Verschiedene: Die Gartenlaube (1888) | |
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Eine Hofgeschichte aus dem 17. Jahrhundert von Stefanie Keyser.
(Fortsetzung.)
Eine Schar junger Fürstinnen umgab scherzend und neckend Dorothea. Sie lachte, erröthete und flüchtete endlich in eine tiefe Fensternische, wo sie den Vorhang gleich einem schützenden Bollwerk hinter sich zuzog. Sie hörte die Damen weiter kichern vor dem züngelnden Thüringer Löwen, der in den schweren Stoff gewebt war. Aber plötzlich wurde ein Gewisper hörbar, und dann huschten die seidenen Röcke davon.
Im nächsten Augenblick schob eine schön geformte kräftige Hand den Vorhang zurück.
Herzog Albrecht trat zu ihr und fragte lächelnd: „Ist es vergönnt, Eurer Gnaden in die Einsamkeit zu folgen?“
Sie neigte anmuthig das Haupt und ließ sich auf dem hohen, mit Goldtuch beschlagenen Stuhl nieder. Und nun verstummten beide.
So selbstgewiß Herzog Albrecht hereingetreten war, so übermüthig Dorothea den fürstlichen Freundinnen gegenüber das Haupt erhoben hatte – als sie jetzt allein, abgeschlossen wie in einem besondern Stüblein bei einander weilten, kam eine Befangenheit über sie, daß keines ein Wort fand.
Die Abendluft wehte durch das geöffnete Fenster, die Schwingen schwer, von dem Duft des frischen Laubes im Garten. Ein bläulicher Mondstrahl stahl sich mit herein. Fernher aus dem Webicht tönte der letzte sehnsüchtige Lockruf der kleinen befiederten Sänger.
Leise zog der Herzog einen Schemel, wie solche zum Gebrauch der Hofleute bereit standen, für sich herzu.
„Mit so niedrigem Platz begnügen sich Eure Liebden?“ scherzte Dorothea ein wenig athemlos. „Selbst am Hofe des Kaisers werden den Herzögen von Sachsen Armstühle gesetzt.“
„Alldort werde ich auch immer einen solchen begehren,“ antwortete Albrecht, und mit gedämpfter Stimme fuhr er fort: „Aber bei der Herzogin Dorothea poche ich nicht auf ein Recht, sondern erwarte alles von Dero Gnade.“
Schalkhaft drohend hob sie den Finger und flüsterte: „Ich, habe nicht gewußt, Vetter, daß Sie der Schmeichelei kundig sind.“
Jetzt lächelte auch er. „Nicht umsonst hat mich unser Tanzmeister Turnon in der Kunst unterwiesen, wie man sich mustern gegen das Frauenzimmer gebärdet.“
Sie hielt sich die Ohren zu. „O, o!“ rief sie, silberhell auflachend. „So hat Monsieur Turnon gewißlich nicht gesprochen. Er wird sich bemüht haben, die Courtoisie zu lehren, welche ein Serviteur den Herrin gegenüber üben muß.“
Er schüttelte den Kopf wie über die Thorheiten eines übermütigen Kindes. „Monsieur Turnon unterrichtete keine Diener, sondern junge Fürsten, welche, bei aller Ehrfurcht vor edlen Frauen, nie vergessen werden, daß sie deutsche Männer sind.“
Sie warf schmollend die Rubinlippen auf. „Was könnte ein deutscher Mann an solcher Belehrung zu mäkeln haben?“
„Daß die Ordnung der Welt verkehrt wird,“ entgegnete er ruhig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 741. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_741.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)