verschiedene: Die Gartenlaube (1891) | |
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Mannes da einschlagen, wo er beim Aufstehen und Zubettgehen den Fuß hinzusetzen pflegte. Falls er ihr untreu wäre, so würde er kraft dieses Nagels krank werden und schließlich auch sterben. Trotz dieser abschreckenden Folgen, welche der Thörin eingeredet wurden, ging sie aus den Rath ein und „vernagelte“ ihrem Mann den Tritt. Zufälligerweise wurde er nun wirklich krank. Darüber gerieth aber die Frau, die inzwischen Mutter geworden war, in große Angst und in so heftige Gewissensnoth, daß sie ihr Geheimniß dem Arzte anvertraute. Derselbe hatte schließlich mehr damit zu thun, die Frau wegen ihrer sinnlosen That zu beruhigen, als den kranken Mann wieder herzustellen. Das letztere gelang ihm, das erstere nicht. Reue und Scham machten die junge Frau gemüthskrank und sie mußte von ihrem gesundeten Mann ins Irrenhaus gebracht werden.
Ein Berliner Berichterstatter hat einmal seine Studien über die allerdings harmlosen und komischen Aeußerungen des Aberglaubens mitgetheilt, welchem sich die Mitglieder der Stammgesellschaften in den Volksküchen der Reichshauptstadt hingeben. Danach legten manche der Gäste Bedeutung darauf, ob sie auf ihrem Platz am Speisetisch die Flasche mit Wasser rechts oder links zur Hand hatten; stand sie rechts von ihnen, so fürchteten sie, daß es mit der Aussicht auf Arbeit „wässerig“ sei. Diejenigen dagegen, welche sich aufs Betteln verlegt hatten, erachteten es als übles Vorzeichen, wenn sie links stand. Diese Wasserflasche oder -kanne auf der Tafel spielt so eine große Rolle in der Volksküchengesellschaft. Sind doch andere wieder beflissen, die Kanne mit dem Henkel auf sich zuzudrehen „damit das Wasser von ihnen weggehe.“ Auch die Straße hat da abergläubische Bedeutung. Die einen wollen sie im Rücken haben, damit sie nicht „auf die Straße hinaussehen“, die andern denken umgekehrt, sie soll ihnen Aussicht gewähren, und setzen sich danach. Obdachlose oder nicht arbeitende bettelnde Personen rechts neben sich zu haben, sucht man besonders zu vermeiden, da deren Elend gleichsam ansteckende. Wirkung haben könnte.
Wenn Beelzebub den Beelzebub austreibt. so ist dies für vernünftige. Leute gewiß eine ebenso große Befriedigung, wie meistens auch ein sehr erheiterndes Schauspiel. Im Friaulschen giebt es ein besonderes Fest für diesen abergläubischen Brauch. Nach dem Städtchen Classetto ziehen an dem hierfür bestimmten Tage im Mai große Pilgerscharen, viele darunter barfuß, welche diejenigen mit sich führen, die an Nervenkrankheiten, Hysterie, Veitstanz und dergleichen leiden. Es ist nämlich für alle Welt dort und auch für die Kranken eine ausgemachte Sache, daß sie von bösen Geistern besessen seien. Aber in Classetto, diesem altgesegneten. Ort, sollen sie ihnen ausgetrieben werden. Hier bringt man die Besessenen in die Kirche, und alsbald geht die Austreibung im handfesten naturalistischen Stil vor sich. Aus lauter Barmherzigkeit walkt das gesunde Volk das kranke durch schüttelt und rüttelt es, und je mehr die Aermsten schreien, für desto erfolgreicher gilt die Kur. Endlich stürzen die Gemißhandelten ohnmächtig zusammen, und das ist der Augenblick des Triumphes für ihre Peiniger Hosianna! Hosianna! ertönt es in der Kirche verzückt aus aller Munde. Die königlich italienische Polizei, welche für diese biederen Volkssitten aus der mittelalterlichen Zeit kein rechtes Verständniß besitzt, ist zwar dieser Teufelei auch schon kräftig entgegengetreten, aber es ist wie mit dem Haberfeldtreiben in Bayern: im geheimen wird der Unsinn alle Jahre wieder fortgesetzt.
Bei einer meiner sommerlichen Niederlassungen im Bregenzer Walde erzählten die Herren des Gerichts von Bezau an der Wirthstafel unter anderem die Geschichte vom Troddeltony, die hier vortrefflich am Platze ist. Dieser Troddeltony war ein sonderbarer Bursche, der Vermögen besaß und künstlerische Liebhabereien damit befriedigte. Als er ein sehr schönes Weib geheirathet hatte, baute er sich auch ein hübsches Haus in einem Dorfe im Bregenzer Walde und schnitzelte dasselbe äußerlich selber mit Figuren gar seltsamlich aus. Nach mehreren Jahren seines ganz einsiedlerischen Lebens war er mit seinem Gelde zu Ende und wurde arm wie Hiob aus seinem Schnitzhäuschen auf die gemeine Landstraße gesetzt. Er ging fort, man wußte nicht wohin. Nur die Hirten behaupteten, ihn im Walde öfter gesehen zu haben. Endlich entdeckten ihn Forstleute in einer unwegsamen Schlucht bei dem „Zillerkampen“ unter einem überhängenden
verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Leipzig: Ernst Keil’s Nachfolger, 1891, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_029.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)