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Seite:Die Gartenlaube (1887) 760.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

In der That hatte Brigitta, als Malköhne soeben den letzten Abschied vor seiner Reise von ihr genommen, mit klarem Verstande eingesehen, daß Niemand für die momentane Sachlage geeigneter war, als Perser. Man brauchte nur einen Mann aus dem höheren Adelsstande und von tadellosen Umgangsformen, schöner Handschrift und gewandtem Stil, und wenn der Mann außerdem in der Hauptstadt noch ein Fremdling war, Nichts über die politischen Verhältnisse ausschwatzen konnte, die in der Heimath herrschten, so diente ihm dies nur um so mehr zur Empfehlung. Aus den alten Briefen Perser’s an Johanna wußte Brigitta, daß er für den schriftlichen Dienst vollkommen geeignet war; sein Charakter aber, den sie nicht kannte, kam hier überhaupt nicht in Betracht.

Perser wußte sich nach der Entfernung seines Besuchers vor Freude kaum zu lassen. Ein Lebensziel war allerdings nicht erreicht, aber er war von jeher darauf angewiesen, nur erträglich von Station zu Station zu kommen. Jetzt war wenigstens für einige Zeit gesorgt. Gern wäre er augenblicklich bei der Geheimräthin eingetreten; allein der Abend war zu weit vorgerückt; auch wollte er sich erst durch den angekündigten Besuch des Beamten volle Gewißheit verschaffen, daß die Sache nicht eine Täuschung war, ehe er der Geheimräthin seinen Dank darbrachte, daß sie in der Angelegenheit an ihn gedacht hatte.

Am nächsten Tage erschien der angekündigte Beamte. Die Besprechung betraf das Reisepauschale und die Diäten, worüber Perser nach Eintreffen des Telegramms sollte verfügen können. Daß dieses nicht ausbleiben werde, versicherte der Beamte. Perser sah die Stunde gekommen, in der es möglich war, der Geheimräthin einen Besuch abzustatten. Er zog die Klingel.




7.

Jetzt sah Perser die Geheimräthin zum ersten Male bei hellem Tageslichte, und während der Anblick der Züge, die sich ihm tief in die Seele geprägt hatten, ihm wohlthat, überraschte ihn zugleich ein neuer Ausdruck der Milde, der Freundlichkeit, deren er sich früher nicht zu erfreuen gehabt hatte. Man ist immer gewissermaßen Denjenigen dankbar, die man zu Dank verpflichtet hat: eine instinktive Andeutung der Psyche, daß die menschliche Bestimmung wäre, Andere zu beglücken. Als ob die Geheimräthin einer Entschuldigung bedürfte, daß sie einen Mann, der ihr so fremd war, in Amtsgeschäfte verwickelt hatte, äußerte sie, daß sie sich seiner Abkunft aus den Rheingegenden erinnert hätte.

„Sie haben zwar von Wiesbaden aus noch einen Weg nach Biebrich zurückzulegen; aber man fühlt dort überall, daß man am Rheine ist; Sie werden sich also in der Heimath wissen.“

Er sprach dagegen von seinen vielen in Paris nutzlos verlebten Jahren, und aus der Wehmuth, die ihn bei diesen Erinnerungen erfaßte, sprang er zum Ausdruck einer Hoffnung über, die ihn erst in der unmittelbarsten Gegenwart überkommen hätte. Seine Worte waren räthselhaft; seine Stimme zitterte, er wagte keine deutliche Bezeichnung; aber das feinere Gefühl einer Frau, wenn es auch nicht immer die volle Klarheit hat, ahnt in der Form eines unerklärlichen Unbehagens, daß eine Flamme lodert, deren wirkliches Aufleuchten sie nicht erblicken möchte; um davon abzulenken, fragte die Geheimräthin, ob Perser nicht seinen alten Freund Albert Glowerstone aufsuchen werde.

„Ich weiß nicht einmal, wo er jetzt haust,“ war die Antwort. „Eigentlich sollte uns der gemeinsame Verkehr unserer Jugend zu Freunden machen, wenn zwischen unseren Charakteren keine Gemeinsamkeit ist. Ich will dies nicht einmal erproben; ich sehne mich nach nichts mehr, als wieder hierher zurückzukehren, und es giebt nur einen einzigen Gegenstand, der mich in Wiesbaden interessiren wird: die Gräfin Surville.“

„Sie kennen die Gräfin?“ sagte Brigitta überrascht; „ja, wenn ich nicht irre, hat sie eine Beziehung zu Ihrer Jünglingszeit. Aber haben Sie die Gräfin seitdem wiedergesehen?“

Perser erzählte, auf welche Weise er sie aufgesucht und wie er von der Geschicklichkeit überrascht war, von dem Takte, womit sie der ersten Wiederbegegnung jeden Anschein von Verlegenheit entzog.

„Die Gräfin ist für mich eine höchst anziehende Erscheinung,“ erwiederte Brigitta; „nach Allem, was ich von ihr gehört und obgleich ich sie nur aus der Ferne gesehen habe. Sie muß eine von den seltenen Personen sein, die, begünstigt durch äußere Lebenslage, nicht nur über allem unedlen, auch über allem gewöhnlichen Treiben der Welt, das uns Andern so wichtig erscheint, gleichmüthig dahinschweben, als ob es so tief unter ihnen läge, daß sie unmöglich einen Blick dafür haben können.“

Perser war entzückt von dieser Bemerkung und verfiel wieder in die Wärme, die Brigitta mit einem leisen Zusammenziehen ihrer dunklen Brauen und mit dem Ausdrucke eines heimlichen Unbehagens erwiederte.

Abermals suchte sie abzulenken:

„Albert Glowerstone wohnt nicht weit von Mainz, so viel ich weiß, und schon um sich zu überzeugen, ob die Tochter schön ist – Sie sagten mir ja, wie ich glaube, daß er Vater einer Tochter – um diese zu sehen, müßten Sie ihn besuchen.“

„Das wäre überflüssig,“ sagte Perser arglos; „die Tochter Glowerstone’s habe ich bei der Gräfin Surville gesehen, wo sie sich längere Zeit aufgehalten; sie ist erst vor einigen Tagen mit der Gräfin zugleich abgereist.“

Die Geheimräthin, die den Kopf von dem Sprechenden, so lange er sich in Reden erging, die ihr nicht lieb waren, halb abgewendet hatte, sah ihm jetzt plötzlich voll und ganz ins Gesicht. Die Rosenfarbe ihrer Wangen war verschwunden; ihr Blick war fast starr, und einige Sekunden verharrte sie schweigend. Es schien, als könnte sie ihren heftig fliegenden Athem nicht sogleich zu den Worten bringen:

„Sie haben die Tochter Albert Glowerstone’s hier gesehen? Hier, und in diesem Monat?“

„Ein auffallend schönes Mädchen,“ fuhr Perser fort, „so schön, daß ich, obgleich ich an ganz andere Dinge zu denken hatte, einige Augenblicke regungslos stand, bevor ich mich vor Miß Edith auch nur verbeugen konnte.“

„Miß Edith, sagen Sie,“ stammelte Brigitta mehr als sie sprach, „Miß Edith, habe ich recht verstanden, wer führt diesen Namen?“

„Die Tochter Albert Glowerstone’s,“ wiederholte Perser, ein wenig erstaunt.

Brigitta sammelte ihre Kräfte, um dem Fremden gegenüber die gebührende Haltung der Salondame nicht aufgeben zu müssen. Doch war sie zerstreut, hielt ihre Lippen auf einander gepreßt und verstand offenbar nicht Alles, was Perser noch vorbrachte. Er fühlte, daß er sich verabschieden mußte, und er that es mit gedrückter Seele, weil die Milde, die Freundlichkeit, die ihn am Anfange der Unterredung entzückt hatten, völlig verschwunden waren.

(Fortsetzung folgt.)




Vom Nordpol bis zum Aequator.

Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm.
Land und Leute zwischen den Stromschnellen des Nil.
(Fortsetzung.)

Die Nubier oder, wie sie sich selbst nennen, die Barabra, sind mittelgroße, schlanke, ebenmäßig gebaute Leute, mit verhältnißmäßig kleinen, wohlgebildeten Händen und Füßen, meist angenehmen Gesichtern, denen die mandelförmigen Augen, die hohe, gerade oder gebogene, nur an den Flügeln etwas verbreiterte Nase, der schmale Mund, die fleischigen Lippen, die gewölbte Stirn und das längliche Kinn ein ansprechendes Gepräge aufdrücken, feinen leicht gekräuselten, aber nicht wolligen Haaren und verschiedener, vom Erzbraun bis ins Dunkelbraune spielender Hautfärbung. Sie halten sich gut, gehen leicht, gleichsam schwebend, bewegen sich auch sonst gewandt und anmuthig, unterscheiden sich daher sehr zu ihrem Vortheile von den Negern der oberen Nilländer, selbst von den Fungis des Ostsudan. Die Männer scheren ihr Haupthaar entweder gänzlich oder bis auf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 760. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_760.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2023)
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