Verschiedene: Die Gartenlaube (1889) | |
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Eine solche Vorrichtung ist der daraufhin konstruierte „Wolpertsche fortgesetzt selbstthätige Luftprüfer“, dessen Anzeige auf einem neuen Grundsatze beruht: daß eine farbige Flüssigkeit, auf welche die Kohlensäure entfärbend wirkt, an einem weißen Faden hingeführt, nach Maßgabe der bis zur Entfärbung zurückgelegten kleineren oder größeren Weglänge den größeren oder kleineren Kohlensäuregehalt der Luft und damit ihre geringere oder größere Reinheit anzeigt.
Die Einrichtung des selbstthätigen Luftprüfers, welchen nebenstehende Abbildung veranschaulicht, ist folgende:
Auf einer Wandkonsole steht ein niedriges weites Glasgefäß, gefüllt mit schwacher Sodalösung, welche mit Phenolphtaleïn roth gefärbt ist. Die rothe Flüssigkeit, im Gefäß durch aufgegossenes Mineralöl gegen Einwirkung der Luft geschützt, wird mittels eines Glashebers, welcher an einem in der Flüssigkeit liegenden Schwimmer befestigt ist, in Tropfen auf einen 1/2 m langen Faden übergeleitet und röthet diesen, indem sie daran herabfließt. Die Röthung erstreckt sich auf die ganze Fadenlänge, wenn die Luft sehr rein ist. In schlechter Luft ist infolge der entfärbenden Wirkung der Kohlensäure der Faden von unten nach oben um so weiter weiß, je schlechter die Luft ist. Der Grad der Luftverschlechterung von „rein“ bis „äußerst schlecht“ (unter 0,7 bis über 4 ‰ Kohlensäuregehalt) mit den Abstufungen „noch zulässig“ (0,7 bis 1 ‰), „schlecht“ (1 bis 2 ‰), „sehr schlecht“ (2 bis 4 ‰) ist auf einer hinter dem Faden angebrachten, nach Pettenkofers Kohlensäuremaßstab festgestellten Skala abzulesen.
Die Inganghaltung des selbstthätigen Luftprüfers erfordert nur wenig Mühe und Kosten: Mischen und Nachfüllen der rothen Reagensflüssigkeit alle zehn Tage mit einer auf 24 Stunden sich vertheilenden Ausgabe von etwa einem halben Pfennig. Dagegen stehen leider die Anschaffungskosten des Apparates – selbst bei einfachster Ausstattung immer noch mehr als 10 Mark – der Einführung desselben in weiteren Kreisen hinderlich im Wege.
Darum will ich noch ein anderes und zwar recht wohlfeiles Mittel zur Luftprüfung, namentlich für Schlafzimmer, angeben:
Man löst 1 Gramm (schwach das Gewicht eines silbernen Zwanzigpfennigstücks) krystallisirte Soda, wie man sie in vielen Haushaltungen beim Waschen benutzt, in dreiviertel Liter (einer gewöhnlichen Weinflasche) Wasser auf. Davon gießt man im Schlafzimmer abends vor dem Schlafengehen 2 Eßlöffel voll in eine Untertasse und giebt einige Tropfen Phenolphtaleïnlösung dazu, welche die Sodalösung schön roth färben. Wird die Schlafzimmerluft während der Nacht zu schlecht, so ist die Flüssigkeit am Morgen wasserhell, geringes Verblassen deutet auf nur geringe Luftverschlechterung; bei sehr guter Luft würde das Verblassen der rothen Flüssigkeit in einer Nacht kaum bemerklich sein. Diese Flüssigkeit ist nicht giftig.
Die Phenolphtaleïnlösung kann man sich für länger als ein Jahr ausreichend bereiten, indem man 1 Gramm Phenolphtaleïnpulver (bei der Fabrik des selbstthätigen Luftprüfers, Reiniger, Gebbert und Schall in Erlangen für 15 Pfennig zu haben) in einem viertel Liter Spiritus löst.
Bei langem Aufbewahren der Sodalösung kann es vorkommen, daß durch Einträufeln von Phenolphtaleïn die schöne Röthung nicht entsteht. Das wäre ein Zeichen, daß die Sodalösung infolge undichten Schlusses der Aufbewahrungsflasche bereits viel Kohlensäure aufgenommen hat und nicht mehr brauchbar ist.
Zum Zwecke der Luftprüfung – wie von anderen Seiten empfohlen worden ist – ein flaches Gefäß mit Kalkwasser aufzustellen, welches in schlechter Luft trüb werde, gehört zu den Experimenten, die von einem gedacht, von andern nachgesagt, von keinem aber vorher gemacht werden. Das Kalkwasser überzieht sich nämlich mit einem Häutchen von unlöslichem kohlensauren Kalk, aber nicht nur in schlechter Zimmerluft, sondern auch in der guten Luft der freien Atmosphäre, und bei der allmählichen Absorption der Kohlensäure an der ruhigen Oberfläche des Kalkwassers bleibt dieses unter dem Häutchen ungetrübt. Man kann aber auch Kalkwasser mit Phenolphtaleïn roth färben. Verschwindet bei gesättigtem Kalkwasser die Röthung in einer Nacht, so muß die Luft äußerst schlecht sein.
Die Anwendung des selbstthätigen Luftprüfers wird in manchen Fällen erkennen lassen, daß man nicht nöthig hat, im Winter auf Kosten des Heizmaterials so verschwenderisch zu lüften wie man es seither gethan, ja daß in scheinbar dicht geschlossenen Zimmern die Luft gut bleibt, weil durch die unvermeidlichen Oeffnungen, die Fugen und Ritzen an Thüren und Fenstern wie auch durch die Mauerporen, besonders bei starkem Wind und bei großem Temperaturunterschied der inneren und äußeren Luft, bedeutender und oft genügender Luftwechsel stattfindet.
In einer weit größeren Zahl von Fällen dagegen wird der Luftprüfer zeigen, daß man in zu schlechter Luft lebt, also für Luftverbesserung sorgen muß. Es fragt sich dann, wie verbessern wir die Zimmerluft?
Was der große Liebig, der Chemiker berühmten Andenkens, empfohlen hat: zum Zweck der Luftreinigung in Zimmern Gefäße mit Kalkwasser aufzustellen, damit die Kohlensaure absorbirt werde, kann nach den vorstehenden Mittheilungen über die genauer erforschte Ursache der Luftverschlechterung nicht mehr als genügendes Luftverbesserungsmittel gelten. Ferner muß hier gesagt werden, daß Räuchermittel und Wohlgeruchsessenzen, vom Wachholderrauch an bis zum Koniferenduft und Blumengeist, die Luft nicht reiner machen, daß mehr Luftwechsel als der zufällige unumgänglich nöthig ist, so oft und so bald der Luftprüfer auf „schlecht“ zeigt.
Das einfachste und allerorts übliche Lüftungsmittel ist das Oeffnen von Fenstern, was aber zu oft wegen bekannter Unzuträglichkeiten unterbleiben muß.
Man kann aber die Menge der unmerklich durch die zufälligen kleinen Oeffnungen eindringenden reinen Luft bedeutend vermehren, wenn man den Ueberdruck der Außenluft gegen die Zimmerluft vergrößert, was in sehr einfacher Weise durch Herstellung einer entsprechenden Oeffnung am Schornstein nahe an der Zimmerdecke geschieht. Namentlich für Schlafzimmer ist das sehr zu empfehlen. An der Oeffnung wird ein Blechthürchen oder auch eine hübsche Rosette angebracht, womit man die Oeffnung bei Tage geschlossen hält, um den Zug der in den Schornstein mündenden Feuerungen nicht allzusehr zu schwächen. Wo der Schornstein durch seine Lage ungünstigen Windstößen ausgesetzt ist, läßt man eine gute Schutzkappe aufsetzen.
Bei Neubauten ist die Ausführung besonderer Luftschächte anzurathen, welche durch daneben liegende oder in ihnen emporgeführte Kaminröhren oder durch besondere kleine Heizvorrichtungen warm gehalten werden.
Wo man gleichmäßigeren und stärkeren Luftwechsel als in gewöhnlichen Wohnungen braucht, also in Räumen, welche für den Aufenthalt vieler Menschen bestimmt sind, genügen so einfache Vorrichtungen nicht. Denn die auszuwechselnden Luftmenge soll stündlich für jedes Kind 10 bis 20 Kubikmeter betragen, für jeden gesunden Erwachsenen 20 bis 40, für jeden kranken 60 bis 100. Man muß daher bei stark angefüllten Räumen auch für besondere Luftzuführung sorgen, den sogenannten Abluftkanälen entsprechend auch Zuluftkanäle in Verbindung mit Ventilations-Mantelöfen, Lufteinlaß-Säulen u. dergl. anbringen.
Für manche Zwecke sind überdies maschinelle Vorrichtungen zum Eintreiben und Absaugen der Luft am rechten Platze, Apparate verschiedener Einrichtung, wie sie zahlreich in der technischen Litteratur beschrieben sind und deren Beschaffung heutzutage nicht schwer ist, da jetzt viele Techniker sich besonders mit Ausführung von Ventilations- und Heizungsanlagen beschäftigen.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_123.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)