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Seite:Die Gartenlaube (1890) 797.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Bill war kreidebleich geworden, der Mund stand ihm offen, ein Bild des Entsetzens bot er.

„Das lügst Du, Tönningen,“ röchelte er, mühsam nach Athem ringend. „Es muß ein Sprung sein! Ich sah ihn zwar nur einmal, aber der Klang – her mit dem Glas!“

Mit zitternden Händen entriß er es ihm und drehte es nach allen Seiten.

„Herrgott! Wenn es kein Sprung wäre! Alles einer Täuschung geopfert, ein ganzes Leben – Laura – Maria –“

Er tastete und kratzte wie wahnsinnig an dem Glase herum. „Heilige Maria, kein Sprung!“

Da entglitt das Glas seinen Händen und zerschellte in Scherben. Bill sank in die Kniee, bedeckte sein Antlitz mit beiden Händen und schluchzte laut. „Kein Sprung!“ wiederholte er nur immer wieder verzweifelt.

Tönningen erschrak selbst vor der furchtbar unerwarteten Wirkung seines Heilmittels; doch faßte er sich rasch, die Krisis mußte eintreten.

„Und da freut es Euch nicht,“ redete er dem zusammengebrochenen Manne zu, „daß alles nur ein häßlicher Traum war, daß Ihr mir jetzt ohne Gewissensbisse Maria zum Weibe geben könnt, daß Euer Geschick keiner blinden, dunklen Macht überantwortet ist, sondern nur Eurem eigenen Willen, daß derselbe gütige Gott es leitet, der auch das von uns allen lenkt! Das muß Euch freuen, selbst wenn Ihr Euch dabei sagen müßt, daß Euer Wahn, von dem Ihr nun geheilt seid, Euer ganzes Unglück war. Auf, Bill Lührsen, zu neuem Leben! Ich biet’ Euch Hand und Herz, sie kennen beide kein Falsch!“

Bill lächelte unter Thränen; er erhob sich, wie aus einem Traum erwachend.

„Ist’s denn wirklich möglich! Ein neues Leben! Ein Schiff! Die weite See – mein Weib – mein Kind! Tönningen, es ist zu viel, ich kann das viele Licht nicht allein ertragen. Maria! Laura!“ rief er, die Thür öffnend.

Maria eilte herein. Tönningen streckte ihr die Arme entgegen, – sie wußte alles.

„Es ist ja kein Sprung, Laura,“ rief Bill seinem Weibe zu, „nur eine Falte im Glas, der Kapitän hat es mir deutlich gezeigt! Ich ließ es fallen vor Freude, da liegen die Trümmer, aber ich versichere Dich, nur eine Falte im Glas – Laura, wir waren rechte Kinder – wie eine Binde fällt es mir jetzt von den Augen! – Kinder? Nein, ein Schurke war ich, Laura, ein erbärmlicher Schurke! Verzeihe mir um des Glückes dieser beiden willen – Deiner Kinder!“

Das war zu viel des Freudensturmes für Lauras im Leid ermüdete Seele; sie warf einen Blick auf die grünen Scherben des Glases am Boden, auf das in sich versunkene Paar, auf Bill, der sie in seinen Armen hielt. Erst an dem klaren Blick Jakobs, der auf sie zutrat und ihr die Hand reichte, fand sie ihre Fassung wieder.

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Als Claus, der Richter, die freudige Nachricht erhielt, daß das Mittel gewirkt habe und Bill völlig geheilt sei, da eilte er trotz seines hohen Alters noch zur Hochzeit Jakobs und Marias.

Als der Bräutigam nach dem Mahle dem Alten von der Falte im Glase erzählte, die Bill fälschlich für einen Sprung gehalten habe, da lächelte er verschmitzt; als man dann wie einst vor zwanzig Jahren das Brautpaar leben ließ und die Gläser hob, rief er: „Obacht, Kinder, damit es nicht wieder Falten giebt, sie taugen nichts, in den Gläsern nichts und nichts in den Gesichtern!“

Alles lachte, nur Bill senkte beschämt den Blick.

„Lührsen-Tönningen“ heißt heute die größte Reederfirma in H., sie führt einen grünen Römer im Schiffswappen.


Aufruf

zur Errichtung eines Denkmals auf Helgoland für Hoffmann von Fallersleben, den Dichter des Liedes
„Deutschland, Deutschland über alles“.

Es sprach des Deutschen Kaisers Mund:
„Der letzte Fleck von deutschem Grund,
Nun zählt er zu dem deutschen Land!“ –
Er sprach’s am Helgolander Strand.
Da stieg auf Fels und Haus und Boot
Das Banner, schwarz und weiß und roth,
Da donnerten Kanonen rings –
Und durch die deutschen Gaue ging’s:
Nun ist zum Reiche heimgebracht
Des deutschen Landes Nordlandswacht!

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Wo man in deutschen Lauten spricht,
Durch jedes Herz tönt ein Gedicht,
Das Deutschland über alles preist –
Nicht immer klang’s im gleichen Geist!
Es stieg wie leises Fleh’n zu Gott,
Als Deutschlands Zwietracht aller Spott,
Und jauchzend sang’s des Volkes Schar,

Als Deutschland über alles war! –
Wo aber wuchs der Sang empor?
War’s an des Rheines Rebenflor?
War’s, wo die Donau südwärts zieht?
Erklang am Main „der Deutschen Lied“?
Vom Meer umbraust, vom Sturm umweht,
Das rechte Wort fand der Poet!
Vom Felseneiland Helgoland
Ein Dichter hat’s hinausgesandt,
Das Lied von deutscher Herrlichkeit,
Das Trost uns war in trüber Zeit,
Und heut’ in sich gesammelt hält
Das Fühlen einer deutschen Welt! –
Das Lied von deutschen Lippen fliegt,
Wo sich die Palmenkrone wiegt;
Wo über’m Eis das Nordlicht flammt,
Singt’s, wer von deutschem Blut entstammt.
Wir singen’s, wenn beim frohen Fest

Man brüderlich die Hand sich preßt,
Da steigt der Sang in hellem Chor
Gewaltig aus der Brust empor –
Eins sind wir all’ in Herz und Geist! –
Und, wenn’s im Feld zu sterben heißt,
Wo’s um die höchsten Güter geht,
Wird’s deutschen Kriegers Schlußgebet! –

0000000

Wo er es sang, was wir gefühlt,
Hoch auf dem Fels vom Meer umspült,
Da rag’ das erzgegoss’ne Haupt
Des Dichters, der da fest geglaubt
An unsres Reiches Auferstehn
Und große Zeit vorausgesehn!
Deß’ Wort begeisternd uns erklang
Im deutschen Nationalgesang,
Der jenes Lied uns hat erdacht,
Sein Bildniß zier’ die Nordlandswacht!
 Emil Rittershaus.

Auf dem neuen deutschen Gebietstheile Helgoland entstand am 26. August 1841 das Lied Hoffmanns von Fallersleben „Deutschland, Deutschland über alles“, das „eine Volksthümlichkeit erlangte, die bis heute ungeschmälert sich erhalten hat und sich erhalten wird, so lange der Deutsche die Liebe zum Vaterlande als Heiligstes in seiner Brust bewahrt“. Bei jeder Gelegenheit, wo des Deutschen Reiches gedacht wird, braust es begeistert und begeisternd durch die Reihen der Sänger und „nährt als deutsche Nationalhymne die Gluth vaterländischer Liebe“.

Im nächsten Jahre feiert dieses „Lied der Deutschen“ das fünfzigjährige Jubiläum.

Was es für den deutschen Patriotismus gewirkt hat, können wir dem Dichter nicht vergelten; aber ein Zeichen des Dankes und der Anerkennung vermögen wir dem echt deutschen Manne in äußerer Gestalt darzubringen, wenn wir auf dem Geburtslande des Liedes ihm ein Denkmal errichten, das an der Seewacht des geeinten Deutschen Reiches die unvertilgbare Kraft der Vaterlandsliebe hinaus in alle Welt dringen lassen soll. Gerade auf der Insel, von der Hoffmann von Fallersleben äußerte: „Helgoland muß deutsch werden,“ sollte, nachdem das Wort zur That geworden, ein Denkmal des Vaterlandes Dankbarkeit bekunden.

Am 22. September 1890 haben in Kassel deutsch gesinnte Männer und Frauen den Plan gefaßt, Sammlungen für ein solches Denkmal zu veranstalten und auszuschreiben. Dasselbe soll in einer großen Bronzebüste auf Granitblock bestehen, einfach und schlicht, aber erhaben und würdig. Mit einem hervorragenden Künstler sind Verhandlungen angeknüpft, und es ist Aussicht, daß, wenn die Sammlungen baldigst einen günstigen Erfolg zeigen, bis zum Geburtstage des herrlichen Nationalliedes die Enthüllung stattfinden kann. Die Kosten dürften sich auf ungefähr 10000 Mark belaufen.

Unter Hinweis auf das an der Spitze stehende Gedicht eines warmen Freundes des Verewigten, das in jener Kasseler Versammlung dem begeisterten Herzen entquoll, ergeht die Bitte, allenthalben zu Gaben aufzufordern. Als besonders ersprießlich erscheint es, so oft das „deutsche Lied“ gesungen wird, in unmittelbarem Anschluß an die dadurch hervortretende gehobene Stimmung Sammlungen zu veranstalten.

Die eingehenden Gelder wolle man an den Geheimen Regierungsrath Robert Fischer in Gera (Reuß) einsenden, der die Bewahrung derselben und öffentliche Empfangsbescheinigung in der hierzu zur Verfügung gestellten „Gartenlaube“ übernommen hat.


Anmerkung der Redaktion. Die deutschen Zeitungen werden um Nachdruck des Aufrufs und um Veranstaltung von Geldsammlungen freundlichst gebeten.


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 797. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_797.jpg&oldid=- (Version vom 17.10.2024)
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