Verschiedene: Die Gartenlaube (1888) | |
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Kapellmeister, wie ein Feldherr vor der Schlacht, seine Scharen zur letzten Entscheidung anfeuernd.
„Die Stelle: ‚Verschmäht von Dir‘, in Ihrem großen Duett – Sie wissen doch, bestes Fräulein,“ spricht er zur Primadonna – „die muß einen Beifallssturm entfesseln, wenn Sie dieselbe noch etwas pathetischer, wie soll ich sagen – so recht schmerzdurchwühlt singen.“
„Für das Allegro con fuoco in der Arie des Leonardo bitte ich noch etwas mehr Elektricität, liebster Kapellmeister. Das muß in der Begleitung förmlich Funken sprühen.“
„Die Oboe in der Serenade nur ja recht süß und schmelzend, und die Hörner, meine lieben Herren, in der Waldscene so weich Sie können, sie sind mir ans Herz gewachsen –“
Der letzte Ton verklingt. Die Generalprobe ist beendet. Wir haben gesehen, wie eine Oper entsteht, begehre niemand zu wissen, wie eine Oper mitunter – vergeht. Von der Wiege bis – zu ihrer Mündigkeit haben wir unserer Oper das Geleit gegeben; hoffentlich wird sie uns zu keiner andern Gefolgschaft den traurigen Anlaß bieten. Sei ihr ein langes Leben und – gefällt’s den Musen – die Unsterblichkeit beschieden!
Einem unermeßlichen, zusammenhängenden Ozeane vergleichbar bedeckt Atmosphäre die Oberfläche unserer Erde und wir Menschen leben am Boden dieses Luftmeeres. Von dem, was in den höchsten Regionen des atmosphärischen Ozeans vor sich geht, wissen wir durchaus nichts und die Vorgänge, welche in ihrer Gesammtheit unser Wetter bilden, spielen sich in Höhen ab, die wohl niemals 1½ deutsche Meilen übertreffen. In diesen höchsten Regionen schweben die leichten, federförmigen Cirruswolken, welche als Vorboten von Regen und Sturm bekannt sind. Sie bestehen aus gefrorenem Wasserdunst, aus feinen Eiskryställchen und erst tief unter ihnen, in Höhen die 3500 Meter nicht überschreiten, trifft man auf die Haufenwolken, welche am Horizont wie ferne, schneebedeckte Gebirge aussehen, und auf die grauen Schichtwolken, welche bei Landregen trübselig den Himmel überziehen. Es ist klar, daß das Studium dieser Wolken und derjenigen Vorgänge im Luftmeere, welche die Bildung von Wolken und Regen verursachen, nur sehr unvollkommen durch Beobachtung an der Erdoberfläche gefördert werden kann. Zwar ist es den unermüdlichen Anstrengungen der Meteorologen gelungen, auch schon mit Hilfe der gewöhnlichen Beobachtungen wichtige Resultate über die Bewegungen in höheren Luftschichten zu erringen, allein es ist für den Fortschritt der Wissenschaft von größter Wichtigkeit, daß auch in der Wolkenregion selbst beobachtet wird. Dazu bieten sich zwei Wege dar, nämlich durch Ballonfahrten und durch Anlegung von meteorologischen Observatorien auf den Gipfeln hoher Berge. Mit Hilfe des Luftballons hat man in der That bereits wichtige Ermittelungen über die Abnahme der Luftwärme mit zunehmender Höhe anstellen können, allein über die Verhältnisse des Luftdruckes in der oberen Schicht der Atmosphäre läßt sich im Ballon nichts ermitteln.
Das Studium der Luftdruckverhältnisse in der Höhe ist aber für das Verständniß der gesammten Luftcirkulation über der Erde von der allergrößten Wichtigkeit, besonders auch, um für die Wetterprognosen mit der Zeit eine bessere, zuverlässigere Grundlage zu schaffen. Deshalb sind die Amerikaner schon vor einer Reihe von Jahren mit der Errichtung von Bergobservatorien vorgegangen und haben unter anderem auf dem Mount Washington in New-Hampshire, sowie auf dem Gipfel des Pikes Peak in Colorado, der sich 4340 Meter über die Meeresfläche erhebt, ständige Stationen errichtet, an denen Tag und Nacht beobachtet wird.
In Frankreich faßte man anfangs 1870 den Plan, auf dem 2877 Meter hohen Pic du Midi ein meteorologisches Observatorium zu errichten. Dieser Berg erhebt sich unweit der Stadt Bagnères de Bigorre in den Pyrenäen als ungeheure völlig isolirte Felsmasse, von deren Gipfel man eine unermeßliche, von keinem höheren Punkte beschränkte Aussicht hat. Im Wege einer öffentlichen Subskription wurden die Mittel zusammengebracht, um ein kleines Haus und die nothwendigsten meteorologischen Instrumente auf dem Gipfel des Berges einzurichten. General Nansouty, von einem Hilfsbeobachter begleitet, bezog im Sommer 1874 das kleine Häuschen auf dem Pic du Midi als Beobachter. Schon bald zeigte sich die Bösartigkeit des Wetters in dieser Höhe und am 11. Dezember jenes Jahres zerstörten Eismassen die Fenster des Raumes, in welchem die beiden Männer wohnten. Es fanden sich oben keine Mittel, die Fenster wieder herzustellen, infolge dessen drangen Wind, Schnee und Frost ein und die Kälte stieg dauernd auf – 18° C. Um dem Tode zu entgehen, blieb den Beobachtern nichts anderes übrig, als mitten im Winter den schreckensvollen Abstieg zu den Menschen zu wagen. Und es gelang, nachdem beide 16 volle Stunden unter fortwährender Lebensgefahr in der Eiswüste des Berges umhergeirrt waren. Aber im nächsten Sommer waren die zwei Beobachter wieder auf ihrem Posten, Stunde um Stunde, Tag für Tag lasen sie ihre Instrumente ab; doch im Oktober begrub eine Lawine das kleine Observationshaus und zwang wiederum zur Einstellung der Beobachtungen.
Indessen verlor General Nansouty den Muth nicht, er brachte mit Hilfe von Freunden der Wissenschaft die nöthige Summe zum Bau eines neuen Observatoriums zusammen, das dann auch telegraphisch mit der Stadt Bagnères de Bigorre in Verbindung gesetzt wurde. Unsere Abbildung (S. 709) giebt eine Ansicht des Observatoriums nach einer Zeichnung von Tissandier, dem berühmten Luftschiffer, der dasselbe im Jahre 1879 besuchte.
Nachdem die Station auf dem Pic du Midi eingerichtet war und ihre Bedeutung für die Wissenschaft sich als unzweifelhaft erwiesen, ging man in Frankreich daran, auch auf einem andern Berge ein meteorologisches Observatorium einzurichten. Als solcher erschien besonders der Puy de Dôme bei Clermont geeignet und mit einem Kostenaufwand von 100 000 Franken wurde von 1873 bis 1878 dort ein massives Gebäude hergestellt. Das eigentliche Observatorium besteht aus einem runden Thurme, der auf dem Gipfel des Puy sich erhebt, 15 Meter tiefer liegt ein Wohnhaus, von dem ein Tunnel nach dem Thurme führt. Die Aussicht vom Observatorium aus ist großartig, aber ganz einzig dann, wenn weiße Wolken die Erde völlig den Blicken entziehen und das Auge gewissermaßen nur einen unermeßlichen Ocean erblickt, aus dem die Gipfel der benachbarten Berge gleich Inseln hervorragen.
Unsere Abbildung aus S. 720 giebt in meisterhafter Weise eine Vorstellung von diesen Bewölkungsverhältnissen. Man sieht vor sich
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 717. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_717.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)