verschiedene: Die Gartenlaube (1891) | |
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Nr. 1. | 1891. | |
Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
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Eine unbedeutende Frau.
Und nun, alter Bursche, will ich Dir alle Deine Fragen beantworten, nachdem ich meiner Freude, von Dir nach fünf Jahren endlich wieder ein Lebenszeichen zu besitzen, auf zwei
langen eng beschriebenen Seiten Ausdruck gegeben habe. Noch
einmal, Du glaubst nicht,
welch ein Jubel Dein Brief
in mir hervorrief; doch das
sagte ich ja schon.
Also, Du fragst zuerst: ‚Was ist aus Dir geworden?‘ - Lieber Wolf, ich habe ein neues Leben angefangen wie Du; ob aber ein besseres? Urtheile selbst!
Als Du mir damals in Berlin zum letzten Male die Hand drücktest, ehe Du in den Wagen dritter Klasse des Hamburger Zuges sprangst, der Dich dem nach Brasilien bestimmten Dampfboot entgegenführte, da blieb ich noch eine ganze Weile, nachdem der Zug längst verschwunden war, dort stehen mit dem Bewußtsein, daß ich am besten gethan hätte, mitzugehen, denn im lieben Vaterlande hatte ich eigentlich nichts mehr zu suchen. Du weißt ja - keinen Pfennig, oder doch nur noch recht wenig Geld in der Tasche, meine Bilder unverkauft, und dazu einen Vater, der mir vor kurzem zugeschworen hatte, er könne mir keine Unterstützung mehr gewähren aus dem einfachen Grunde, weil er seit seiner Pensionirung mit Frau und Tochter selbst am Hungertuche nage.
Warum ging ich eigentlich nicht mit Dir? Ich weiß es nicht mehr. Kurz und gut, ich blieb im Lande und fuhr am andern Tage mit meiner gesammten Habe, d. h. mit einigen Thalern, die mir ein Freund geliehen – Andreas, weißt Du - und mit meinem Malgeräth in den Harz. Du kennst das einsame Forsthaus in der Brockengegend, kennst die niedrige Stube über der Küche und die rothhaarige junge Förstersfrau mit dem blendend weißen Teint und den eigenthümlich rothbraunen Augen, ein schönes Weib. Erinnerst Du Dich noch, wie der launige Gesell, der Förster, uns an einem Sturmabend erzählte, sie sei eigentlich eine Hexe, die ihm am letzten April just um Mitternacht durch den Schlot in seine einsame Küche huschte, sie habe auf ihrem Besenstiel hoch oben in den Lüften das Gleichgewicht verloren und auf diese Weise einen anständigen Mann bekommen. Ich höre immer noch ihr Lachen dazu; eine Hexe war sie wirklich. Nun, also dort wollte ich malen wie schon manches Iahr und mein Schicksal abwarten; es mußte ja doch ein Bild verkauft werden in München oder Berlin.
Erlasse mir die Beschreibung jener Zeiten. Im Juni ging ich hinauf, der Herbst fand mich noch dort - ohne Mittel. Ich hatte nicht Lust, dem Rathe meines Vaters zu folgen, der mir vorschlug, Dekorationsmaler oder Tüncher zu werden, und eines Tages ging ich in schwer zu
verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Leipzig: Ernst Keil's Nachfolger, 1891, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_001.jpg&oldid=- (Version vom 13.8.2023)