verschiedene: Die Gartenlaube (1886) | |
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im Sommer an. Er hat sich die betretenen Pfädchen durch Getreide, Wiesen, Au und Wald wohl gemerkt, auf welchen der Hase in den Dämmerstunden der Frühe und des Abends „von“ oder „zu Holz“ oder „zur Aesung rückt“. Wie auf unserem beigegebenen Bilde lauert der rothe Freibeuter als echter Wegelagerer unter Benutzung der Windrichtung ausdauernd, um den endlich heran „hoppelnden Lampe“ durch einen gewandten Gegensprung zur rechten Zeit zu fassen und zu würgen. Geduldiges Abwarten führt ihn im Walde gleichfalls zum Ziele, wenn er den Augenblick ausspürt, in welchem die alte Rehgeis ihr Kitzchen einmal auf einer Blöße des Holzes oder auf einer Wiese unbewacht lassen sollte. Vom sicheren Versteck einer Halde, eines Hages, vom Waldrande aus erspäht er die Augenblicke, wo der Hirtenjunge die sichere Hut der Gänse auf der Weide vernachlässigt, um dann wie der Blitz über das junge Volk der Gänse herzufallen. Ebenso liegt er im Hinterhalte des Feldwachsthums in der Nähe des Gehöftes, das Gebell des Hofhundes, den der Schlaue an der Kette weiß, nicht achtend. Er hat den Spaziergang des Hofgeflügels ins einladende Getreide oder in die nahe Wiese ausgekundschaftet und ertappt wie der Wind mit ein paar flüchtigen Sätzen die herausgetretenen Hühner am Acker oder im Wiesengrunde, die Enten am benachbarten Graben oder Bache. Besonders thätig zeigt sich die Füchsin zur Zeit der Jungenpflege auf der Schaubühne des Raubwesens, bald durch Lauern, bald auf dem Schleichwege oder in der geschickten Verknüpfung beider Raubmethoden. Zu dieser Zeit übt sie nicht selten auch den Akt des Jagens aus, besonders nach jungen Hasen. Gerade auf den Lebenswegen der Fuchsmutter zeigt sich am meisten das vielseitige Wesen dieses geweckten Räubers, dessen Thaten sich in Bezug auf Schaden und Nutzen in der Thierwelt gegenseitig die Wage halten. Denn er vertilgt nicht ausschließlich alle möglichen Kleinthiere der Jagd und des Hauses und Hofes; der aufmerksame Blick des Beobachters bemerkt auch die unzähligen Beweise jenes Raubes an unseren schädlichen Nagern in Flur und Wald. Zu jeder Tageszeit des Vorsommers kann man das Raubthier auf den Blößen der jungen Hegen, den Waldwiesen und selbst in der Nähe der Dörfer und Weiler unermüdlich, dem Mäusefange obliegen sehen. Bald lauert dann der Fuchs an den Gängen und Höhlen der Mäuse geduldig wie die beste Katze, um mit einem raschen Zufahren die aus der Erde hervorkommende Maus zu erhaschen und mit ein paar Bissen zu verschlucken; bald geht sein Lauern in ein Schleichen über, plötzlich durch einen hohen Bogensprung eine im Wachsthum sich regende oder aus dem Versteck huschende Maus mit fast nie versagender Geschicklichkeit zu packen. Stunden, ja halbe Tage lang geht auf diese Weise der Mäusefang fort, und wenn das Lauschen ohne Erfolg bleibt, so legt sich der Listige, um Diebes- und Raubkünste nie Verlegene auf ein Mittel, das wir der alten Füchsin manchmal im Verborgenen abgesehen. Sie verursacht mit den Vorderpfoten am Eingang der Mauslöcher ein Poltern, auf welches nicht selten einer oder der andere Insasse der Erdhöhlen aus den Röhren herausfährt in den Rachen des behenden Freibeuters. Und wie hier im Sommer, so Winters auf den schneebedeckten Feldern zeichnet der Fuchs – wenn ihn das körperliche Auge des Beobachters auch nicht gewahrt – unseren geistigen Blicken in seiner Spur den Abdruck seines Wirkens vor. Ja, auf der vielberedten Zeichenschrift seines Spurganges kann der Blick des Kundigen alle die listigen Streiche und die Abenteuer des verschlagensten, kühnsten Raubes dieses merkwürdigen, begabten Thieres ablesen. Es würde zu weit führen, wollten wir auch nur einige Blätter dieser bewegten Zeichenschrift des Fuchswandels auf dem schneeigen Plane entziffern.
Den nahen Verwandten des Fuchses, den Wolf, können wir füglich ebenso gut übergehen wie den Luchs. Beide Großräuber sind an der Grenze ihrer gänzlichen Ausrottung in unserem Vaterlande angelangt, an dessen äußersten Marken sie nur noch höchst vereinzelt vorkommen. Sie gehören, wie der Elch, zu unseren heimischen Thierruinen, von welchen bald nur noch die Ueberlieferung sprechen wird. Auch nur dieser könnten wir folgen, wenn wir die Bethätigungen beider Räuber vorführen wollten, und da wir wesentlich nur Selbstbeobachtetes aus der Thierwelt schildern, so wenden wir uns von den beiden Genannten der heimischen Wildkatze zu, welche so ziemlich das verkleinerte Bild des Luchses vergegenwärtigt.
Wenn dieser hauptsächlich sein räuberisches Unwesen von hoher Warte der Bäume oder Felsen durch den Absprung ausübt, so beschränkt sich die charakteristische Jagd der Wildkatze im Wesentlichen auf das Beschleichen und Erhaschen der Beute mittelst Sprungs auf der Erde; nur ausnahmsweise raubt dies Thier lauernd in der Höhe von Baum und Fels.
Der Wildkatze natürliche Raubbefähigung erstreckt sich über ein großes Thierkontingent. Zwar ist ihre gewöhnliche Jagd auf die kleinen Säugethiere und Vögel gerichtet; allein sie vergreift sich nicht selten an jungen und alten Rehen und erbeutet unsere größeren Waldhühner mit Kraft und Geschick. Zum Glück der heimischen Thierwelt, insbesondere der Wildgehege entbehrt sie des feineren Witterungssinnes, in dessen Besitz ihr empfindliches Raubwesen sich zur wahren Verwüstung ausdehnen würde. Indessen ist ihr Vorkommen auch lange nicht so häufig, als das der schon geschilderten Raubsäuger; ihr Erscheinen ist vereinzelt.
Aus unserm Bilde der Wildkatze – nach welchem sie ein Volk kaum flugbarer Haselhühner bei der alten Henne beschleicht und eben den Raubsprung auszuführen sich anschickt – ergiebt sich das Wesentliche ihrer Raubart. Irgend eine Deckung weiß das lauernde oder dahinschleichende, sehr scharfsichtige und fein hörende Thier zu benutzen, um den geschmeidigen Körper, auf den natürlichen Socken ihrer Pfoten niedergeduckt und stetig fortschiebend, dem ausersehenen Opfer zu nähern. Dabei spricht die „Ruthe“ (Schwanz) in Schlangenwindungen, der Gesichtsausdruck in dem Feuer der Augen die Sprache der großen Erregung des Thieres, dessen Seelenspannung mit dem Bestreben nach Behutsamkeit und Vorsicht kämpft. Auf eine Entfernung von fünf und mehr Schritten weiß der sprungfertige Leib der Katze die flüchtigste Beute wohl zu erhaschen. Sind Fuchs, Wiesel und Marder sicher und wuchtig im Fassen mit dem scharfen Gebiß im dehnbaren Rachen, so ist dies die Wildkatze in noch erhöhterem Grade mit den ausgiebigsten Waffen der Krallen an ihren Tatzen. Diese „Fänge“ sind einziehbar in eine Scheide der Zehen und üben eine furchtbare Gewalt aus beim Einkrallen in den Körper der Beute, indem sie sich bei Befreiungsversuchen derselben nur um so fester einhaken.
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 636. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_636.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2022)