Geist des spanischen Volkes einen imposanten Ausdruck verlieh. In seiner Einsamkeit ist der Escorial ein Denkmal dafür.
Die kleine Stadt, die sich im Laufe der Zeit zu seinen Füßen aufgebaut und nach ihm den Namen hat, ist ohne Leben und eine stille Eisenbahnstation. Sie fristet ihr Dasein durch die Versorgung, deren die Besucher des Klosters bedürfen, und durch die Beamten, Geistlichen und Schüler, die dort leben. Denn König Alfons XII. hat dort aus Dankbarkeit für die Erziehung, die er im Wiener Theresianum während der Jahre des Exils seiner Dynastie genossen, eine Anstalt ähnlicher Art auf seine Kosten gegründet. Ihre Zöglinge werden Karabiniers, die Zollwächter Spaniens, Leute, auf deren Treue und Rechtlichkeit man sich besonders will verlassen können. Der Escorial hat einige Lehrsäle für sie hergegeben, während sie in einem besonderen Hause dabei ihre Wohnung haben. Auch von der Gärtnerei für das öde Klosterschloß leben die Bewohner des Orts. Die Gärten desselben sind sehr einfach und durch ihren vornehmen Charakter in Uebereinstimmung mit dem Gebäude. Die umhegten Vierecke stellen in der feinen Zeichnung ihrer Buchsanlagen königliche Wappen vor und gleichenn bestickten Sammtteppichen, auf weißen Sand gelegt. Springbrunnen stehen mitten zwischenn ihnen. Sonst keine Bäume, keine Blumen, keine Lauben darin. Aber wenn man sie nach der stundenlangen Wanderung durch das Labyrinth des Grannitkolosses betritt, begrüßt man sie, wie der Gefangene nach langer Kerkernacht die Freiheit. Gottes Sonne scheint doch vom reinen Himmelsblau hernieder, und ist es auch nichts als kahle Wüstenei, was der Blick weithin über die kastilische Hochebene umfaßt, so fliegt er doch in die Ferne, um sich zu sättigen in seinem Heißhunger nach Licht und Leben, und über die schneebedeckten Höhen des Guadarramagebirgs, um an der träumerischen Einsamkeit der Natur sich zu erquicken.
Lorle. (Mit Illustration S. 829) „Lorle, die Frau Professorin“
gehört bekanntlich zu den schönsten und ergreifendsten Erzählungen Berthold Auerbach’s, und es ist darum ein Verdienst der J. G. Cotta’sche Buchhandlung in Stuttgart, daß sie zum nahen Weihnachtsfeste gerade diese Schöpfung des großen Dorfgeschichtenschreibers in festlichem Gewande hat
erscheinen lassen. Nicht weniger als 72 Illustrationen schmücken den
stattlichen Band, und daß wir es gleich betonen: solche Illustrationen, die
von Meisterhand entworfen sind. Wilhelm Hasemann ist ein Künstler,
der dem Erzähler in erfreulichster Weise ebenbürtig ist. Unser Bild auf
Seite 829 ist dafür ein Beweis. Lorle tritt, die Schürze voll Gerste, in
den Hühnerhof, und die „Fresserle“ – Enten und Hühner – können’s
nicht erwarten, bis das „Kröpfle“ voll ist. Nur Einer ist nicht bei der
Schaar und beeilt sich auch nicht sonderlich, zu ihr zu kommen, kräht
vielmehr erst noch mahnend in die Welt hinein und kommt dann würdevoll
langsam näher, „grad wie die Mannsleut, die auch immer auf sich warten
lassen, wenn’s Essen auf dem Tisch steht.“ Frisch und lebendig giebt
der Künstler diese Hofscene im Bilde. Und dieses Bild ist keine Ausnahme.
Möge der Leser sich selbst von dem echt künstlerischen Werthe des Buches
überzeugen. Wo der Weihnachtsmann es bescheert, wird es sicher mit
Freuden aufgenommen werden. D. Th.
„Schulröschen“, die fesselnde Erzählung von Rudolf von Gottschall, ist im Verlag von Trewendt in Breslau bereits in zweiter Auflage erschienen. Die Novelle behandelt denselben Stoff, den der Dichter auch zu seinem gleichnamigen Lustspiel verwendet hat.
Der Weihnachtsbüchertisch für die Jugend (vergl. Nr. 49 der „Gartenlaube“) ist noch um einige Gaben reicher geworden. Namentlich zwei Neuheiten aus Theo. Stroefer’s Kunstverlag in München verdienen noch warme Empfehlung: „Ein Jahr in Märchen“ von Emma Laddey, mit 12 Farbendruckkbildern von Heinrich Braun, und „Wer weiß, wie ich heiß?“ von Ferd. Haas, mit 145 Illustrationen von Braun, v. Kramer, Thumann u. A. In dem erstgenannten Buche sind die 12 Monate als Prinzen gedacht, von denen jeder ein entsprechendes Märchen erzählt, wie z. B. der März von der Veilchensee, der November von Nebelgeistern etc. Die Kinderpoesien des zweiten sind ohne Ueberschrift, und der Jugend fällt die fesselnde Aufgabe zu, nach dem alphabetisch geordneten Inhaltsverzeichniß die richtige Ueberschrift herauszufinden.
Für das Uebergangsalter in erster Linie, aber auch für viele Erwachsene nützlich wird ein elegant ausgestattetes Buch von Marie Calm werden: „Die Sitten der guten Gesellschaft“ (Verlag von J. Engelhorn, Stuttgart). Das von Arthur Langhammer trefflich illustrirte Werkchen bietet einen anregenden Führer ins Leben, welcher die zahlreichen „Rathgeber“ für guten Ton und gute Gesellschaft hoch übertrifft. –
Die Sommermärchen von Rudolf Baumbach (Leipzig, A. G. Liebeskind), diese köstlichen Märchendichtungen des Sängers der Spielmannslieder, mit ebenso köstlichen Illustrationen vom Meister Paul Mohn, bilden eines der schönsten Geschenke! Sie sind die hervorragendsten Märchendichtungen, welche seit langen Jahren erschienen sind, und werth, sich einzubürgern in jedes Haus und Herz, bei Jung und Alt!
Inhalt: Edelweißkönig. Eine Hochlandsgeschichte. Von Ludwig Ganghofer (Fortsetzung). S. 825. – Zwei Mütterchen. Illustration. S. 825. – Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit. Unterseeische Schiffe. Von G. van Muyden. Mit Abbildungen. S. 832. – Ein wunderlicher Heiliger. Novelle von Hans Hopfen (Fortsetzung). S. 833. – Die Nekropolis der spanischen Könige. Von Schmidt-Weißenfels. S. 838. Mit Illustrationen S. 837 und 840. – Blätter und Blüthen: Lorle. S. 840. Mit Illustration S. 829. – „Schulröschen“. – Der Weihnachtsbüchertisch für die Jugend. – Für das Uebergangsalter. – Die „Sommermärchen“. S. 840.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 840. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_840.jpg&oldid=- (Version vom 15.6.2024)