Verschiedene: Die Gartenlaube (1887) | |
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benutzt, um Bäume, Büsche und Boden nach Nestern und unbehilflichen Vögelchen zu durchsuchen, ist der Heher den ganzen Tag über auf dem Wege der Auskundschaftung. Wach und scharfsinnig sind beide in hohem Grade; sie merken auf die verrätherischen Anzeichen und wissen aus dem Gebahren und den Tönen elterlicher Besorgniß der Paare Schlüsse zu ziehen auf den Stand der Bruten. Und wie schlau weiß die Elster den Nachstellungen zu entgehen, die ihr Leben bedrohen! Wie dreist und verwegen benimmt sie sich dagegen im Bewußtsein ihrer Sicherheit bei Räubereien! Eine Glücksstunde führte uns einst zur Begegnung einer Elster mit einem Eichhorn, welches gleich ihr lüstern auf den Raub der Eier eines Restes bedacht war. Mit
wetterndem Geschrei empfing die Elster das Eichhorn und brachte
dasselbe alsbald zum Zurückweichen, während sie von der Ausführung
ihres geplanten Raubes nicht abließ und denselben rasch
und derb ausführte. Steht ihr etwa der Heher im Raube nach?
Spielend gleichsam mit sich selbst wie das unschuldige Kind, vor sich
hinplaudernd und spottend über Andere mit nachgeahmten Tönen
und Rufen durchwandert er Bäume und Büsche. Aber verborgen
lauert der Mörder in ihm, und zur rechten Stunde wird der
Heimtückische zum offen auftretenden Verderber des in Sorglosigkeit
eingewiegten Vogellebens. Ja, wir können es als unbestreitbare
Thatsache aussprechen, daß er die brütenden Kleinvögel unbehelligt
läßt und an ihnen dicht vorübergeht und abwartet, bis die Jungen
ausgekrochen sind. Im Augenblicken, wo die Eltern das Nest zur
Herbeiholung von Futter oder zum Zwecke der Ausspannung verlassen
haben, fällt dann der Mörder über die appetitlichen Nacktvögelchen
her und verschlingt eins nach dem andern, der erfolglosen Angriffe
der hinzukommenden Beschützer oft nicht achtend.
Auch die gemeine Krähe ist in den Kreis unserer Behandlung zu ziehen, weil man ihrem unbedingten Schutze selbst von berufener Seite aus vielfach das Wort geredet hat, obschon sie denselben keineswegs verdient. Außerdem aber gehört sie zu den hervorragend wachen und verstandesbegabten Räubern. Ihre Vielseitigkeit ist noch lange nicht bekannt genug. Namentlich tritt in ihrem Thun und Treiben ein großes Verständniß für die Interessen der Gemeinschaft hervor, welches sich durch die Geselligkeitsneigung zu so hoher Ausbildung gestaltet hat. Das Krähenvolk einer ganzen Gemarkung steht oft in engem Wechselverkehr. Und die Gemeinschaft wiederum giebt das Bewußtsein der Stärke und die Siegeszuversicht, so daß beim Angriff das Kühnste und Verwegenste von der wild schreienden und mit Stoß und Hieb herabfahrenden Sippschaft unternommen wird.
Es ist keine Uebertreibung des Erfolgs, wenn behauptet wird, daß selbst der Wolf unter dem Massenangriff solcher Dränger die nach dem Walde zu schleppende schwere Beute sacken lassen muß. Wo wird ein angeschossener Hase in der Flur von Krähen entdeckt, ohne daß diese Alarm geben, um im Gefühle der Unzulänglichkeit ihrer Fähigkeit, die Beute zu bewältigen, die Genossen aus der Ferne herbeizurufen? Dagegen sehen wir in anderen Lagen die Krähe allein oder wenigstens abseits von Gefährten hochaufgerichtet die niedere Krescenz durchschreiten, spähend nach erdständigen Vogelnestern, deren Inhalt sogleich geplündert wird, bestehe er in Eiern oder Jungen, oder nach einem Satz kleiner Häschen, die in alter Stille durch Schnabelhiebe getödtet und verzehrt werden, wenn die Hasenmutterliebe sich nicht zur Vertheidigung aufwirft, in welchem Falle sofort das Schreisignal ausgegeben und wie der Ton des Eisenbahnhornes von Station zu Station weiter befördert wird. Dort
Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 698. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_698.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)