Verschiedene: Die Gartenlaube (1888) | |
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Alle Rechte vorbehalten.
Lothar trat mit seiner Schwester ein. Claudine hatte ihn am Hofe nur in seiner Rittmeisteruniform gesehen – glänzend und sieghaft „wie ein Kriegsgott!“ hatten sich die anderen Hofdamen immer zugeflüstert. Heute war er im schlichten, grauen Civilanzug, und sie mußte sich, wie schon vorhin unter den Linden, gestehen, daß es nicht „zumeist“ der bestechende Glanz der Soldatenerscheinung gewesen war, der ihn, selbst neben dem ritterlich schönen, imposanten Herzog, zu der auffallendsten Männergestalt am Hofe gemacht hatte.
Sie verließ das Fenster und wollte sprechen; aber er hob lächelnd die Hand. „Es bedarf keines Wortes weiter,“ beeilte er sich zu sagen. „Beate theilte mir bereits mit, daß Ihr romantisches Eulenhaus seine Schätze herausgegeben habe – die uralte Habe eines Klosters! Wie interessant! – Jedenfalls sind es die Geisterhände der Nonnen selbst gewesen, die das Mauerwerk gelockert haben, wohl weil endlich ‚die Rechte‘ gekommen ist.“
Claudine sah unwillkürlich nach den dunkelbärtigen Lippen, die so liebenswürdig zu sprechen wußten. – Das war nicht mehr der Mann, der an der Seite der Prinzessin nie ein freundliches Wort verwandtschaftlicher Annäherung für sie gehabt, dessen verfinsterter Blick die neue Hofdame immer nur verstohlen, in schlecht verhehltem Verdruß gestreift hatte.
Beate schob sie ohne Weiteres an den Kaffeetisch zurück. „Geh’, thue nicht gar so feierlich, Claudine! Wir sind nicht bei Hofe!“ sagte sie. „Setze Dich! Deine ‚Aschenbrödelfüßchen‘, ‚das Pensionswunder‘ – weißt Du noch? – werden sich wohl gewundert haben, daß ihnen ein solcher Marsch zugemuthet worden ist.“
Die junge Dame suchte erröthend schleunigst ihren Platz wieder auf, und Beate setzte sich zu ihr, während Baron Lothar, die Hände auf die nächste Stuhllehne gestützt, ihnen gegenüber stehen blieb.
„Allerdings ein langer Weg durch den tiefen Wald,“ pflichtete er seiner Schwester bei, – „ein Weg, den eine Dame allein doch nicht wagen sollte! Fürchten Sie nicht, daß Ihnen die – Rohheit begegnen könnte?“
„Ich habe keine Furcht. Im Walde bin ich früher stets zu Hause gewesen wie in unserer Kinderstube. Ich habe weit eher die Zuversicht, daß er mich beschützt wie ein alter Freund.“
„Ja, solch ein Waldläufer durch Dick und Dünn und Nacht und Nebel bin ich auch!“ lachte Beate. „Wir
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_053.jpg&oldid=- (Version vom 29.9.2020)