Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1888) 059.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Jako’s Erziehung und Unterricht.
Von Dr. Karl Ruß.

Treten wir in eine Häuslichkeit, in welcher Kinder gellend schreien und sich nicht beruhigen lassen wollen oder in der Hunde uns entgegen bellen und immerfort kläffen, so empfangen wir keinen angenehmen Eindruck. Ungezogen sind die Einen, schlecht erzogen die Anderen. Auch das Thier kann, gleich dem Menschen, nur dann ein guter Genosse sein, wenn ihm eine sorgfältige oder mindestens eine angemessene Erziehung zu Theil geworden.

In dieser Wahrheit liegt die Erklärung, weßhalb wir so viele widerwartige Köter unter den Hunden, falsche und boshafte Katzen, störrische Pferde, unliebenswürdige Papageien vor uns sehen. Wer nicht selber wohl erzogen ist, kann auch keinen Andern gut erziehen; dieser Ausspruch gilt auch den Hausthieren gegenüber. Alle Untugenden, welche ein solches Thier hat, bilden nur das Spiegelbild der eigenen Fehler und Schwächen des Menschen.

Von Natur zeigt sich der Vogel in jenem wundersam anmuthenden Wesen, welches wir mit dem Worte harmlos bezeichnen. Dies finden wir bewahrheitet noch heut zu Tage und in unserer Nähe, z. B. an den gefiederten Gästen, welche zur Winterzeit aus dem hohen Norden bei uns einkehren, den Seidenschwänzen u. a. Sie bleiben dicht vor uns sitzen und blicken dem Schützen ahnungslos in das Tod und Verderben sprühende Rohr. Bald aber haben sie den Menschen in seiner Furchtbarkeit kennen gelernt und dann sind sie scheu und verschlagen geworden, wie leider die meisten Vögel unserer heimischen Fluren.

So hat der Verkehr des Menschen mit den Thieren auf diese überall eingewirkt – und sein Einfluß insbesondere auf die Entwickelung des einzelnen Thieres ist ein um so größerer, je geistig höher dasselbe steht, je näher es also ihm selber verwandt ist.

Wenn ein begabter Künstler eine Reihe inniger Beziehungen zwischen dem Menschen- und Thierleben uns vor Augen führt, wenn er Thiere in menschlichen Gestalten oder umgekehrt Menschen sinnbildlich als Thiere dargestellt hat, so weiß der verständnißvolle Blick auch hier aus dem Scherz wohl gar ernste Lebenswahrheiten zu entnehmen; denn eben im Guten und Bösen, in Freude und Leid, in Scherz und Ernst giebt es Uebereinstimmungen zwischen der Menschen- und Thierwelt.

Ganz eben so, wie sprichwörtlich Pudel, Mops, Windhund, Katze u. a. m. in der äußeren Erscheinung und selbst im innern Wesen ihre Herren verbildlichen können, so ist dies entschieden auch beim Papagei der Fall; nur kommt es bei ihm mildernd und entschuldigend in Betracht, daß ein derartiger Tropenbewohner selbst einem gebildeten Publikum nach allen seinen Eigenthümlichkeiten hin noch keineswegs bekannt genug ist. Lediglich von dem Gesichtspunkte aus, daß Niemand nach seinem Vogel – ich meine hier nur den Papagei – falsch beurtheilt werden möge, will ich es mir angelegen sein lassen, Anleitung zur rechten Erziehung eines gefiederten Sprechers zu geben.

Kommt ein solcher Vogel nach der Reise vom Händler her dem Käufer unbeschreiblich wild, unbändig und mit unerträglichem Geschrei entgegen, so könnte er ihm die Liebhaberei in der That ein- für allemal verleiden, und doch vermögen wir dasselbe unausstehliche Geschöpf in überraschend kurzer Frist in einen liebenswürdigen Gesellschafter zu verwandeln, der uns Vergnügen in hohem Maße gewähren und bedingungsweise sogar unser Freund werden kann.

Vor allem gilt es, ihn zu beruhigen und dann zu zähmen. Der Weg zum ersteren Ziel ist mühelos; man überläßt den Papagei zunächst ganz sich selber und vermeidet es nur sorgsam, ihn zu erschrecken oder zu ängstigen. Er bemerkt bald, daß keinerlei Gefahr für sein Leben vorhanden sei, und mit dem Gefühl der Sicherheit gewinnt er auch die Ruhe, um alles rings umher aufwerksam zu beobachten. Bei immer gleichmäßig ruhigem und freundlichem Begegnen erkennt er in dem bis dahin so sehr gefürchteten Menschen nunmehr seinen Wohlthäter, und dann schließt er sich ihm mit voller Hingebung an; Leckereien, wie Nüsse, süße Mandeln u. a. führen rasch zur innigen Befreundung und zum Zahmwerden. Bekannte Kunstgriffe, um diesen Zweck zu erreichen, sind noch, daß man seinen Käfig keinenfalls höher als das menschliche Auge und dann auch so stelle, daß der Pfleger sich zwischen dem Vogel und dem Licht befinde, sowie daß man jedes seiner Bedürfnisse selber befriedige, ihm also stets persönlich das Futter, Wasser u. dergl. reiche. Allerdings giebt es einzelne hartnäckige Naturen, welche freiwillig durchaus nicht zahm werden wollen und deren Trotz also durch Zwangsmittel gebrochen werden muß. Aber in Anbetracht dessen, daß solch ein Vogel für jede wirkliche oder vermutliche Mißhandlung ein erstaunlich treues Gedächtniß hat und es z. B. selbst nach Jahren noch dem nachträgt, der ihn einst mit Gewalt aus dem Versandkäfig hervorgeholt hat, sollte jeder derartige Zwang wie auch jede Bestrafung nur in negativen Maßregeln, wie Hunger, Durst, Verdunkelung, niemals aber in positiven, wie Schläge und dergleichen bestehen.

Jetzt beginnt der eigentliche Unterricht und dieser muß mit großer Umsicht ausgeführt werden. Am besten früh Morgens und Abends in der Dämmerung; nachdem man den Vogel ruhig und liebevoll, ohne ihn zu erschrecken, ermuntert hat, sagt man ihm zunächst ein Wort und zwar immer nur dasselbe, genau in gleicher Betonung, klar und deutlich ausgesprochen vor. Worte mit vollem Vokal a oder o und scharfen Konsonanten k, r, t, bei Vermeidung von sch und z lernt er vorzugsweise leicht; so bei den Vogelhändlern gewöhnlich Lora, Hurrah, Jako etc. Sobald er nur ein solches Wort klar und sicher nachspricht, hat man den Beweis, daß der Vogel zur Abrichtung tauglich ist.

Mit dem zweiten, dritten und den folgenden Worten geht es dann ungleich rascher von Statten. Man hat nur die Vorsicht zu beachten, daß man niemals ein neues Wort folgen läßt, bevor er das vorhergegangene gut und sicher aussprechen kann. Bald beginnt man auch mit kurzen Sätzen, denen dann allmählich längere Redensarten folgen. Wenn der Jako übt, so soll man nicht nachhelfen, indem man in das Wort, bei welchem er stockt, einfällt; das giebt eine fehlerhafte Aussprache. Unter sorgsamer Beachtung dessen, sage man vielmehr jedesmal den ganzen Satz, beziehentlich das Wort von neuem vor.

Freilich ergiebt sich die Begabung als außerordentlich verschiedenartig und zwar sogar bei den einzelnen Papageien von ein und derselben Art. Ein Graupapagei, und gleicher Weise eine Amazone, lernt rasch jedes vorgesprochene Wort, vergißt jedoch über dem neuen stets bald wieder das vorige; ein anderer lernt schwieriger, behält dann aber auch für immer; ein dritter lernt gut und behält gut; ein vierter lernt überhaupt garnichts; ein fünfter lernt wohl, jedoch nichts deutlich auszusprechen; ein sechster nimmt die menschliche Sprache nicht an, ahmt dagegen alle möglichen anderen Laute nach, wie Hundegebell, Hahnenschrei, Thürknarren u. a.; ein siebenter hat auch keinen Sinn für menschliche Worte, doch vermag er eine, ja selbst drei bis vier Liedermelodien tadellos nachzuflöten. Große Schwierigkeit, natürlich aber auch ein hoher Reiz für den Liebhaber liegt in der Mannigfaltigkeit dieser Begabung, und ein Haupterforderniß für das Gelingen der Abrichtung ist es erklärlicher Weise, daß man vor allem die betreffende Veranlagung des Vogels zu ermitteln suche und ihr entsprechend den Unterricht gestalte. Erklärlicher Weise stuft sich auch der Werth der einzelnen Vögel je

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_059.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2016)
OSZAR »