Verschiedene: Die Gartenlaube (1888) | |
|
„Und was belieben Sie eine Verkehrung dieser Ordnung zu nennen?“ fragte sie mit leisem Spott.
Er hatte sich unhörbar erhoben und stand nun hoch aufgerichtet vor ihr, auf sein goldenes Rappier gestützt. „Daß die Frau die Herrin, der Mann der Knecht sein soll.“
Seine Haltung und sein Ton waren so entschieden, daß Dorothea unwillkürlich verstummte.
In die eingetretene Stille tönte Eleonorens Stimme von dem Damenkreis herüber:
„Mein Herr hat bestimmt, daß der morgende Tag fröhlicher Festfreude gewidmet sein soll. Erst übermorgen werden die Sitzungen der Palmgenossen und der Tugendlichen stattfinden nach meines Herrn Willen.“
Bei diesen Worten, die wie eine Ergänzung von Albrechts Rede klangen, stieg in Dorotheas Wangen ein heißes Roth.
Der Herzog zwang ein leises Lächeln nieder.
Stühle wurden gerückt. Die Herrschaften brachen auf, um sich in ihre Gemächer zurückzuziehen. Die Verneigung, mit welcher Dorothea Abschied von Albrecht nahm, war von einem drohenden Blick begleitet. Mit vollkommener Ritterlichkeit, aber unerschütterlicher Ruhe beugte er das Haupt vor ihr. Als die letzte im Zuge schlich Käthchen davon. Noch einmal sah sie trübselig zurück nach Achatius, der in der Thür des Vorzimmers stand und die entlassenen Hofjungfrauen seiner Herrschaft an sich vorübergehen ließ.
Er bemerkte auch diesmal Käthchen nicht.
Seine Augen waren wieder in den Winkel, wo Gertrud stand, gerichtet, und er dachte: einmal muß sie doch aus ihrer Ecke herauskommen.
Da schritt sie heran. Unentwegt sah sie an ihrem fein gebogenen Näschen herab.
„Ehrenreiche Jungfrau,“ redete er sie an, „da Ihr meinen Fehler erkannt habt, so erbarmt Euch meiner und helft mir von demselben. Schenket mir eine Perle Eures glückseligen Halsbandes, daß ich sie in mein Zöpflein flechte und allezeit dadurch gemahnt werde, treu zu sein.“
Gertruds Antlitz nahm eitlen Ausdruck von Empörung an. „Das Halsband ist ein Familienschmuck, der immer nur an Ehrentagen getragen wurde. Er ist zu gut für eine Narrethei.“
„Narrethei nennet Ihr die alamode Galanterie eines Kavaliers?“ fragte er, und seine Augen begannen zu funkeln.
Verächtlich erwiderte sie: „Welch andern Namen verdiente diese Unsitte, welche die Menschen dahin führt, daß sie flunkern, Affenwerk treiben, sich mit Firlefanz behängen wie“ – ihr Blick flog den Korridor entlang, wo die Narren des Koburger Herrn sich tummelten – „wie die, welche bestellt sind, die Leute lachen zu machen,“ schloß sie, todtenbleich, aber gerade aufgerichtet gleich einer Wachskerze.
Achatius fuhr empor, als sei er von einer Natter gestochen. Glühend vor Zorn, mit einer stahlharten Stimme entgegnete er: „Ueber den Hofmeister von Krombsdorff lacht niemand. Wenn er auch einen Alamodezotten trägt, so weiß doch jeglicher, daß es ein rechter Mann ist, der sich mit selbigem behangen hat. Selbst Ihr werdet eher eine Thräne um mich vergießen, als es wagen, mich auszulachen. Das schwöre ich Euch!“
Er drehte sich auf dem Absatz herum und stürmte davon.
Mit trutzigen Schritten stapfte er in sein schönes Haus hinüber, das wie ein treuer Vasall am Weg ins Schloß stand. Er schlug die schwere Thür so wüthend hinter sich zu, daß der Rosenstock an der Pforte bis in die tief schlummernden Knöspchen erschauerte und sich kaum mit den feinen Dörnchen an dem steinernen Wappenschild fest zu halten vermochte.
Und als die Bettmeisterin endlich unter einem der Lerchenschöpflein in ihr Bett kroch, da schallte drüben aus den geöffneten Fenstern noch immer bald ein „Donnerwetter!“ bald ein „Morbleu!“ heraus.
„Mein Herr!“ Das Wort der sanften Eleonore hallte in Dorothea nach. Es ließ sie keine Ruhe in den seidenen Kissen finden.
O, der Hof von Weimar lag wahrlich im finsteren Thal. Wie ein Feldhauptmann seine Fähnlein, so kommandirte Wilhelm die Tugendlichen. Der vielgereiste Bernhard, der nach englischer Sitte bei der Begrüßung das Knie vor ihr beugte, hatte durch einen scharfen forschenden Blick die Adoration seines Grußes wieder aufgehoben, und auch der fromme Ernst bereitete ihr eine Enttäuschung, da er verhieß, ein theures Buch in ihr Losament zu senden. Es war nicht, wie sie hoffte, der zweite Band der „Astrea“, sondern das Gebetbuch, das ihre gemeinschaftliche Großmutter herfürgegeben hatte.
Und Albrecht! Flattirte ein Kavalier also seiner Dame?
Nicht flehend hatte er zu ihr emporgeschaut, sondern gleich einem Herrscher auf sie herab.
Ihre Gedanken hielten bei diesem jüngstvergangenen Augenblick an. Sie sah ihn vor sich stehen, hoch, stolz, auf das vergoldete Rappier gestützt, und, ohne daß sie es wußte, lächelten ihre Lippen. Wie war er doch schön! In jeder Miene, jeder Bewegung ein echter Fürst und Herr!
Sie fuhr hoch auf. War ein böser Zauber in dem Wort mächtig, daß sie seiner nicht ledig werden konnte?
Spät erst schloß sie die Augen. Die Morgensonne schien hell in das Gemach und malte wie ein lustiger Schelm lauter goldene Ringe auf den Fußboden, als sie erwachte. Jetzt waren die finsteren Vorstellungen der Nacht entflohen. Sie lächelte fröhlich dem Morgenlicht entgegen.
O, sie wollte dem rauhen Männerregiment schon ein Grüblein graben, darein es fallen sollte. Wozu kannte sie die alamoden Waffen, mit denen die Schäferinnen ihre Adorateurs gefügig machten, wenn sie dieselben nicht gebrauchte?
Und war etwa der Preis des Kampfes nicht Werth?
O, welche Seligkeit mußte es sein, diesen festen Willen zu beugen, diesen strengen Sinn in Weichheit umzuschmelzen, diesen stolzen Mann auf die Kniee zu zwingen! Das wäre ein Sieg, auch einer Astrea würdig.
Heiter wie der junge Maientag, rosig angehaucht, saß sie alsdann auf dem mit Quasten umhangenen Stuhl vor dem Putztisch. Bärbchen, die erste Schmuckjungfrau, bot ihr das Handspieglein.
„Bringe das Pfirsichblüthenwasser zum Kühlen der Wangen,“ gebot sie in dem Flüstertone geschulter Hofdiener dem zweiten Kammermägdlein Aennchen. „Wo ist das Instrumentlein für die Zähne? – Sie glänzen gleich Elfenbein, fürstliche Gnaden. - Lange die Phiole herab mit der Essenz, um die Nägel zu glätten! - Sie sehen aus wie Rosenblätter auf Lilien gestreut. – Rücke das Kohlenbecken herbei! Lege die Brenneisen hinein! Hilf, Himmel! Die Tischplatte ist auch gar zu klein.“
Aennchen schwebte auf den Fußspitzen hin und her.
Bärbchen rollte an den Wangen ihrer Herrin lange Locken herab und brannte über der Stirn ein leichtes Gekräuse.
Leises Klopfen ertönte an der Thür.
„Die Frau Herzogin läßt zur Eile mahnen,“ berichtete Aennchen, „die Tafelstunde nahe.“
Dorothea machte eine Bewegung mit dem schönen Haupt, als schlage sie die Mahnung in den Wind. Sie wußte aus der „Astrea“, daß man die Schäfer harren und schmachten lassen mußte, wenn sie angefeuert werden sollten.
„Du kannst noch ein paar Steinrosen in die Locken stecken,“ befahl sie. „Nein, nicht so regelmäßig zu beiden Seiten! Das ist nicht alamode. Weiter zurück! Höher hinauf!“
Bärbchen mühte sich, die Herrin zufrieden zu stellen. „Aber Aennchen, was fällt Dir ein?“ ließ sie ihre geheime Ungeduld an der untergeordneten Gehilfin aus. „Warum trägst Du den Rock von violenfarbigem Sammet daher? Meinst Du, Ihro Gnaden gedenken, Abbatissa eines Stiftes zu werden?“
Dorothea lachte über die drollige Zumuthung hell auf. „Nein, so weit sind wir noch nicht.“
Bärbchen ging selbst in die Kleiderkammer. Sie kam mit einem Prachtstück von einem Kleid zurück, unter dessen Last sie fast erlag. Ein Rauschen ging ihm voraus wie eine Meeresfluth. Es war von Silberbliant, mit goldenen Blumen durchwebt, mit Goldposament besetzt. Dorothea lächelte wohlgefällig und schlüpfte unter dem Beistand beider Mägdlein in die steife Hülle.
„Auf das Goldposament eine Reihe von Steinrosen! Die Spangen um die Aermelpuffen!“ befahl sie. „Die Perlen um den Hals! Sie sind zu matt; hängt den Demantstern daran.“
„Tummle Dich!“ raunte Bärbchen. „Der Schloßhof wimmelt schon von ankommenden Gästen, und drüben an einem
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 742. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_742.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)