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Seite:Die Gartenlaube (1887) 683.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

uns in raschem Vorübergehen abwenden wollen, um dem Falkengeschlechte wieder um so anziehendere Charakterzüge abzulauschen.

Führen wir einen seiner Repräsentanten aus der Nähe, den gewandten, gefährlichen Feind der Vogelwelt, den Wanderfalken, vor. Unfähig einen Vogel im Sitz zu schlagen, richtet er sein Augenmerk beständig auf den Flug der befiederten Wesen. Und diesen hat er gründlich studirt und weiß ihn weidlich auszunützen, zu durchkreuzen, zu verwirren, zu überbieten. Verliert er die Geduld beim Lauern und wollen die Kleinvögel nicht aus dem Laubwerk der Bäume über Blößen stiegen, so versucht er das Aufscheuchen durch Umflattern, oder er faßt den freisitzenden balzenden Staar ins Auge, streicht tief und gedeckt von hinten heran erhebt sich unmittelbar in seiner Nähe über ihn und schlägt ihn im Augenblick der Flucht mit vorgestrecktem Fang. Wie ein Marmorbild unbeweglich sitzt er auf dem Malstein, dem Grenzblock, dem Hügel oder dem Baumstrunck; kein Wesen ahnt, was in seiner Räuberseele vorgeht. Aber die Zeit versteht er nach der Uhr in seinem Kopfe auszurechnen.


Lauernder Baumfalke.


Bald rückt der Meisenzug auf den Weidenbäumen am Flußufer herauf, schon verkünden die rüstigen Blaumeisen, die Vorzügler und Quartiermacher, die Ankunft der harmlos wandernden Gesellschaft. Dort ist die Baumreihe unterbrochen durch eine Blöße von 200 Schritt Länge. Der Falke kennt die ängstliche Verzagtheit des kleinen Völkchens, über das Freie hinaus zur jenseitigen Deckung zu eilen. Zögernd streben einige voran und kehren, von schlimmer Ahnung bestellen, in scharfer Wendung sogleich wieder um. Der Kopf des Räubers hat sich in spannender Fieberregung des heißblütigst Naturells gehoben, das Gefieder glättet sich, die Haltung wird eine vorgebeugte. eben eilt die kleine Schar über die Blöße. Entschluß und That werden eins in unmittelbarer Folge, mit gedecktem Anstrich ist der Schrecken plötzlich da mitten unter dem erschütterten, jedem Bergungsmittel zuflüchtenden Völkchen. Doch sogleich ist's wieder still, Alles wie todt, und eine geschlagene Meise im Fang, kehrt der Falke zurück hinter einen Hügel, mit der kleinen Beute kurzen Proceß machend.

Wieder sitzt der Lauernde auf seinem Beobachtungsstand. Da fällt in der Ferne ein Schuß. Wie es den Räuber durchbebt, wie das Auge Feuer sprüht! Rasch verändert er seinen Standort. Dicht an der Weidenallee des Flusses fußt er auf dem Pfosten einer Schleuse. Jetzt müssen sie jenseits daher gestrichen kommen, die Stockenten deren Gewohnheit er kennt, und die, vom Jäger aufgescheucht, an Lieblingsplätzen wieder einfallen wollen. Hinter den Weidenzweigen streicht er mit ihnen parallel bis zur Blöße; am letzten Baum hebt er sich über die Enten empor, um eine derselben in Hast zu schlagen; doch die Bedrohte macht in der Todesfurcht eine Schwenkung und stürzt sich ins Wasser, das hoch aufspritzt und den drängenden Falken netzt. Mit einem Federbündel des Rückentheils der Ente im abgleitenden Fang zieht der Ernüchterte ab.

Der flinkeste, rascheste und in der Ausführung von jähen Wendungen geschickteste Räuber ist der Baumfalk, der gerne in Gemeinschaft mit dem Ehegatten, so sogar selbst zur Herbstzeit im September, zu Zweien, den Raub ausführt, wiewohl es da habgierige Zänkereien absetzt, wodurch sogar das glückliche Entrinnen dem geraubten Vogel ermöglicht wird. Vor unserem Hühnerhunde stand eine Wachtel auf, die, von einem Baumfalken wahrgenommen, sich nach etwa 150 Schritte weitem Streichen plötzlich in einen Busch fallen ließ. Der Falk war bei ihrem Einfallen mit seinen Fängen dicht an ihr hergestreift. Die Wachtel stand zum zweiten Male vor dem Hunde auf und wurde abermals von dem wieder aus weiter Ferne plötzlich erscheinenden Falken verfolgt. Ein Schlag mit dem Fang warf sie zur Erde, und nun schwebte forschend der Räuber über dem Stoppelacker, wo er die Beute aus den Augen verloren hatte. Wir verscheuchten ihn und ließen den Hund nochmals vorgehen. Als wir die Wachtel eben mit der Hand decken wollten, erhob sie sich und wurde nun mehrere hundert Schritte von uns entfernt die Beute des dahersausenden Falken, der mit staunenswerther Eile die Luft durchschnitt und die Wachtel mit kräftigem Schlag niederwarf, sie auf dem Boden unter den Fang nehmend. Durch unser Hinzueilen verscheucht, ließ er die Wachtel fallen. Kaum aber war die Erwürgte auf den ohnlängst erst gemähten und mit jungem Nachwuchs spärlich bedeckten Klee-Acker niedergefallen, so erschien zu unserem Erstaunen ein Hühnerhabicht, der dicht neben dem Baumfalken herabrauschte und vor unseren Augen die Wachtel ganz verschlang.

Der vielseitige Räuber Hühnerhabicht verfolgt die Beute in die Fluchtstätte hinein, so weit er es vermag. Die Taube schlägt er nicht selten als eindringender Verfolger im Taubenschlage noch, indem er sie da blindwüthend überfällt, die Sperlinge, mögen sie auch wie todt ins Gebüsch sich niedersinken lasten, greift er mit dem Fang heraus. Wohl setzt auch er die volle Kraft und Geschicklichkeit beim ersten rauschenden Angriff ein, und zwar nicht selten so sah anstürmend, daß er im Dorngestrüpp sich selbst gefangen giebt oder an einem Gegenstande sich verletzt oder sogar tödtet. Das widerfährt auch seinem Vetter, dem kleineren Sperber, dessen Kühnheit und Verwegenheit ihn selbst auf Vögel in Käfigen vor und hinter den Fensterscheiben stoßen läßt. Wie mancher dieser frechem unbändigen Räuber ist schon in der Stube ergriffen worden, in welche er raubmörderisch nach einem Vogel seinen Stoß lenkte! Große List offenbaren Beide, Hühnerhabicht und Sperber, auf dem Plane ihrer Räubereien. Mit dick aufgeblasenem Gefieder sitzt der Habicht auf einem Baum oder einem Dach des Gehöftes anscheinend so ungefährlich und theilnahmlos, daß wir die Tauben ganz in seiner Nähe fußen und ruhen sahen. Wir staunten über die Zutraulichkeit und Harmlosigkeit der Tauben, die ihn doch sonst bei der entferntesten Annäherung mit Angst und Entsetzen fliehen. Es wollte uns auch nicht verständlich werden, warum der Räuber nicht zugriff. Da plötzlich schlägt er eine Taube, die ihm freilich so greifbar erschienen sein mußte, daß er diese Gelegenheit nicht vorübergehen ließ. Wir konnten nicht anders schließen, da wir öfters diese Beobachtung machten, daß die Sättigung durch reichliche Kröpfung und die behagliche Hingabe an das bei den Raubvögeln wichtige Geschäft der Verdauung und des Gewöllauswurfes Ursache des langen Zuwartens und der Zurückhaltung war. Bewunderungswerth ist auch bei diesem Räuber, wie beim Sperber, die regelmäßige Einkehr an gewissen Oertlichkeiten, welche oft in der Wiederholung auf die Minute zutrifft. Auf den Gehöften geht Alles seinen geregelten Tagesgang, und sehr bald prägt sich dem feinsinnigen Sperber jedes Merkmal in Ton und Erscheinung fest ein, welches Sperlinge, Finken, Goldammern und dergl. Vögel zu. gemeinschaftlichen Ausbeutung von Nahrungs- und Futterplätzen vereinigt. Eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit des Sperbers besteht in dem widerlich klingenden Gewimmer, wenn er einen größeren Vogel, eine Taube, einen Heher oder eine Dohle, geschlagen hat und mit ihm einem gedeckten Orte zustrebt. Auch haben wir dieses Wimmern beobachtet, wenn zwei Sperber vereinigt sind, von denen der eine einen Raub ausgeführt hat, und der andere, neidisch und lüstern geworden, in Tönen seine unangenehmen Empfindungen kund giebt.

Charakteristisch ist beim Hühnerhabicht die Hartnäckigkeit seiner Verfolgungen. Er läßt sich's nicht verdrießen, immer wiederzukehren, und wird nicht abgeschreckt durch Mißerfolge. Seine Beharrlichkeit führt ihn doch endlich zum Ziel und Sieg. Im

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 683. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_683.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)
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