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Seite:Die Gartenlaube (1888) 362.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

gewährendes Plateau hinaustrat und eine ganze Welt von landschaftlicher Schönheit zu meinen Füßen sah.

„Inspiration Point“ so haben die Entdecker des Thales die Stelle getauft, wo dem von fernher Kommenden die ganze Herrlichkeit des Yosémitethales unverhofft, mit einem Schlage sich erschließt. Da lag es zweitausend Fuß unter uns, von dem Feuerschein der sinkenden Sonne goldig übergossen, und überspannt von einem zauberisch schönen kalifornischen Abendhimmel. Nackte Granitkolosse von wahrhaft monumentaler Erhabenheit glänzten uns in mächtiger Doppelreihe entgegen; von ihren drei bis viertausend Fuß hohen Firnen wehten silberweiße Wasserfälle in den tiefen Thalgrund hinab, um, zu einem rauschenden Flusse vereint, in weiten Schlangenwindungen durch das dunkle Grün der Pinien-, Cedern-, Eichen-, Lorbeer- und Manzanillohaine dahinzueilen.

Gleich am Eingange der viertausend und sechzig Fuß über dem Meeresspiegel gelegenen, sechs Meilen langen und nur eine halbe Meile breiten Schlucht erhebt sich als Wächter in scheitelrechter Steilheit, bar jeder Vegetation, die helle Granitwand des El Capitan (auf dem Mittelbilde S. 361 der Felsen links im Vordergrund), 3300 Fuß über die Thalsohle hinwegragend und einen Flächenraum von nahezu einer Quadratmeile bedeckend. To-to-cho-nula, „der große Häuptling“, ist der indianische Name dieser gewaltigen Felsenbastion, welcher die originellen Felshörner der „Three brothers“ gerade gegenüber stehen. Weiter im Mittelgrunde dräut der Cathedral-Rock (aus unserem Bilde, S. 361, noch in einer besonderen Skizze dargestellt) mit seinen beiden himmelanstrebenden Granitthürmen, während im Hintergrunde der einer riesigen Warte ähnliche Sentinel-Rock und die kolossale Halbkuppe des Süddoms die hervorragendste Punkte der scharf gezackten Felslinie bilden.

Der Süddom sowie der schräg gegenüber liegende Norddom bilden in ihrem Aufbau und in ihrer Form eine der größten Eigenthümlichkeiten des Yosémitethales. Aus reinem Granit bestehend, erhebt sich der erstere 4737 Fuß über das Thal, demselben eine für 1500 Fuß durchaus senkrecht abfallende Wand zukehrend, während die vollständig abgerundete und nur äußerst schwierig zu ersteigende Halbkuppel mit den Gebirgsriesen der Sierra Nevada in Verbindung steht. Erscheint dieser Granitkoloß, als sei er vor Zeiten mit einem gewaltigen Schwerthiebe jäh aus einander gespalten worden und als sei die eine Hälfte ins Thal gesunken, so ist der gegenüber liegende 3725 Fuß hohe Norddom nicht minder interessant durch seine Struktur. Wie die Häute einer Zwiebel, so lagern hier die gewaltigen Schichten Granit über einander. Hier und da sind Bruchstücke dieser Massen herabgeglitten und eine Ersteigung des Norddoms ist gleichfalls nur unter größten Gefahren möglich. Bis zu 5000 Fuß ragen allenthalben derartige massive Granitmauern empor, eine gewaltige Sackgasse bildend. Damit diesem majestätischen steinernen Bilde aber auch nicht das Leben fehle, wallen von den Kämmen dieser Klippenmassen entzückende Wasserfälle herab.

Neben dem El Capitan schäumt das über 1000 Fuß lange Silberband des Virgin-Tears-Falles; an den Wänden der gegenüber liegenden Klippen weht wie ein leichtes Spitzengewebe der 900 Fuß herabstürzende Pohono, der Brautschleierfall (vergl. das Bild S. 361), von der 6450 Fuß über der Thalsohle, 10 500 Fuß über dem Meeresspiegel erhabenen Clouds Rest kommt der Illilouette; im Hintergrunde der beiden Seitencañons des Thales donnern die Vernal- und die Nevadafälle. Weiter wären zu nennen der Tocoy-ô, der Loya, der Lungu-tu-kuya, welch letzterer sich in einem 3300 Fuß tiefen Sturze ergeht.

Der Preis aber unter all diesen rauschenden Majestäten gebührt dem Yosémitefall (vergl. Illustration S. 364), mit dem sich, was Schönheit und Höhe betrifft, wohl kaum an zweiter Wasserfall des Erdballs vergleichen läßt. In drei Absätzen schießt er aus seiner schwindelnden Höhe zu Thal. Da wo sich die Wasser zum ersten, 1600 Fuß tiefen Salto mortale anschicken, ist der Fluß kaum einige dreißig Fuß breit, erweitert sich aber während seines Sturzes bis auf 300 Fuß. Gleich nach diesem Falle folgt der zweite von 600 Fuß, der eher einer rasenden Stromschnelle als einem Falle ähnlich ist. Zum dritten Male endlich machen die Wasser einen Riesensprung von 450 Fuß in den Abgrund. Von einem Punkte des Thales aus gesehen, erscheint die ganze Wassermasse als ein Katarakt von nahezu 3000 Fuß Höhe.

Wie leuchtende, einander jagende Raketen, so sausen die Wasserbündel in die Tiefe hernieder, dem nimmer ermüdenden Auge stets neues bietend. Besonders reizvoll gestaltet sich das Bild, wenn heftige Windstöße um die lothrechte Felswand schnauben, die fallenden Wassermassen weit zur Seite treiben und zu einer Wolke feinen Sprühregens zerstäuben. Dasselbe Phänomen, welches sich auch beim Brautschleierfall zeigt und welchem derselbe seinen treffenden Namen verdankt, wiederholt sich hier in noch überraschenderer Weise. Geisterhaft wehen die Wasser her und hin; bald sind sie weit zur Rechten, bald ebenso weit zur Linken getrieben, um beim Nachlassen des Windstoßes in den graziösesten Schwingungen in die natürliche senkrechte Falllinie zurückzukehren. Ebenso wechselt das Getöse des wundervollen Katarakts; bald ist es schwellend, bald sinkend, bald gleichmäßig forthallend, bald fast ersterbend, und dann wieder gewaltig brausend, als ob ein Sturmwind in den Urwaldbäumen heule.

An dem Punkte, wo der Norddom sich erhebt, die 1800 Fuß hohe Steinsäule der Washington Column in die Lüfte ragt, verzweigt sich das Yosémitethal in drei schmalere Schluchten oder Cañons, die wie riesige Stufen zum Hochgebirge hinaufführen, um sich daselbst zu verlieren. In einer dieser Schluchten, dem Tenaya-Cañon, breitet sich das herabrinnende Schneewasser zu einem kleinen wundervollen See aus, dem berühmten Mirror-Lake (Spiegelsee). Mehrere Acker groß, spiegelt seine nur selten von einem Lufthauch bewegte Fläche die ganze Umgebung in geradezu verblüffender Deutlichkeit und Klarheit wieder. Die kalten, ernst und schweigsam aufragenden Felswände reichen ebenso tief nach unten hinab, und zu unseren Füßen lockt ein Himmel ebenso blau und unermeßlich fern, wie er über uns sich spannt.

Besonders in Erinnerung steht mir das Bild, welches sich in den Abendstunden des letzten Tages unseres Aufenthaltes im Yosémitethale bot. Ein Gewitter war im Anzuge. Mißfarbige Wolkengebilde wälzten sich vom Hochgebirge hernieder, hingen in die enge Thalschlucht herein, verfingen sich in den Felsnadeln und Klippen, flatterten von Wand zu Wand und überwölbten schließlich das ganze Cañon wie mit einem Sturmdache. Unheimlich dunkel wurde es in der Schlucht; phantastischer noch erschienen die abenteuerlichen Umrisse der Gesteinmassen; rothe Blitze zerrissen das Wolkendach und heftige Regengüsse stürzten hernieder. Allenthalben rieselten und schäumten an den Felswänden Bäche und Katarakte; dort aber, wo die Wolken in schweren Massen um die Klippenmauern hingen und unheimlich kreisten und brauten, brach aus diesem grauschwarzen Schleier ein heller silberner Strahl, der Yosémitefall, einen Eindruck hervorrufend, als ob er tatsächlich wie ein Strahl der Erleuchtung vom Himmel herniederschwebe.




Die Haushaltungsschule des Lette-Vereins in Berlin.

Förderung höherer Bildung des weiblichen Geschlechts und Erwerbsfähigkeit der auf eigenen Unterhalt angewiesenen Frauen und Jungfrauen“ ist die Aufgabe, an deren Lösung der Berliner Lette-Verein seit mehr als zwei Jahrzehnten mit großem Erfolg arbeitet. Es ist ein hohes Verdienst der Vorsitzenden des Vereins, Frau Schepeler-Lette, durch Beseitigung eines beengenden Paragraphen die segensreiche Tätigkeit des Instituts auch auf die vorher ausgeschlossenen „in Fabriken und Landbau beschäftigten Arbeiterinnen, Dienstboten, Wäscherinnen etc.“ ausgedehnt zu haben; die Schranke fiel und aus dem kräftigen und festgewurzelten Baum des Lette Vereins entsproß ein neues Reis – die Haushaltungsschule.

Sie arbeitet unter Leitung der Frau Schepeler-Lette nach dem Goetheschen Wort:

„Dienen lerne bei Zeiten das Weib nach seiner Bestimmung.“

Schon Salomo sagt in seinen Sprüchen (14,1): „Durch weise Weiber wird das Haus erbauet“; der Sinn des treffenden Wortes läßt sich heute dahin erweitern, daß es ein Glück für die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 362. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_362.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)
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