verschiedene: Die Gartenlaube (1890) | |
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in andere „Burgen“ noch nicht gedacht wurde. Die Beziehungen der beiden Schlaraffenreiche in Süd und Nord blieben zunächst nur rein persönliche. Anders wurde es erst 1872, als von Berlin ein Apostelthum zur „Eroberung“ von Leipzig für die Sache des Schlaraffenthums ausging. Es führte dies zu einer Verbündung der drei nun bestehenden Reiche, von denen Praga als das mütterliche erklärt wurde. Auch in Graz erstand 1872 durch Berlin noch ein neues Reich, und von Leipzig aus erfolgte bald danach die Gründung eines solchen in Breslau. Ein Konzil, das im Jahre 1875 zu Leipzig stattfand, bewirkte eine Umarbeitung des „Spiegels“ im Hinblick auf den entstandenen und eine weitere Ausbreitung ins Auge fassenden Föderativbund „Allschlaraffia“, und damit wurden im Geiste der Prager Verfassung die Grundmauern zu dem Bau gezogen, der dann Ende der siebziger und anfangs der achtziger Jahre schnell zu mächtiger Größe aufwuchs.
Die „Berolina“ hatte auf diesem Konzil ihre berechtigten japanischen Eigenthümlichkeiten dem neuen Bundesspiegel geopfert. Siegreich über manche philisterhafte Vorurtheile erhob sich das schalkhafte Banner Uhus auf den Zinnen von immer mehr Burgen in Deutschland und Oesterreich, dann in der Schweiz und in Ungarn, endlich auch jenseit des Oceans in New-York, Chicago und San Francisko. Jede dieser neuen Gründungen mußte durch einen Schlaraffenritter durchaus nach den Vorschriften des Konzilsspiegels und Ceremoniells erfolgen; sie mußte durch ihn dasjenige Mutterreich zugewiesen erhalten, welches während des vorgeschriebenen Probejahrs der „Kolonie“ deren Erziehung überwachte und nach Vollendung derselben die Bestätigung bei „Allmutter Praga“ beantragte, wodurch die Kolonie erst ein in den Verband eingefügtes „Reich“ wurde. Jeder Schlaraffe ist denn auch Mitglied des Bundes Allschlaraffia und in allen Reichen des „Weltalls“ als Ritter zur Sassenschaft berechtigt.
Auf den alle fünf Jahre sich wiederholenden Konzilien und den damit verknüpften Bundesfesten kam das einhellige Gepräge des Schlaraffenthums in all seiner bunten Mannigfaltigkeit zum schönsten Ausdruck. Das einst bescheidene Rüstzeug im Auftreten nahm immer glänzendere, reichere Formen an. Ehrgeizig trachteten sodann die einzelnen Reiche, ihre besonderen Feste, wie Stiftungstage, zehn-, zwanzig- und dann gar fünfundzwanzigjährige Jubiläen, womit die Praga 1884 den Reigen stolz eröffnen konnte, mit allem schlaraffischen Hofstaatspomp in Scene zu setzen und den aus allen Reichen Geladenen eine schöne Gastfreundschaft zu erweisen.
Großartiges hat neuerdings die Berolina zur dreitägigen Feier ihres fünfundzwanzigjährigen Jubiläums in den unteren Räumen des Kaiserhofhotels geboten. Die Abbildungen, welche wir bringen, führen einiges von der stehenden Ausschmückung der „Burg“ vor, in welcher die Berliner Schlaraffen „sippen“, und von den Gebräuchen dieses fröhlichen Ritterordens unserer Zeit. Da ist das Reichswappen der Berolina mit dem Datum ihrer Gründung und dem Schildspruch, der Allschlaraffia gehört „In arte voluptas“, „die Kunst ein Vergnügen!“ Von Palmen umkränzt ist das Gesammtbild ihrer Verstorbenen mit deren photographischen Porträts. „In Ahalla!“ so heißt es von den aus diesem Leben Abgerufenen, denen feierlich das „Trauerlulu“ nachgerufen worden ist. Die Verneigung vor dem in jeder Burg thronenden Uhu ist, wie erwähnt, die erste Pflicht des „einreitenden“ Schlaraffen. Auf seinem Thron ist einer der Oberschlaraffen, welcher „fungirt“ in seiner „Rüstung“ zu sehen; auf dem größeren Bilde erblicken wir ihn und seine beiden „Amtsbrüder“ mit dem ganzen erlauchten Hofstaat, Kanzler, Ceremonienmeister, Schatzmeister, Marschall, Junkermeister, Mundschenk, Truchseß, auch den Hofnarren, damit beschäftigt, die vorgeführten fremden Ritter würdig zu begrüßen. Etwa 350 Schlaraffen aus etlichen fünfzig Reichen waren in der großen Festhalle der Berolina beisammen, in welcher unter rauschender Musik der pompöse Aufzug und „Ehrenritt“ vor der „Allmutter Praga“ stattfand, in der bei perlendem Pilsener „tapfer gesippt“ wurde, „die ganze Nacht“ heitere und weihevolle Vorträge poetischer, musikalischer und dramatischer Art sich in überreicher Fülle drängten und Chorgesänge die aufs prächtigste geschmückten Räume durchbrausten.
Ein Mummenschanz! Aber getragen von dem Geiste harmloser Lust, geweiht den Genien der Poesie und Kunst, darf er wohl als etwas Einziges in seiner Art gerühmt werden. Alt sind manche in seinem Kultus geworden und in treuer Begeisterung mit jungem Sinn ihm ergeben geblieben. Gebildete verschiedenster Berufsklassen haben sich mit Herz und Mund zu ihm bekannt, und wer unter den im Kaiserhof so frohmüthig Sippenden auch an die hundert graue Köpfe mit leuchtenden Augen gesehen, alte Herren von sechzig, siebzig, ja achtzig Jahren mit dem bunten Helm auf dem Haupt, der mußte sich sagen, daß dies Schlaraffenthum das Zeug in sich trage, deutsche Männer in der ganzen Welt zu edler Brüderlichkeit zusammenzuschließen und einem idealen Zuge in unserem Zeitalter frohmüthig und siegreich zu folgen.
Finstere Mächte.
(Fortsetzung.) |
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Die Otterhofbäuerin, eine behäbige, dumme, gutmüthige Frau, Erbtochter eines reichen Vollhufners, bemerkte mit Befremden die Zeichen der Neigung Evas zu einem Knechte; sie konnte sich eine solche Geschmacksverirrung nicht erklären, sie warnte Eva, sich beim Bauer etwas anmerken zu lassen, und schüttelte bedenklich den Kopf, als das Mädchen feuerroth wurde, sowie sie Rupert erwähnte.
„Es ist Zeit, daß Du Dich mit dem Burkhard fest versprichst!“ sagte sie; „Du wirst gar zu wunderlich!“
„Den Burkhard will ich nicht!“ stieß Eva hervor.
„Mir wär’ er auch zu roh,“ sagte die Bäuerin. „Gieb acht, der schlägt Dich in den ersten paar Tagen!“
„Ich will ihn nicht!“ wiederholte Eva.
„Nun ja, das wird sich schon finden,“ sagte ruhig die Bäuerin. „Nimm Dich nur beim Jakob in acht, wenn der merkt, wie sonderbar Du mit dem Rupert bist, wird er fuchswild.“
Jakob war aber nicht so blind, nichts zu merken. Er merkte sowohl Evas als Ruperts Liebe, aber seitdem er den letztern schätzen und achten gelernt hatte, konnte er nicht umhin, es höchst begreiflich zu finden, daß ein Mädchen ihn dem rohen, untauglichen
verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1890, Seite 853. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_853.jpg&oldid=- (Version vom 2.7.2023)