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Seite:Die Gartenlaube (1890) 828.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

unbeschrieen ein Scheit aus dem Holzstoß und dasselbe ist schlank und gerad gebaut, so ist auch ihr Gatte von solcher Leibesgestalt. Ist es kurz und dick, so wird derselbe weder ein Riese noch allzu schmächtig sein, und ist es ästig, so dürfte ihm gar ein kleiner Rückgratsfehler anhaften. Auch noch auf andere Weise ist das sicher zu stellen. Rafft man zu derselben Stunde einen Arm voll Scheite zusammen und enthält derselbe eine gerade Anzahl, so giebt’s einen gut gewachsenen Mann, andernfalls einen krummen. Dasselbe gilt für das Auszählen eines Kornhäuschens.

Schuhwerfen.

Aber auch derjenige, der längst ein Weib heimgeführt hat, kann allerlei Fragen an die Zukunft thun. Um zu wissen, ob eins aus der Familie im kommenden Jahre sterben wird, braucht man nur mittels eines Erbfingerhutes soviel kleine Salzhäufchen auf den Tisch zu machen, als die Familie Glieder zählt, und jedem derselben eins zuzuteilen. Fällt dann während der Christmetten eins ein, so muß sein Besitzer sterben.

Um das Wetter des folgenden Jahres zu erkunden, giebt es kein so untrügliches Mittel wie das folgende. Am Christabend höhlt man zwölf Zwiebeln aus und füllt sie mit Salz. Man stellt sie auf dem Tische auf und giebt jeder den Namen eines Monats. Ist das Salz einer Zwiebel am folgenden Morgen zerlaufen, so ist der betreffende Monat feucht, wo nicht, trocken. Das Wetter soll freilich in diesem Falle sehr von der Wahl der Zwiebeln abhängen! Aber auch Sonnenschein und Regen bestimmen die Fruchtbarkeit des Jahres und den Ausfall der Ernte noch nicht allein. Daher hat man sich nach einem brauchbaren Verfahren umgesehen, auch dies einigermaßen im voraus festzustellen, und ist übereingekommen, ein Glas Wein ausschlaggebend sein zu lassen. Füllt man nämlich am Heiligen Abend ein Glas Wein bis zum Rande und stellt es beim Zubettgehen auf den Tisch und es läuft in der Nacht über, ohne daß jemand daran stößt, so wird die Ernte überreich. Schon mancher kluge Landwirth hat eine Ernte erzielt, die seine Scheunen kaum zu fassen vermochten, indem er kühlen Wein nahm und beim Zubettgehen noch einmal recht gründlich einheizte. Man muß die Sache nur anzugreifen verstehen!




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Finstere Mächte.

Eine Bauerngeschichte von Elmar Weidrod.

Die Glocken, die den Sonntag einläuteten, sind längst verstummt, im Dorfe sind alle Lichter erloschen, kein Laut dringt mehr zu mir herauf in mein einsames „Herrenhaus“, wie die Leute im Dorfe meine Wohnung nennen. So lange die Glocken klangen, hatte man das Brausen des Nordsturmes nicht gehört, und so lange die Fensterreihen in den Häusern erleuchtet waren, hatte die tiefe Winternacht ihre Herrschaft noch nicht unumschränkt angetreten; jetzt hört man den Sturm wieder ganz allein, und gegen die Herrschaft der Nacht kämpft kein Licht mehr an. Ich könnte mein Licht auch auslöschen und ins Bett gehen, aber ich mag noch nicht. Wenn man Gesellschaft eingeladen hat und die Gäste sind noch versammelt und noch in lebhaftem Gespräch, löscht man auch nicht plötzlich die Lichter aus und geht ins Bett – und ich habe heute abend Gesellschaft: meine Gedanken sind versammelt und erzählen mir eine Menge Geschichten, zum Theil aus längst vergangener Zeit. Das geht bunt durcheinander: die einen fangen an zu erzählen, ehe die andern fertig sind, dann brechen sie ab, fangen etwas anderes an oder erzählen das weiter, was die andern angefangen haben, und diese wieder springen zu etwas neuem über.

Diese Art Unterhaltung gefällt mir nicht, meine Gäste müssen verständig reden und nur über ein einziges gemeinschaftliches Thema. Es ist im Grunde nicht schwer, ein solches Thema zu finden. Der Sturm draußen, der das Glockenläuten überdauert hat, bringt mich darauf, an die finstere Macht zu denken, welche die Herzen der Bewohner des Gebirgsthales, in dem ich wohne, beherrscht, an den Aberglauben, der wohl noch für lange, lange Zeit den Sieg über den reinen Glockenklang der Wahrheit davontragen wird. Wie haben wir schon dagegen angekämpft, der Pfarrer, der Schullehrer, der Arzt und ich, wie haben wir uns bemüht, dem Lichte Eingang zu verschaffen in die finsteren Herzen! In der Schule, in den Kirchen, in den Häusern, an Kranken- und Sterbebetten, an Wiegen und Särgen, bei Trauungen und Einsegnungen ist gewirkt und gestrebt worden, um wenigstens das Unheil abzuwenden, das der Aberglaube schon tausendfach über diese Menschen gebracht hat um wenigstens die Steine hinwegzuräumen, über welche sie im Finstern stürzen würden. Wir haben wenig erreicht. Aber wir wollen weiterkämpfen!

Meine Gedanken haben sich nun alle auf eine Begebenheit geeinigt, welche sich hier ereignete. Ich will sie erzählen, obwohl sie mir nur eine schmerzliche Erinnerung ist an die Fruchtlosigkeit unseres Kampfes. Aber vielleicht wird sie doch auch zum Samenkorn, das da oder dort auf guten Boden fällt und gesunde Frucht trägt.




Etwas abseits vom Pfarrdorfe Dockenförth, in der Nähe der Steinbrüche und der sogenannten Moorheide, liegt der Moorheidehof, der dem Bauern Thomas gehört. Es ist nur ein kleiner Hof mit wenig Vieh und kleinen Aeckern; das Haus ist zwar steinern, aber nur einstöckig, und der Scheuer sieht man es schon an, daß man bei ihrer Errichtung nicht auf große Ernten gerechnet hat – aber der „Moorheidler“ ist doch ein angesehener Mann in Dockenfürth, denn er hat immerhin seinen „eigenen Hof“ und hat nie fremder Leute Brot gegessen. Außerdem ist er der Schwager des Otterhofbauern in Wieselbach, und der ist der reichste Bauer weit und breit, mit dem sich in Dockenförth keiner messen kann, obwohl es das Pfarrdorf ist.

Wie es kam, daß sich die stolze Schwester des reichen Jakob vom Otterhof vor ungefähr dreißig Jahren herabließ, den Moorheidler zu heirathen, weiß ich nicht – jedenfalls genügte es dem Selbstgefühl der Familie des Otterhöfers, daß der Thomas keinen Pachthof hatte, sondern eigenen Grund und Boden, und der Frau war bei ihrem herrischen Charakter ein sanfter, schüchterner Mann

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 828. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_828.jpg&oldid=- (Version vom 26.1.2023)
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