Verschiedene: Die Gartenlaube (1888) | |
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Das herzogliche Haus besaß verschiedene Schlösser innerhalb des Landes, schöne, alterthümliche Schlösser mit herrlichen Gärten und großartigen Parkanlagen; aber sie lagen meist in der Nähe von Städten oder auf dem flachen Lande, wo die äußersten Parkwege auf weite Ackerflächen mündeten und der Wald so fern begann, daß er nur wie ein dunkler Pinselstrich den Horizont säumte. Die Vorfahren hatten die sonnige Ebene geliebt und den dunkelschattigen Bergwald gemieden bei ihren
Bauschöpfungen, und wenn die meisten auch passionirte Jäger gewesen und um der Birsch willen oft wochenlang in den Forsten
verblieben waren, so hatten doch einige da und dort verstreute, sehr primitive kleine Jagdhäuser für Nachtquartier und ein einfach zubereitetes warmes Essen vollkommen genügt.
Da war nun freilich der Altensteiner Geroldshof mit seiner Waldnähe und kräftigen Bergluft eine kostbare Acquisition des Herzogs, der man im Lande allgemein zustimmte. Für die drei jungen, zarten Prinzen, die Söhnchen des Regierenden, und die äußerst schwache Gesundheit seiner Gemahlin war ein solch stärkender Aufenthalt im heißen Sommer nur zu wünschen, und deshalb begriff man auch vollkommen den Feuereifer, mit welchem der Geroldshof zur Aufnahme seiner fürstlichen Bewohner hergerichtet wurde. Die junge Herzogin selbst trieb mit leidenschaftlicher Heftigkeit zur Eile; kein Bad, kein Klimawechsel hatten ihre sinkende Kraft neu zu beleben vermocht; nun erhoffte sie alles von dem Aufenthalt im Walde. Deshalb wurden auch auf Befehl des Herzogs sämmtliche Baulichkeiten nur äußerlich aufgefrischt; kein Mauerstein durfte verrückt, keine Gartenanlage verändert werden, und als man Seiner Hoheit einen Entwurf zu einem stilvollen Brunnenbecken an Stelle des zwar schön gearbeiteten, aber doch zu „dorfmäßigen“ Steintroges im Hofe vorgelegt, da hatte er ihn stirnrunzelnd verworfen und streng befohlen, daß der Brunnen bleibe wie er sei. Geradezu erzürnt aber war er gewesen, als er erfahren hatte, daß man das Goldregen- und Syringengesträuch in den Hofwinkeln mit Stumpf und Stiel ausgerissen habe, um für die verdüsterten Zimmer der Hofdamen mehr Licht zu schaffen, und scheele Gesichter gab es unter den Hofbediensteten auch genug, als der Herzog den alten Friedrich Kern, der zuletzt Kutscher, Gärtner und Lakai in einer Person
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_085.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)