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Seite:Die Gartenlaube (1888) 275.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)


Der außerordentlich gute Gesundheitszustand der Zöglinge ist wohl hauptsächlich dieser Beschäftigung im Freien zuzuschreiben. Ist doch während der letzten 12 Jahre unter sämmtlichen Zöglingen nur ein einziger Todesfall eingetreten, und schwere Krankheitsfälle waren ebenfalls nicht zu verzeichnen.

Im Winterhalbjahr werden die Zöglinge während der schulfreien Zeit mit Schnitz- und Modellirarbeiten fleißig beschäftigt, und die „Weihnachtsausstellung“ giebt ein schönes Bild redlichen Fleißes und Strebens. Der Ton, welcher im Hause herrscht, ist derjenige, der in einer gesitteten deutschen Familie zu finden sein soll. Die Behandlung der Zöglinge ist ernst, aber nicht hart, und vor allem übt die Konsequenz ihre heilsame, erzieherische Wirkung. Die gesammten Einrichtungen der Anstalt haben es mit sich gebracht, daß die Knaben sich in wenigen Jahren fast durchgängig an Fleiß, Ordnungsliebe und Pünktlichkeit gewöhnt haben. –

Als ich bei meinem Besuche – es war an einem unfreundlichen Februartage – die Anstalt verließ, trat ich noch einen Augenblick in den Garten, und mein Blick fiel auf eine Gruppe von Knaben und streifte darüber hinaus aus die winterlichen Waldungen des Rosenthals. Wie traurig kalt und öde liegen diese jetzt, so mußte ich unwillkürlich denken – und welches frühlingsfrohe Knospen und Keimen, Entfalten und Blühen der sonnig durchleuchteten Waldespracht wird in wenigen Monden das Auge erfreuen! Ja, so ist es das ewige Gesetz der Natur, und dieses Gesetz ist trostreich auch bezüglich unserer verirrten Knaben weckt es doch die Hoffnung, daß auch ihnen noch ein Frühling Blühen und Gedeihen bringen kann.

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Blätter und Blüthen


Hans von Bülow und Anton Rubinstein. In den geistreichen Studien über Musik, welche Heinrich Ehrlich unter dem Titel „Aus allen Tonarten“ (Berlin, Brachvogel u. Ranft) veröffentlicht hat und in denen biographische Studien, humoristische Artikel, ästhetische Aufsätze sich ablösen, alle mit Kenntniß und treffender Schärfe abgefaßt, findet sich auch ein Vergleich zwischen den beiden genialsten Klavierspielern der Gegenwart. Rubinstein wird als ein echtes Kind der russischen Gesellschaft bezeichnet, Bülow als ein richtiger deutscher hyperidealistischer Künstler. Dieser, aus altadeliger Familie, hatte sich zuerst juristischen Studien gewidmet; Leidenschaft für Musik, glühende Verehrung Wagners bestimmten den Zwanzigjährigen, seine ausgezeichnete musikalische Begabung zum Lebensberufe auszubilden; mit eisernem Fleiße, mit unvergleichlicher Energie und Ausdauer erklomm er die Höhen einer in ihrer Art einzigen Meisterschaft. Seine Wiedergabe der letzten fünf Sonaten Beethovens, die er fast ohne Unterbrechung nach einander aus dem Gedächtnisse zu Gehör brachte, war nicht allein, wie die Beethoven-Abende Rubinsteins, eine erfreuliche Kraftäußerung mit einigen glänzenden Momenten, mit Wetterleuchten des Genies, sondern eine ganze hochkünstlerische Wiedergabe, eine wahrhafte Entsiegelung dieser sibyllinischen Bücher. Rubinstein, der Sohn sehr einfacher israelitischer moldauischer Bürgersleute, war schon als neunjähriges Wunderkind in Europa berühmt; fast mühelos wandelte er den Weg zur Meisterschaft; denn die Natur hat ihn mit den reichsten Gaben nach allen Richtungen hin ausgestattet, und trotz der Ungleichheiten in seinem Vortrage hat er die Bewunderung, ja das Entzücken selbst der strengeren Beurtheiler erregt, schon wegen des herrlichen, vollen, aller Färbungen fähigen Anschlags, des dämonischen Feuers, des Schwunges der Auffassung.

Bülow hat bekanntlich oft genug von sich sprechen gemacht durch seine Rücksichtslosigkeiten und oft sehr frappanten beißenden Bemerkungen, mit denen er gelegentlich selbst das Publikum seiner Konzerte nicht verschonte. Auch sein Kokettiren mit den Tschechen in Prag hat ihm geschadet. Ehrlich nimmt ihn in Schutz; er hebt, vielleicht im Hinblick auf diese Prager Vorgänge, mit besonderem Nachdruck hervor: Bülow ist ein Deutscher, ein schrullenhafter, aus allen Gleisen fahrender, manchmal bis zur Thorheit querköpfiger, aber echter Deutscher. Persönlichkeiten wie er können sich nur in Deutschland entwickeln. Bülow hat um seiner Interessen willen fast nie jemand angegriffen; doch wenn einer, den er hoch ehrte, nach seiner Ansicht nicht laut genug anerkannt oder gar beleidigt wurde, da schlug er um sich, ohne Rücksicht auf Recht oder Unrecht.

Wir bringen hier noch auszugsweise den Schluß der interessanten Parallele. „Das Verhalten Bülows und Rubinsteins bei ihrem öffentlichen Auftreten erschien mir immer wie ein psychologisches Räthsel. Rubinstein, der fast ohne künstlerische Vorbereitung spielt und sich ganz den momentanen Neigungen überläßt, sieht aus wie ein ganz in Musik Versunkener; nicht bloß das Auge der Frauen betrachtet diesen merkwürdigen Kopf und die poetisch ausdrucksvollen Züge mit Interesse; er behandelt manchmal die weihevollsten Werke der Tonkunst willkürlich unpoetisch, sieht aber begeistert aus. Bülow dagegen, der immer ganz ernsthaft mit weihevoller Sammlung an die Lösung seiner Aufgabe geht, blickt manchmal um sich und hinab ins Publikum, als dächte er gar nicht an die Musik und wollte mit irgend jemand Streit beginnen. Rubinstein ist ein vielseitiger, genialer, allgemein gefeierter Künstler; das große Publikum erträgt seine Fehler gern, selbst wo dieselben den wichtigsten höchsten Kunstgesetzen widersprechen, will sie gar nicht erörtert wissen. Bülow ist eine nicht so reiche, aber durchaus geistvolle tiefe Künstlernatur; alle seine Fehler sind die eines Mannes, der persönliche Beliebtheit nicht anstreben kann; wie hochkünstlerisch müssen nun seine Leistungen sein, auf welch künstlerisch sittlichem Boden müssen sie stehen, daß man seine Fehler ganz übersieht.“

Es bleibt erfreulich, daß auch nach dem Tode des großen Meisters Liszt noch zwei bedeutende Klavierspieler im Stande sind, die Begeisterung des Publikums für ihre Kunst und auch für das von Richard Wagner so gering geachtete Klavier wach zu halten. Auch fehlt es nicht an anderen gediegenen ältern Meistern und hochstrebenden Jüngern, welche diesem so leicht in die flache Alltagsdudelei versinkenden, so oft mißhandelten Instrument die höhere Weihe sichern.


Maienfest in Florenz. (Mit Illustration S. 265.) Unter allen Völkerschaften Italiens rühmen sich die Florentiner, noch in unserer nüchternen Zeit am meisten Sinn für Festfreude zu besitzen. Wie viel mehr war dies in den schönen Tagen der Fall, wo die Menschheit sich noch unbefangener an der Farbenpracht des bunten Lebens erfreute. Wie ein Hauch von Poesie weht es uns aus den Schilderungen der alten Florentiner Maienfeste entgegen. An einem solchen Maitag war es ja, daß der neunjährige Dante seine Beatrice zum ersten Mal erblickte, und aus dieser Begegnung entsprang ein neuer Quell der lautersten Dichtung, der noch heute seine Wunderkraft bewahrt.

Der Brauch der Maienfeste hat sich in Toskana viele Jahrhunderte hindurch erhalten. Die jungen Landleute pflanzten vor der Thür der Geliebten den Maien (majo), der mit Kränzen, Orangen und Zuckerwerk behangen war, wie es noch heute in vielen Gegenden Deutschlands üblich ist, führten Tänze aus und sangen die bekannten Maienlieder, während die städtische Jugend beiderlei Geschlechts in festlichen Scharen mit Blumenkränzen im Haar und blühende Zweige in den Händen vor die Thore der Stadt zog, um durch Spiele und Aufzüge aller Art die Einkehr des holden Lenzmonats zu feiern, welcher der Jugend und der Liebe angehört.

Ein solches Spiel haben wir auf unserem Bilde vor Augen. Es ist ein Liebeshof, wo Amor das Scepter fuhrt. Auf dem alten Festplatz vor der Port’ alla Croce hat sich alles, was jung und schön ist, in Feierkleidung versammelt, zwischen Pfeilern und Bäumen schwanken schwere Blumengewinde nieder und lustig flattern die bunten Banner dazwischen. Der schöne Jüngling im Vordergrund, der auf dem reichgestickten Gewand das Wappen der alten Familie Rucellai trägt und also einem der edelsten florentinischen Geschlechter entstammt, überreicht der Lieblichsten von allen den Preis der Schönheit und Reinheit, die Lilie, die hier zugleich als Sinnbild der Stadt Florenz gedacht ist und somit eine doppelte Bedeutung gewinnt. Die lächelnden Gespielinnen scheinen der Wahl neidlos zuzustimmen, indeß Trompetengeschmetter weithin den Ruhm der schönsten Lilie des Arnothals verkündet.


Lenzesblüthen
(Mit Illustration S. 273.)

Einmal möcht’ ich noch im Lenzeswehen
In der Kindheit holdem Garten stehen,
Zweige über mir, von Blüthen schwer,
Und, so weit die frohen Blicke gehen,
Blüthen, nichts als Blüthen um mich her!

Spielend möcht’ ich bunte Sträuße binden
Und mit Blumen mir die Stirn umwinden,
Noch von keiner Ahnung Hauch berührt,
Daß so bald die Blüthentage schwinden
Und des Lebens Pfad zum Tode führt!

Frida Schanz.


Ein Damenklub. Unsere deutschen Frauen beklagen sich oft über die Herrenklubs, welche den Familienabenden Abbruch thun. Die Pariser Damen haben sich entschlossen, Revanche zu nehmen: sie wollen einen Damenklub begründen, in welchem ebenfalls Zeitungen gelesen, Schach, Karten und selbst Billard gespielt werden soll. Das Klublokal ist nur bei Tage geöffnet, während der Geschäftsstunden der Herren; am Abend verweilen die Damen am häuslichen Herd, wenn sie nicht etwa Konzerte, Theater und Bälle besuchen, worüber es natürlich in den Statuten des Klubs keine Bestimmungen giebt. Die Bedingungen der Aufnahme sind sehr streng. Damen, die so unvorsichtig waren, sich ins Gerede zu bringen verfallen der schwarzen Kugel. Diese „soliden“ Damenklubs können nur als ein neuer sozialer Auswuchs betrachtet werden, unter dem das Familienleben leiden muß, denn auf die Beleuchtung, ob Sonnenlicht oder Gaslicht, kann es bei diesen gesellschaftlichen Extratouren nicht ankommen; sie entziehen dem Hause auch „bei Tage“ die Hausfrau und

Mutter.


Ideale Lebensbilder. Unter diesem Titel hat die bekannte Schriftstellerin und preisgekrönte Novellistin E. Rudorff eine Sammlung von Dichtersprüchen als eine „Gabe für das Frauenherz“ veröffentlicht (Gotha, Perthes). Liebe und Ehe bilden natürlich den Mittelpunkt der Sammlung, aber sie enthält auch Abschnitte wie „Heimathliebe“ und „Edle Schmerzen“. Die Auswahl ist eine geschmackvolle, es sind alle hervorragenden neuen Dichter und besonders auch die Dichterinnen darin vertreten.

Den Frauen sei diese Sammlung bestens empfohlen. sie beweist außerdem von neuem, wie reich die neue deutsche Litteratur an sinnigen Liederspenden ist.


Ein Ferienheim in den Alpen. Der rühmlich bekannte und erst gelegentlich seiner Konsultation bei der Krankheit des Deutschen Kronprinzen, jetzigen Kaisers Friedrich, neuerlich wieder oft genannte Wiener Laryngologe Professor v. Schrötter hat kürzlich in der österreichischen Kaiserstadt die sehr sympathisch aufgenommene Anregung gegeben zur Gründung einer echt humanitären Institution, welche auch anderwärts – wohl in allen Centren der Kulturländer – Nachahmung verdient. Diese Institution, die Schaffung sogenannter „Ferienheims“ in den Alpen, die auch bereits, Dank der raschen Betätigung zahlreicher Gönner dieser Idee, vollkommen gesichert ist, wird es mittellosen in Wien domilicirenden Schülern der Gymnasien ermöglichen, ihre sommerlichen Schulferien in der kräftigenden harzhaltigen Luft der Alpen verbringen zu können. In eigens zu diesem Zwecke umgestalteten oder neuerbauten Häusern – vorerst wurde ein solches

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_275.jpg&oldid=- (Version vom 15.2.2023)
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