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Seite:Die Gartenlaube (1888) 302.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)


alle für Dampfbetrieb konstruirt. Man sieht, wie die Reihe der Eimer sich in die Tiefe senkt, wie jeder den Haffgrund lossticht, an die Oberfläche befördert und sein Inhalt der Prüfung unterworfen wird. Immer tiefer stellt man die Eimerreihe, so daß der Boden bis zu zehn Metern Tiefe ausgehoben wird. Die dadurch entstehende Rinne wird im Laufe der Jahre wieder zugeschlämmt und auch der dadurch neu entstehende Grund führt wieder Bernstein. So sieht man die Schornsteine rauchen, die Eimerreihen sich in die Fluth senken vom Morgen bis zum Abend, ja Tag und Nacht mit einziger Ausnahme des Sonntags; nur der Winterfrost gebietet Ruhe. Dampfer vermitteln den Dienst zwischen dem Lande und den Baggerstellen.

Da schwimmen dann breite flache Prähme heran, legen sich an die Seite der Bagger und empfangen den Inhalt der Eimer, schlammige Sandmassen, die auf große Siebe gestürzt werden, welche Sand und Schlamm durchlassen, grobe Stoffe aber zurückbehalten. Aus diesen sucht man dann den Bernstein heraus, der fest verpackt und verschlossen ans Land gebracht wird, um allwöchentlich mittels Dampfer nach Königsberg an das Hauptkomptoir gesandt zu werden, von wo er in alle Welttheile geht, zumeist nach Asien, Afrika und Amerika. Für Persien, Armenien, die Türkei und Innerrußland bildet Moskau den Stapelplatz. Der Stoff ist gar kostbar, deshalb hält man die Arbeiter unter strenger Kontrolle, damit sie nicht einzelne Stücke in den Kleidern verbergen. Die starken Sandmassen, welche aus dem Haffgrunde gehoben werden, führt man an das Ufer von Schwarzort, hebt sie mittels Dampfpumpen ans Land und schafft hier neuen Boden, der, kultivirt, mit Bäumen und Nutzgewächsen bepflanzt, ein hübsches, täglich sich vergrößerndes Vorland bildet. Abends strahlt elektrisches Licht über die ganze Kolonie auf das Getriebe , das keine Nachtruhe kennt und bei dieser Beleuchtung sich ungemein malerisch ausnimmt. – Wenn man als Laie die allwöchentlichen Bernsteinsendungen nach Königsberg betrachtet, so scheint die Ausbeute der Schwarzorter Baggerei ungemein ergiebig. Verglichen mit dem bergmännischen Betriebe und seinen Ergebnissen bei Palmniken soll sie verschwindend klein sein. Zwei große Bernsteingebiete werden an der baltischen Küste industriell ausgebeutet, beide von der Königsberger Firma Stantin und Becker, der größten Bernsteinproduzentin der Welt. Hier in Schwarzort hebt man die Schätze, die sich in einem ausgedehnten Lager auf dem Grunde des Haffs finden, mittels Baggerung. An der samländischen Küste ziehen sich weit umfangreichere und ergiebigere Schichten von blauem Thon weit ins Innere des Landes, die dicht mit Bernstein und zwar in großen Stücken besetzt sind. Dort wird bergmännisch gearbeitet; Stollen und Schachte werden in den Boden getrieben, der ganz ungeheure Massen dieses duftenden fossilen Harzes herausgiebt.

Ansicht der „Kolonie“ von Schwarzort.

Nun wenden wir uns noch einen Augenblick nach der „Kolonie“, die in den letzten Jahrzehnten wie aus dem Nichts entstanden ist! Sie steht fast ganz auf dem neuen, durch den Baggersand geschaffenen Boden, eine ganze Welt voll Betriebsamkeit, Arbeit und wohlorganisirter Geschäftigkeit. Da erheben sich eine Dampfkesselschmiede, eine Schmiede mit sechzehn Essen, Dampfhämmer, Walzwerk, dann Maschinenwerkstätten vollständig eingerichtet und mit Dampf betrieben, dazu Gelbgießerei, Eisengießerei, Stahlgießerei, Tischlerei, Reparaturwerkstätten, sowie die Anlagen für elektrische Beleuchtung, welche den Hafen erhellt, und für Gaserzeugung zur Erleuchtung aller Fabriken und Werkstätten. Ebenso muß für Unterbringung und Verpflegung der Arbeiter Sorge getragen werden, die in dem nahen Schwarzort schwerlich Unterkommen finden würden. Dazu sind drei Arbeiterhäuser, für 600 Menschen berechnet, erforderlich, eine ungeheure Arbeiterküche mit 12 Herden, jeder für 16 Arbeiter ausreichend, ein Speisesaal, in dem auch die durchnäßten Kleider getrocknet werden können. Dazu kommen noch verschiedene Beamtenhäuser, Komptoir und ein Wohnhaus, in dem 16 Familien Unterkommen finden können.

Diese Kolonie, in der Hunderte von Arbeitern, so und so viele Techniker und Beamte verkehren, in deren Hafen 230 schwimmende Fahrzeuge, Dampfer, Bagger, Prähme, Transportschiffe, Segel- und Revisionsboote aus- und eingehen, in der es kaum jemals Nacht wird, gehört zu den großartigsten und am vielseitigsten arbeitenden Industrieanlagen des gesammten baltischen Ostens; sie findet nicht ihresgleichen in der Eigenartigkeit ihrer Lage mitten auf dem einsamen Dünenstreifen und in der Weise ihres Betriebes.

Wenn die Winterstürme losbrechen, und das geschieht sehr zeitig hier im Norden, dann ruht die Arbeit, dann sucht man alles Rüstzeug schleunig vor ihrer Wuth zu bergen. Die Bagger wie die Schiffe der ganzen Flottille suchen eilig den Hafen, damit nicht durch Reißen der Ketten, Verlust der Anker, Forttreiben der Schiffe große Verluste erwachsen. Aber man feiert während des Winters nicht gänzlich in der Kolonie von Schwarzort. Die Essen glühen, die Hämmer poltern, die Maschinen rasseln; denn nun hat man Muße genug, alle Schäden auszubessern, neue Bagger, Dampfer, Prähme zu bauen, da Schwarzort alle seine Betriebsmittel selbst fertigstellt.

Ueberall regt sich hier neues Leben und doch deutet manches darauf hin, daß die Kultur auf der kurischen Nehrung eine uralte sein müsse. Unter den vom Grunde des Haff hervorgeholten Bernsteinstücken finden wir einzelne roh bearbeitete aus der fernen Steinzeit, und zwar kommen diese Funde hier in einer Mannigfaltigkeit der Formen und der Arbeit vor, wie fast nirgends. Darum zieht Schwarzort die Erforscher der vorgeschichtlichen Zeit ganz besonders an. Wie mag seit jener Periode der Boden sich hier verwandelt haben! Damals sind wahrscheinlich weder diese Berge, noch die Abgründe, Trichterbildungen, Steilwände vorhanden gewesen. Seit jener Zeit hat der werdende und vermehrte Dünensand alles umgeschaffen. Aber auch seiner wird man von Jahr zu Jahr mehr Herr. Gleichzeitig mit der Befestigung des waldigen Ufers durch die Andämmung der Baggererde wird auch der fliegende Dünensand mehr und mehr zum Stillstehen gezwungen. Die Forstverwaltung ist zuerst mit dem Ziehen von Strauchzäunen und der Anpflanzung bestimmter Gräser vorgegangen; darauf hat sie Kiefernschonungen angelegt; die Gemeinden der Dünenlandschaften gehen mit gleicher Energie vor, und so läßt sich sicher hoffen, daß innerhalb weniger Jahrzehnte wieder ausgedehnte Waldungen die bleichen Dünenberge um Schwarzort bedecken und den Sand fest an den Boden bannen werden. Fritz Wernick.     


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Der Kampf um die Kunst.
Von Karl Erdm. Edler.
(Fortsetzung.)

Florian war in Karlsbad der Inhaber von zwanzig Wägzetteln geworden, die gleichlautend waren, und von weiteren zehn, welche je eine Abnahme von etlichen Dekagramm aufwiesen, der letzte zeigte den erhebenden Unterschied von vier Kilogramm gegen den ersten. Das war das Endergebniß seiner Kur; dasselbe erschien ihm so gewichtig, daß er vermeinte, es fehlten ihm bloß die Flügel, um mit seinen übrigen hundertsechs Kilogramm wie eine Schwalbe die Lust zu durchsegeln.

Während Florian vier von hundertzehn subtrahirte, dividirte Fräulein Nina die Gesammtsumme der Karlsbader Ausgaben durch diesen bedeutungsschweren Vierer, um zu berechnen, wie hoch daselbst ein Kilogramm Gewichtsverlust zu stehen komme. Der Quotient gestaltete sich so abschreckend groß, daß die Gute schnell die vier Kilogramm in Deka verwandelte und dann durch die Anzahl der Deka dividirte. Ja, sie stieg in heftigem Reduciren bis zu Gramm herab; aber sie kam zu der Ueberzeugung, daß es ein kostspieliges Unternehmen sei, sogar nur ein Gramm Fettschicht in Karlsbad zu verlieren.

Jakobäa verschwand fast in der Waggonecke. Sie hatte weder zu subtrahiren noch zu dividiren, leider auch nicht zu addiren; sie war nicht schwerer, nicht stattlicher, nicht größer geworden. Aber man hatte immer und überall viel mehr Gewicht

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_302.jpg&oldid=- (Version vom 5.6.2024)
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