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Seite:Die Gartenlaube (1888) 060.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)


nach ihrer Begabung bedeutsam ab; um dies aber ermessen zu können, bedarf es bereits recht gründlicher Kenntnisse und Erfahrungen.

Wenden wir uns nun dem Unterricht wieder zu, so muß ich bitten, Folgendes als vorzugsweise wichtig zu beachten. Von vornherein strebe man mit größter Sorgfalt danach, daß der Papagei dabei an Zeit, Ort, Persönlichkeiten, Dinge und Vorgänge immer bestimmte Vorstellungen knüpfe. Die meisten sprachbegabten Papageien, namentlich die großen kurzschwänzigen und auch manche langschwänzige Arten begreifen dies leicht und behalten dergleichen mit unglaublicher Sicherheit im Gedächtnis. Ein solcher sachgemäß abgerichteter Vogel wird niemals die Namen von Personen verwechseln, die er einmal kennt und deren Eigentümlichkeiten er sich eingeprägt hat; er darf niemals anders als früh „guten Morgen“, spät „guten Abend“ sagen, beim Anklopfen „herein“, beim Fortgehen „lebe wohl“; er weiß alle Gegenstände, die ihm behagen, genau zu unterscheiden, und wenn er eine Leckerei fordert, die man ihm vorenthält, weil sie ihm schädlich sein kann, während man ihm eine andere zum Ersatz bietet, so wirft er die letztere voller Entrüstung fort, selbst wenn sie ihm sonst ganz angenehm sein würde, so z. B. ein Stückchen Obst anstatt eines Knochens mit Fleisch zum Benagen.

Ein Papagei, der ein oder wenige Worte spricht, ist erklärlicher Weise gleich weit werthvoller und mit jedem einzelnen Wort, welches er hinzulernt, oder gar mit jeder Redensart steigt sein Preis außerordentlich, so daß ein solcher Vogel, der beim Einkauf 15, 20, 30 bis 40 Mark kostete, dann bald für 30, 50, 100, ja 300 Mark und darüber verkauft werden kann. Wer also mit der sachgemäßen Abrichtung sprachbegabter Papageien sich beschäftigt, kann darin einen reichen Ertrag gewinnen. Dazu gehören aber ganz besondere Erfordernisse, und zwar vor allem eine möglichst gründliche Kenntniß der verschiedenen Papageienarten, welche zum Sprechenlernen fähig sind, sodann ein liebevolles Herz für diese Vögel; denn wenn man den gefiederten Schüler nicht mit größter Sorgfalt, Geduld und Liebe behandelt, so wird man keinen willigen, lernbegierigen Schüler an ihm vor sich haben. Schließlich hat die Erfahrung auch gelehrt, daß ein Papagei nur dann bald und gut sprechen lerne, wenn der Lehrmeister eine klangvolle Stimme hat; daher sind Frauen in solcher Unterrichtung meistens vorzugsweise glücklich.[1]

Der hochbegabte Vogel entwickelt im Umgang mit dem Menschen, welcher ihn einsichtsvoll und verständig behandelt, eine erstaunliche Klugheit. Wenn nun zu dem Papagei Jemand geführt wird, der das Wesen eines solchen Thieres gar nicht kennt, auch keine Einsicht in die obwaltenden Verhältnisse hat, so ist es wohl erklärlich, daß derselbe entweder glaubt, ein Wesen vor sich zu haben, welches ihm gleich stehe, sein Freund und Genosse sein, mit ihm denken und fühlen, leiden und sich freuen könne, oder daß er trotz alledem, die Achseln zuckend, ein absprechendes Urtheil fällt und meint, dies Alles sei doch nur eingelerntes, mechanisches Nachplappern.

Ja, Wunder sehen wir eben nur durch unsere Brille, die unserer Sentimentalität oder unseres guten Glaubens – und im schroffen Gegensatz dazu urtheilt auch die sogenannte strenge Wissenschaft nur zu häufig falsch, eben weil ihr hier der Boden des tatsächlichen Wissens durchaus fehlt. Gerade den hochorganisirten Thieren gegenüber hat unsre Kenntniß noch so viele Lücken, daß wahrscheinlich viele Menschenalter dazu gehören werden, um dieselben sach- und wahrheitsgemäß auszufüllen.

Uebrigens gilt alles Gesagte nicht vom Jako oder Graupapagei allein, sondern auch von allen Papageien überhaupt, aus deren Reihen wir bis jetzt gefiederte Sprecher vor uns haben. Die Amazonenpapageien oder Kurzflügel stehen wenigstens in den großen Arten der eigentlichen oder gemeinen Amazone, dem sogenannten doppelten Gelbkopf, dem Gelbnacken, der Surinamamazone, der Mülleramazone u. a. dem Graupapagei mehr oder minder gleich und auch einige der kleineren Amazonen, so der kleine Gelbkopf, sind manchmal reichbegabt. Dann folgen die Edelpapageien, unter denen es gleichfalls einzelne hervorragende Sprecher giebt; weiter die Kakadus und die Araras, von denen auch manche hochgerühmt werden. Diesen Kurzschwänzen reiht sich dann als ebenbürtig auch ein Geschlecht der Langschwänze an und zwar eine Gruppe der Edelsittiche, die sogenannten Alexandersittiche.

Auch die farbenprächtigen Loris oder Pinselzüngler lernen zum Theil recht niedlich plappern, ferner die gleichfalls sehr bunten Plattschweifsittiche, von denen manche gleichfalls einige Worte nachsprechen können. Unter allen zahlreichen übrigen, den Langflügelpapageien, Keilschwänzen, Dickschnäbeln, Schmalschnäbeln u. A. haben wir keine namhaften Sprecher mehr vor uns; sie lernen sämmtlich nur ein oder einige Worte mechanisch nachplappern. Nur wenige Papageiengeschlechter giebt es aber, deren Angehörige bis jetzt noch gar keine Sprachbegabung gezeigt haben, so z. B. die allbeliebten, fast durchgängig leicht züchtbaren Zwergpapageien und die niedlichen, komischen Fledermauspapageien. Ueber kurz oder lang aber wird man sicherlich auch bei ihnen diese schöne Naturgabe entdecken. Das ist meine feste Ueberzeugung; denn wir haben ja einen der allerkleinsten lebend eingeführten Papageien, den allbekannten Wellensittich, bereits in mehreren Fällen als menschliche Worte allerliebst nachplaudernden Sprecher vor uns.




Das neue Hofburgtheater in Wien.

Nach zwölfjähriger Bauzeit ist das neue Wiener Hofburgtheater der beengenden Hülle hölzerner Gerüste prangend entstiegen. Eine kürze Spanne Zeit noch, und die Pforten des prächtigen Palastes werden sich öffnen, und man darf voraussehen, wie sich der Menschenstrom „nach unsrer Bude“ drängt

„Und mit gewaltig wiederholten Wehen
Sich durch die enge Gnadenpforte zwängt,
Bei heilem Tage, schon vor Vieren,
Mit Stößen sich bis an die Kasse ficht“ ...

Es wird ein echter und rechter Festtag werden, die Einweihung der herrlichen Heimstätte, welche am Donau-Ufer der dramatischen Kunst bereitet wurde. Von einer Saison zur andern ist diese Einweihung verschoben worden, nun aber ist sie in endgültiger Weise nahegerückt; das Aeußere des Hauses präsentirt sich in der ganzen Fülle seiner reichen Schönheit, und im Innern wird so emsig, so unablässig geschafft und gearbeitet, daß man beobachten kann, wie der schöne Künstlertraum mit weitausgreifenden Schritten seiner Vollendung entgegengeht.

Jeder Unparteiische muß seit Langem bekennen, daß das alte Burgtheater nicht mehr ausreiche, den Anforderungen eines verfeinerten Geschmackes nicht mehr entspreche, in Dingen der Bequemlichkeit und Behaglichkeit weit hinter dem zurückstehe, was heut zu Tage das Publikum zu verlangen gewöhnt ist. In dem neuen Hause wird all das sich zusammenfinden, was dem alten gefehlt hat: Luft, Licht, Komfort, stilgemäße Ausstattung, moderne Scenirung, ein Zuschauerraum, welcher Einem ermöglicht, zu sehen und gesehen zu werden – ein Rahmen, entsprechend dem kostbaren Gemälde, das er umschließen soll. Das Alles weiß man, und die Wiener blicken mit Stolz auf das Bauwerk, welches den Musen geweiht ist, und doch ... und doch überkommt es eine ganze Generation wehmütig bei dem Gedanken, daß das traute, halbdunkle, enge und winklige alte Burgtheater seiner bisherigen Aufgabe entzogen werden und daß Stücke und Darsteller und Publikum hinüberwandern sollen in das prunkvolle Haus am Franzensring. Das alte Theater hatte sich einen europäische Ruf erworben; dort waren die gefeierten Lieblinge emporgestiegen: Karl Fichtner, Ludwig Löwe, Heinrich Anschütz, Friedrich Beckmann, Josef Wagner, Julie Rettich, die längst Dahingegangenen; dort erblühten auch Neuere, die noch heute wirken: Adolf Sonnenthal, Josef Lewinsky, Charlotte Wolter und noch Andere, mit denen wir in dem kleinen Saale der „Burg“ – so kürzen die Wiener sich das „Burgtheater“ ab – in einen Verkehr von seltener Innigkeit getreten sind. Dort lenkt nichts das Auge von den Vorgängen auf der Bühne ab, man kommt ohne Nebenabsichten, nur des von den Schauspielern Gebotenen wegen. In einem Briefe aus Wien vom Jahre 1833 schildert Willibald

  1. Nähere Auskunft über alle diese Verhältnisse und Anleitung zur Abrichtung habe ich in meinem Buch „Die sprechenden Papageien“ gegeben. Dort finden die Leser auch eine ausführliche Beschreibung der vielfach benutzten Papageienständer, von denen ein sehr praktischer, der sogenannte verstellbare Papageienständer, am Anfang dieses Artikels abgebildet ist.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_060.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2016)
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