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Seite:Die Gartenlaube (1888) 267.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Fürwahr, höchste Gunst war dem Kaiser und seiner Gemahlin in fünfzigjähriger Ehe zu Theil geworden, auf dem Thron wie in der Familie. In der letzteren stieg dieselbe aber noch höher, als des Kaisers ältester Enkel, Prinz Wilhelm von Preußen, sich am 27. Februar 1881 mit Prinzessin Auguste Viktoria, der anmuthigen und liebenswürdigen Tochter des verstorbenen Herzogs Friedrich zu Schleswig-Holstein, des einstigen Thronprätendenten dieser Herzogtümer, vermählte und diesem Bunde im Verlauf der folgenden Jahre eine Schar blühender Kinder entsproß, so daß Wilhelm I. schon am 6. Mai 1882 den ältesten Urenkel des direkten Mannesstammes, den nach seinem Urgroßvater genannten jüngsten Prinzen Wilhelm, in die Arme schließen konnte.

In die Reihe schöner Familienfeste schob sich am 2. oder vielmehr, da der Kaiser aus Pietät für seinen verstorbenen Bruder diesen Tag nicht feiern wollte, am 3. Januar 1886 das fünfundzwanzigjährige Regierungsjubiläum Wilhelms I. als König von Preußen, welches jedoch schon deshalb gerade hier von uns mit genannt wird, weil es sich im Grunde auch als ein „Familienfest“ erwies, nur daß an die Stelle der engeren Familie diesmal das ganze Volk trat, welches den ehrwürdigen Herrscher wie einen Vater liebte und verehrte.

Am Geburtstage Kaiser Wilhelms.
Originalzeichnung von H. Lüders.

Zahlreiche deutsche Fürstlichkeiten waren wiederum zur Theilnahme an der Feier erschienen, welche wesentlich einen kirchlichen Charakter trug. Nach dem Tedeum fand große Kour im Weißen Saale des königlichen Schlosses statt. Ergreifend und erhebend war der Augenblick, als an der Spitze des diplomatischen Korps Fürst Bismarck herantrat, um gleich den übrigen Würdenträgern seinem kaiserlichen Herrn die ehrfurchtsvollsten Glückwünsche darzubringen.

Im Jahre vorher, am 1. April 1885, war die Reihe des Glückwünschens am Kaiser gewesen. Zum siebzigsten Geburtstage seines Kanzlers war er persönlich an der Spitze sämmtlicher Glieder des Kaiserhause erschienen und hatte als gemeinsames Geschenk des letzteren dem Fürsten eine Wiederholung der bildlichen Darstellung der Kaiserproklamation von Anton v. Werners Hand in köstlicher Umrahmung gewidmet. Es galt ja, den Minister zu ehren, welchem der Kaiser auf ein wiederholtes Abschiedsgesuch einst erklärt hatte, sich „niemals“ von ihm trennen zu wollen.

Als nun heute dieser Mann an den Thron herantrat, streckte der Kaiser dem Fürsten die Hand entgegen; letzterer beugte sich nieder, um die Hand des greisen Monarchen zu küssen. Da aber breitete Kaiser Wilhelm bewegt die Arme aus, zog den Reichkanzler an seine Brust und küßte ihn auf die Wange.

Keiner von allen Treuen hatte den Dank seines Kaisers und Königs aber auch mehr verdient als Bismarck. Seit einem Vierteljahrhundert ungefähr hatte er sich schon dem Dienste des Königs und Staates geweiht, die nicht zum geringsten Theil seinem genialen Rath und seiner staatsmännischen Leitung die Höhe verdankten, aus welcher beide zur Zeit standen.

Niemand wußte das besser als Wilhelm I. selbst. Viele sprechende Belege sind uns hierfür aufbewahrt; als sprechendster unserer Ansicht nach aber folgender. Bei der Enthüllung des herrlichen Denkmals der neu errungenen Größe des Reiches auf dem Niederwalde hatte Fürst Bismarck gefehlt. Ob er auch diesmal seines Gesundheitszustandes wegen fern blieb? Ob er seinem kaiserlichen Herrn allein die Ehren des Tages überlassen wollte? Wir wissen es nicht. Das aber wissen wir, daß der Kaiser dem Reichskanzler zum nächsten Weihnachtsfeste nach der Enthüllung einen vortrefflichen Bronzeabguß des Niederwalddenkmals schenkte, welches nachmals im Rauchzimmer zu Friedrichsruh Ausstellung fand, und diese Gabe mit folgenden eigenhändig niedergeschriebenen Worten begleitete:

„Zu Weihnacht 1883. Der Schlußstein Ihrer Politik; eine Feier die hauptsächlich Ihnen galt und der Sie leider nicht beiwohnen konnten.“

Wenn es noch eines Zeugnisses für die edle Charaktergröße Kaiser Wilhelms, noch eines Beweises für die Natur des in der Geschichte nicht wiederkehrenden Verhältnisses zwischen Herrscher und Minister bedurfte, so ist derselbe in diesen einfach rührenden, das Verdienst für alle Errungenschaften bescheiden dem anderen Theile zuweisenden Worten gegeben!

Allgemach, mit den immer höher vorschreitenden Jahren wurde es einsam um den Monarchen. Dahingegangen waren die meisten der berühmten Feldherren und Männer, die ihm bei den großen Ereignissen während seiner Regierungszeit helfend zur Seite gestanden. Und nun sollte nach Anzeichen, welche schon während des Winters zu 1887 mahnend auftraten und im Laufe des Jahres immer ernstere Gestalt annahmen, selbst das Leben des einzigen herrlichen Sohnes, des damaligen Kronprinzen, des Siegers von Königgrätz und Wörth, der als zweiter Kaiser des neuen Reichs das Werk des Vaters schützen und bewahren und immer vollkommener ausgestalten sollte – durch ein schleichendes Leiden bedroht sein!

Dieser Kummer bedrückte das Herz des Kaisers, der gleich seinem heldenmüthigen Sohne seine Hoffnung in erster Linie auf die rettende Hand einer höheren Macht setzte, deren Eingreifen von ihnen schon so oft im Leben des Kaisers erkannt worden war. Kein Wunder, wenn das Befinden des greisen Herrschers unter den Einwirkungen der Gemüthserregung den kleinen Leiden des Alters, welche schon in den letzten Jahren immer häufiger auftraten, zugänglicher als sonst wurde. Dazu kam, daß der Kaiser in seiner unentwegten Pflichttreue, trotz aller Einsprache seiner Umgebung, noch während seines letzten Lebensjahres stets darauf bestand, bei großen Staatsakten thunlichst auch die ganzen Lasten der ihm als Staatsoberhaupt obliegenden Repräsentation auf sich zu nehmen.

So setzte er sich z. B. noch bei der mit der Einweihung des Nord-Ostseekanals verbundenen Flottenschau in Kiel am 3. Juni 1887

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_267.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)
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