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Seite:Die Gartenlaube (1890) 140.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

noch dort zu finden. Das war so viel als eine Einladung, der man nachkommen mußte; Frau von Eschenhagen mit ihrem Sohne wollte gleichfalls noch bleiben, um sich die „Hofgeschichte einmal in der Nähe anzusehen“, und der Oberforstmeister, der mit den voraussichtlich stattfindenden großen Jagden Ehre einlegen wollte, hatte täglich Berathungen mit seinen Ober- und Unterförstern und brachte das ganze Forstpersonal auf die Beine. Es herrschte jetzt schon ein ungewöhnlich reges Leben in dem Schlosse.

Aus dem Zimmer des Fraulein von Schönau klang lustiges Geplauder und helles, übermüthiges Lachen. Marietta Volkmar war auf ein Plauderstündchen zu der Jugendfreundin gekommen und fand wie gewöhnlich des Lachens und Erzählens kein Ende. Toni saß am Fenster und neben ihr stand Willibald, der auf Befehl seiner Mutter hier die Rolle einer Schildwache spielen mußte.

Frau von Eschenhagen hatte vorläufig ihren Willen noch nicht durchgesetzt, ihr Schwager war hartnäckig geblieben und auch bei der künftigen Schwiegertochter, die sich sonst so fügsam zeigte, stieß sie auf unerwarteten Widerstand, als sie den Abbruch jenes Verkehrs forderte. „Ich kann nicht, liebe Tante,“ hatte Toni geantwortet. „Marietta ist so lieb und brav, ich kann sie wirklich nicht so bitter kränken.“

Lieb und brav! Frau Regine zuckte die Achseln über diese Unerfahrenheit des jungen Mädchens, dem sie nicht die Augen öffnen mochte; aber sie fühlte sich verpflichtet, einzugreifen, und beschloß nunmehr, in diplomatischer Weise vorzugehen.

Willibald, gewohnt, seiner Mutter alles zu beichten, hatte ihr auch seine Begegnung mit der jungen Sängerin haarklein berichtet, und Frau von Eschenhagen war natürlich außer sich darüber gewesen, daß der Majoratsherr von Burgsdorf einer „Theaterprinzessin“ den Koffer nachgetragen hatte. Dagegen nahm sie die Schilderung seines Entsetzens, als er erfuhr, weß Geistes Kind diese Dame eigentlich sei, und seines Davonlaufens mit höchstem Wohlgefallen entgegen und fand es auch nur lobenswerth, daß er sich anfangs förmlich angstvoll gegen die ihm angesonnene Aufpasserrolle sträubte. Er scheute natürlich jede Berührung mit einer solchen Person. Da seine Mutter es aber unter ihrer Würde hielt, diesen Zusammenkünften beizuwohnen, so sollte er seine Braut beschützen.

Er erhielt gemessenen Befehl, die jungen Mädchen nie allein zu lassen und ausführlich zu berichten, wie diese Marietta sich denn eigentlich benehme. Bei dem ersten derartigen Berichte, der sicher haarsträubend ausfiel, wollte Frau Regine ihrem Schwager zu Gemüth führen, welchem leichtsinnigen Umgange er sein Kind preisgegeben hatte, wollte ihren Sohn als Zeugen aufrufen und dann gebieterisch den Abbruch dieser Beziehungen verlangen. Willibald hatte sich denn auch gefügt, er war dabei gewesen, als Fräulein Volkmar das erste Mal nach Fürstenstein kam, hatte seine Braut bei dem Gegenbesuche in Waldhofen begleitet und stand auch heute wieder auf Posten.

(Fortsetzung folgt.)




Stanley vor zwanzig Jahren.

Fern im Süd, im schönen Spanien, trafen wir uns das erste Mal. Die Kunde von der Septemberrevolution, von der die Spanier allzukühn eine Wiedergeburt ihres Vaterlandes erhofften, hatte aus allen vier Weltgegenden Männer der Presse nach Madrid gezogen, einige von bereits anerkanntem Rufe, andere wieder erst aufkeimende Berühmtheiten, einzelne auch, denen eine nichts weniger als schöne Zukunft bestimmt war. So ziemlich alle aber waren in dem Bewußtsein einig, daß sie in dem schönen Pyrenäenland eine mindestens ebenso wichtige Sendung zu erfüllen hätten als die konstituirenden Cortes, über deren Reden und Thaten sie berichteten. Von den Franzosen thaten einige freiwilligen, andere bezahlten Dienst für den Orleanismus, indem sie sich die Finger für den Herzog von Montpensier wund schrieben, der die Verschwörung gegen seine Schwägerin Isabella angezettelt hatte; die meisten, wie E. Maison vom „Journal des Débats“, G. de Coutouly vom „Temps“, mein alter Stuttgarter Schulkamerad und nunmehr unzertrennlicher Reisegefährte in Spanien, jetzt französischer Gesandter in Bukarest, glaubten, man könne der republikanischen Sache Frankreichs nicht besser dienen, als indem man die Rückkehr der Monarchie in Spanien verhindere; die übrigen schließlich, wie Elie Reclus, später Vorstand der Nationalbibliothek, und sein Gesinnungsgenosse, der alte Garibaldiner Lucien Combatz, später Vorstand des Postwesens unter der Pariser Commune, hielten den spanischen Boden für geeignet, Bakunins anarchistische Ideen aufzunehmen. Während etliche holländische und deutsche Schwärmer für die Rückberufung der einst durch die Inquisition vertriebenen Juden wirken zu können vermeinten, arbeitete Chamerovzow vom „Morning Star“, wenn er seinen politischen Wochenbericht fertig hatte, an der Bekehrung der Spanier zum Protestantismus, indem er als Bevollmächtigter einer englischen Missionsgesellschaft Traktätchen an alle Firmen schickte, die er in einem dickleibigen spanischen Geschäftskalender fand. Einige Berufsgenossen schrieben und sprachen theils für, theils gegen die Sklavenbefreiung, ein Nordamerikaner eiferte dafür, Spanien solle, um aller seiner Schwierigkeiten los zu werden, Cuba an die Vereinigten Staaten verkaufen: kurz, es herrschte der denkbar größte Wirrwarr der Meinungen unter dem internationalen Federvolke auf der Zuhörertribüne des Kongresses, daneben aber auch, wie in freundlicher Erinnerung an jene Zeit bestätigt werden darf, ein herzlicher Verkehr der Berufsgenossen unter einander und mit den Mitgliedern der Cortes selbst. Man besuchte in Gesellschaft die herrlichste Gemäldesammlung der Welt im Museo real, die Stiergefechte und Hahnenkämpfe, Volkssänger und Tänzer, Schauspielhäuser und öffentlichen Bälle und lud sich zu gemeinsamer Tafel ein. Mehr als einmal schickte der Präsident des Hauses, zu dessen Vollmachten auch die Vertheilung von Bonbons unter die Kongreßmitglieder gehörte, die süßesten seiner Süßigkeiten, die Mahonesas (Bonbons aus Mahon) zu uns Herren von der Feder herauf. Und mehr als einmal vereinigten sich Abgeordnete, denen wir zu ihren rednerischen Erfolgen Glück gewünscht hatten, mit uns zur Plünderung eines mit Leckereien und Malagafläschchen gefüllten Korbes, der den Weg vom Abgeordnetenbuffet zu uns gefunden. Neues Leben brachte noch in unsern Kreis ein Paar seltsamer Käuze, das mit dem Anfang des Juni (1869) aus Paris angerückt kam: der eine, klein und bucklig, das blasse, geistvolle, semitische Gesicht von einer undurchdringlichen Mähne schwarzen Haares eingefaßt, der andere, eine lange, dürre Hopfenstange, mit mongolischer Gesichtsbildung, die rothblonden Haare kurz geschoren. Jener, Alfred Naquet, damals noch Chemiker seines Zeichens und wüthender Republikaner, später Senator und Urheber des berühmten Ehescheidungsgesetzes in Frankreich und darnach Schleppträger des Generals Boulanger; dieser der fruchtbare russische Romandichter und panslavistische Wühler Boborykin: beide natürlich gleichfalls mit unfehlbaren Allheilmitteln für die Rettung Spaniens versehen. Leider konnten sie dieselben aber nicht öffentlich anpreisen, denn sie litten dermaßen unter der allerdings schon zu Anfang des Sommers sehr starken Hitze, daß sie vorzogen, ihre Tage in einem dunkel verhängten Zimmer und abwechselnd in einer stets aufs neue mit frischem Wasser gefüllten Badewanne zuzubringen. Ein unvergeßlicher Anblick, wenn, einem Böcklinschen Meergreise vergleichbar, Naquet in der Wanne kauerte, während sein russischer Freund im Bademantel mit Riesenschritten das Zimmer auf- und abwandelte oder der letztere seine dürren Beine über den Rand der Wanne heraushing und den Strom der südfranzösischen Beredsamkeit seines auf einem Lehnstuhl neben ihm hockenden Freundes über sich ergehen ließ!

In welche Kategorie von Politikern und Menschen gehörte aber der letzte fremde Ankömmling, der mit einem Mal auf unseren Bänken erschien? Es war ein untersetzter, breitschulteriger Mann, eher einem kühnen Geschäftsunternehmer als einem Schriftsteller ähnlich, mit blitzenden, durchbohrenden Augen unter kraftvoll herausgewölbter Stirne, die Backenknochen stark hervortretend, die Oberlippe mit einem dünnen Bärtchen bedeckt, das Kinn energisch herausgearbeitet, das dichte, dunkle Haupthaar nach rückwärts gestrichen. Schweigend pflegte er einige Tage hindurch in unserer Mitte Platz zu nehmen; die Verhandlungen über die neue spanische Verfassung schienen ihm nur geringer Aufmerksamkeit würdig; um so eifriger beobachtete er das Gebahren der maßgebenden Persönlichkeiten der Revolution, Prims, Serranos,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1890, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_140.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)
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