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Seite:Die Gartenlaube (1890) 827.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

die Stellung der Christbaumzweige, das alles giebt dem Menschen nach dem Volksglauben Winke über die Geschehnisse der Zukunft und insonderheit über sein und der Seinen Schicksal.

Die alten Germanen warfen, um der Götter Willen und die Zukunft zu erforschen, Buchenstäbchen auf ein weißes Tuch, deuteten die Runen, welche diese Stäbchen bildeten, auf bestimmte Worte, und die Priester vereinigten die Worte zu Sätzen, zu Orakelsprüchen. Was einst blutiger Ernst war und über Leben und Tod, über Krieg und Frieden, über das Schicksal ganzer Völker und Stämme entschied, das ward im Laufe der Jahrhunderte zum harmlosen Spiel und meistens, eingeschränkt auf die Vorbedeutung von Ereignissen, die sich in jedem Menschenleben wiederholen, vor allem aber auf die wichtigste Lebensfrage, über die dem einzelnen selbst die Entscheidung zusteht, auf die Ehe. Eine ganze Reihe solcher Losspiele leben noch heute im Volke und werden niemals mit solchem Eifer und solchem Ernst getrieben wie in den Zwölfnächten.

Ebenfalls durch das ganze Germanenthum geht der Glaube an weisende Thiere, der Glaube, daß bestimmte Instinkthandlungen, insbesondere eines Hausthiers, die Bedeutung von Fingerzeigen haben, welche das Schicksal giebt. Wollen die Mädchen zu Pfullingen in Schwaben wissen, welche von ihnen zuerst Braut werden wird, so haschen sie einen Gänserich und binden ihm sorgfältig die Augen zu. Sie bilden um ihn einen Kreis und reichen sich die Hände. Ein loses Liedlein singend, marschiren sie um das taumelnde Thier, und diejenige, welche zuerst von ihm gepackt wird, bekommt zuerst einen Mann. Bei Lorch am Rheine schläfert man am Donnerstag vor Weihnachten eine junge schwarze Henne ein und legt sie auf den Fußboden. In bunter Reihe setzt sich dann die erwachsene Jugend im Kreise darum und wartet auf ihr Erwachen. Sobald sie auffährt, eilt sie auch aus dem Kreise, und das Paar, zwischen dem sie durchläuft, heirathet noch im selbigen Jahre.

Das Weissagespiel der schwimmenden Kerzen in der Bukowina.

In der Bukowina backen die Mädchen um Weihnachten kleine Kuchen, bestreichen sie reichlich mit Fett, versehen jeden mit einem besonderen Abzeichen und legen sie säuberlich der Reihe nach auf ein niedriges Brett. Alsdann wird der Haushund feierlich zum Schmause geladen. Er erscheint auf der Schwelle und wird bald die leckere Speise gewahr. Nun weiß er kraft der heiligen Zeit, in der er sich befindet, ganz genau, welches Mädchen zuerst heirathen wird. Ein Blick auf die lockende Kuchenreihe lehrt ihn sogleich, welcher Kuchen der Glücklichen gehört, und im Vollgefühle seiner Würde als Orakelkundiger erbarmt er sich zuerst über diesen. Doch soll es auch dann und wann vorkommen, daß er, seiner hohen Aufgabe vergessend, sich zugleich über sämmtliche Kuchen macht, ja ganz lose Hunde werfen sogar das Kuchenbrett um. In diesem Falle haben natürlich alle betheiligten Mädchen am gleichen Tage Hochzeit.

Eine andere Gruppe von Losspielen läßt sich zusammenfassen unter dem gemeinsamen Zug der schwimmenden Kerzchen. Auch dieses Spiel kennt die Bukowina. Da ist in der Weihnachtszeit des Abends immer ein reges Laufen von Haus zu Haus. Haben sich zwei, drei oder auch mehr Mädchen zusammengefunden, dann geht’s rasch nach einer stillen Kammer, wo sie sich einschließen und, von niemand belauscht, eine geräumige Schüssel mit reinem Quellwasser auf den Tisch stellen. Jedes Mädchen macht sich nun ein Wachslichtchen auf einer kleinen Wachsscheibe fest. Alle Kerzchen werden aufs Wasser gesetzt, so daß keins den Rand der Schüssel berührt, und zugleich angezündet. Wessen Kerzchen zuerst umschlägt, deren Herzchen ist zuerst verfallen, und ihr Werber wird in Bälde erscheinen.

In Sachsen steht die große Wasserschüssel am Neujahrsabend auf dem Familientische. Sind nur Mädchen zugegen, so verläuft das Spiel folgendermaßen. In leeren Nußschalen werden kleine Stückchen eines dünnen Wachsstockes festgeklebt. Hat das Mädchen nun einen Liebhaber, so denkt sie sich unter einem Kähnchen diesen, unter dem andern sich selbst und unter einem dritten den „Pastor“. Dann setzt sie alle drei Lichterschiffchen brennend aufs Wasser. Kommt sie mit ihrem Schatz zusammen, so wird sie bald seine Braut; kommt auch der „Pastor“ noch dazu, so ist auch bald Hochzeit. Im anderen Falle hat sie böse Aussichten. Hat ein Mädchen mehrere Liebhaber oder mehrere, die sie sich wünscht, so läßt sie für einen jeden eine Nußschale schwimmen und eine weitere für sich. Derjenige, dessen Schale sich mit der ihren vereinigt, wird ihr Schatz. Auch hier spielt der Pastor seine Rolle. – Sind Burschen und Mädchen beim Spiele betheiligt, so bekommt jedes ein Leuchtkähnchen, ein weiteres wird für den Pastor ausgeworfen, und diejenigen, deren Lebensschifflein sich vereinigen, werden ein Paar.

Das beliebteste Weihnachtsspiel Tirols ist „Erde, Brot und Lumpen“. Es wird mit sehr großem Ernste gespielt, und man glaubt noch vielfach an seine Unfehlbarkeit. Auf dem Tische werden drei Töpfe aufgestellt und zwar umgekehrt. Unter dem einen liegt etwas Erde, unter dem andern ein Stück Brot und unter dem dritten befinden sich einige Lumpen. Wer den ersten wählt, kommt in demselben Jahre noch unter die Erde, wer den zweiten vorzieht, zu Brot, und der Besitzer des dritten an den Bettelstab.

Bleigießen.

Weitaus die reichhaltigsten Aufschlüsse über die eigene Zukunft liefert das fast in ganz Deutschland gleichmäßig verbreitete Bleigießen. Auch hier ist ein großes Wasserbecken erforderlich. In einem Eisenlöffel wird über dem Lichte oder auch in der Ofenröhre etwas Blei geschmolzen und dasselbe dann durch einen Erbschlüssel in das Wasser gegossen. Aus den Formen, die es hier annimmt, schließt man auf das Gewerbe des künftigen Ehemannes oder auf sein eigenes Los. Sieht man Seile, Hobel, Leisten oder Scheren, so bedeutet es einen Seiler, Schreiner, Schuster oder Schneider. Rüben und Möhren bedeuten einen Landmann, Schiffe einen Seemann, und kommen Spitzhacke, Kratze und Fäustel zutage, so flüstert man: „Am Ende bekommen wir gar einen Wegearbeiter.“ Hier und da schlägt man auch Eier ins Waser und schließt aus den Gestalten, die der Inhalt annimmt, auf die Zukunft. Aber nicht nur auf die Verehelichung gehen die Winke, die man so erhält. Viele kleine Rüben bedeuten auch Geld, ein Wagen eine Reise, ein Sarg Tod etc.

Eine weitere Gruppe bilden die Wurfspiele. Sie zerfallen in solche, bei denen mit Schuhen, und in solche, bei denen mit Apfelschalen geworfen wird. Mit dem Rücken nach der Thür gewandt, tritt das Mädchen, welches seine Zukunft erforschen will, mitten ins Zimmer. Die anderen schließen um sie einen Dreiviertelskreis, so daß nur der Raum der Thür frei bleibt. Nun wirft das Mädchen den einen ihrer Schuhe über ihren Kopf nach rückwärts. Ist seine Spitze nach der Thür gerichtet, so verläßt sie noch dieses Jahr das elterliche Haus, weist aber der Absatz dorthin, so bleibt sie noch daheim. Liegt der Schuh auf der Sohle, so geht alles glücklich vonstatten, liegt derselbe aber umgekehrt, dann giebt es mancherlei Anstoß.

Im Harz und auch anderwärts wird in der Weihnachtszeit von einem Borsdorfer Apfel die Schale so vorsichtig abgetrennt, daß sie ganz erhalten bleibt. Alsdann wirft man dieselbe über den Kopf. Der Buchstabe, den sie beim Niederfallen auf den Erdboden bildet, ist der Anfangsbuchstabe des Namens des künftigen Gatten. In Böhmen schreiben die Mädchen auch das ganze ABC an die Thür, treten mit verbundenen Augen davor und tippen mit dem Finger unter die Buchstaben. Derjenige, welchen sie treffen, hat die gleiche Bedeutung wie der Apfelschalenbuchstabe.

Ist die Antwort auf die Frage, ob im neuen Jahre Hochzeit sein wird, glücklich bejahend ausgefallen, hat ferner das Bleigießen den Stand des künftigen Gatten bestimmt, so bleibt immer noch allerlei Wissenswerthes übrig; so, ob der Brautigam schön oder häßlich, krumm oder gerade, arm oder reich sein wird. Auch das zu erkunden hat man Mittel gefunden. Geht das Mädchen nachts zwischen Zwölf und Eins in den Holzstall, zieht aufs Gerathewohl abgewandten Gesichts, schweigend und

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 827. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_827.jpg&oldid=- (Version vom 31.5.2023)
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