verschiedene: Die Gartenlaube (1891) | |
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Er fiel auf das rothe Sammetpolster zurück, und unter schallendem Gelächter stieß man an.
Es war Weinmann, der Gärtner, der Nachbar der Margolds.
Hans wußte, was hier gefeiert wurde, und er wäre am liebsten sofort umgekehrt, denn der Neid packte ihn. Da erblickte er Loni, die Tochter, unter der Gesellschaft, sie lachte und scherzte mit einem jungen, fein gekleideten Mann – da folgte er der Einladung.
Alles war schon ziemlich angeheitert, eine Batterie geleerter Flaschen mit rothen Köpfen stand umher.
Loni war in sichtlicher Verlegenheit beim Anblick des jungen Mannes, der ihren Nachbar so scharf ins Auge faßte; sie wandte sich, um dieselbe zu verbergen, mit lauter Stimme an Bertl, welche, ganz betäubt von dem Lärm, dem schweren Weindunst, dem blendenden Lichte, sich kaum zurecht fand.
Der alte Weinmann übernahm die Vorstellung.
„Herr Bau – Baumeister Stef-f-fanelly, Herr Ingenieur Mareschall – künftiger Schwie – Schwiegersohn.“
„Papa!“ rief Loni in verweisendem Tone.
Herr Stefanelly machte ein verdutztes Gesicht.
„A was – lange G’ – G’schichten – seid fi – fidel Kinder! Heute darf man ja doch einen Spaß ma – machen!“
Man nahm Platz, ein Kellner brachte zwei weitere Gläser und schenkte ein.
Hans war empört über den angetrunkenen Alten; denn sprach er auch zu viel, so war doch etwas daran. Mareschall war die rechte Hand des Stefanelly, des Käufers des Weinmannschen Anwesens, eines der ersten Bauspekulanten M ... s. Aber Hans hatte doch bereits von der Welt so viel gelernt, um sich nichts merken zu lassen.
„Natürlich schon gehört, Herr Mar – Margold? Herr Stefanelly ist jetzt Ihr Nachbar – großes Palais – Straße Stefanelly – Sie sind doch ein verfluchter Kerl, Stefanelly –“
Weinmann drohte blinzelnd mit dem von harter Arbeit gekrümmten Finger. „Die Hachinger sollten Ihnen die Hand küssen – alle – der alte Margold – das heißt, mir sollte man sie eigentlich küssen, ich habe den Anfang gemacht, jetzt kann’s jeder – keine Kunst mehr!“
„Da irren Sie sich ein wenig,“ sagte Stefanelly, dem die Art und Weise Weinmanns sichtlich nicht angenehm war; er rückte wenigstens etwas von ihm weg. „Herr Margold hätte schon längst vor Ihnen verkaufen können, das sage ich Ihnen, aber er will nicht.“
Hans schoß das Blut in den Kopf: kein Zweifel, Stefanelly selbst hatte dem Vater schon ein Angebot gemacht, ein höheres jedenfalls wie dem Weinmann.
„Entschuldigen Sie, Herr Margold, aber ich versichere Sie,“ wandte sich der Baumeister an Hans, „ich habe noch nie eine solche Hartnäckigkeit getroffen wie bei Ihrem Vater.“
„Na, der Brennberg – bei dem langt’s auch!“ warf Weinmann ein.
„Bei solchen Leuten begreife ich es eher, die stecken einmal in ihrem Vorurtheil und all dem alten Kram, aber ein Mann wie Margold, ein Mann der Arbeit, dem jetzt das Glück in den Schoß fällt, daß der sich so gegen seinen Vortheil wehrt, das ist mir in meiner Praxis noch nicht vorgekommen. Das Gute ist nur, daß er zu seinem Glück noch gezwungen wird; einem solchen Ungeheuer wie M ... kann man keine Schranke entgegen setzen, es zerbricht sie einfach. Entschuldigen Sie meine Offenheit, Herr Margold, aber ich setze voraus, daß Sie in diesem Punkte andere, praktischere Ansichten haben als Ihr Herr Vater.“ Er betrachtete Hans von oben bis unten.
„Hab’ ich auch, aber was nützt es mir? Er fürchtet sich nun einmal vor baarem Gelde, er hat keine Ahnung, wie man damit arbeitet.“
Weinmann lachte hellauf.
„Es ist etwas daran, es ist etwas daran!“ – die hohe kahle Stirn des Baumeisters zog sich, als er das sagte, in schwere Falten – „aber ein so einfacher, solider Mann, er braucht ja nicht zu spielen – sicherste Anlagen –“
„Nein so was! Fürchten thut er das baare Geld!“ fiel Weinmann dazwischen, indem er sich wand vor Lachen. „Ich nicht! Ich nicht! Mein Lebtag nicht! Allerdings ein bißl umzugehen damit muß man verstehen, daß es auch was gleich sieht; das kann man aber auch als früherer Mann der – Arbeit – ha, da ist mir nicht bang’ – G’schmack muß man haben – da – da – zum Beispiel –“
Er spreizte seine krummen harten Finger; an dem einen steckte ein blitzender, aufdringlich gefaßter Diamant, der die Hand wie aus Erde geformt erscheinen ließ.
„Den hat mir die Loni heut’ gekauft zur Erinnerung an den Tag, d. h. die Loni – Sie verstehen schon!“ – er lachte selbstgefällig und wendete die Hand hin und her, daß sich die Strahlen darüber kreuzten – „das nenn’ ich Geschmack, und haben thut man auch was davon – ja, da ist mir nicht bang!“
Er ergriff ein Kelchglas, als packe er eine Schaufel, und trank es auf einen Zug leer.
Aus der nordamerikanischen Vogelwelt. In den begeisterten
Schilderungen der Naturpracht Westindiens, welche Columbus in seinen
Briefen und Berichten gegeben hat, ist oft von dem Gesang der Nachtigall
die Rede. Der große Entdecker war in einem Irrthum befangen: die Inseln,
die er zum ersten Male gesehen hatte, lagen nicht am Ostrande Asiens,
sondern gehörten einer „Neuen Welt“ an, und in dieser gab es auch eine
besondere Vogelwelt, in welcher andere Sängerinnen unsere Nachtigall
ersetzten. Die spanischen Ritter der Conquista, die mit Bluthunden nach
den Goldländern zogen, kümmerten sich wenig um diese Sänger des
Waldes; anders die „Pilgerväter“, die gekommen waren, um in Neuengland
den Wald urbar zu machen: sie lauschten den Liedern der Vögel,
die sich in der Nähe der Blockhütten niederließen, und sie fanden bald
jene gefiederten Sänger heraus, welche gern in der Nachbarschaft der
Menschen nisten.
Als der erste Winter, den die „Pilgerväter“ in Massachusetts zubrachten, zu Ende ging, da erblickten sie in den heimkehrenden Vögeln die Boten des nahenden Frühlings, und zu den ersten dieser Boten zählten zwei liebliche Sänger, der Hüttensänger und die Wanderdrossel. Trotz Schnee und Eis schmetterten diese Vögel ihre Jubellieder hoffnungsvoll durch den kahlen Wald, und die Pilgerväter nannten den einen, der sich durch die rothe Färbung der Brust auszeichnete, Robin (oder Robin Redbreast) und dachten dabei an das trauliche, von ihnen so sehr geliebte Rothkehlchen ihrer Heimath. Es war die Wanderdrossel, welche die ersten Gründer der Vereinigten Staaten in ihr Herz schlossen und die noch heute in den Staaten von Neuengland besonders hoch geschätzt und auf alle Weise gehegt und geschützt wird.
Auf dem Rücken blau, auf der Unterseite braun war der andere Vogel; er war noch zutraulicher als die Wanderdrossel, und die ersten Ansiedler nannten ihn „blaues Rothkehlchen“: jetzt heißt er „Hüttensänger“ oder „Blauvogel“ bei den Deutschen, „Bluebird“ bei den englisch sprechenden Nordamerikanern. Während die Wanderdrossel im Norden besonders beliebt ist, erfreut sich der Blauvogel dieser Beliebtheit überall, wozu nicht nur seine Zutraulichkeit, sondern auch seine Farbenpracht viel beiträgt: „auf dem Rücken des Himmels Aetherblau, auf der Unterseite der Erde bräunliches Gewand!“
Keiner der gefiederten Gartenbewohner zeigt eine solche Anhänglichkeit an den Menschen wie er. Er ist in der That halb zum Hausvogel geworden. Wenn im Urwalde das einfache Blockhaus des Ansiedlers entsteht, so ist er es, der, von Stumpf zu Stumpf fliegend, seine Lieder singt. Er gehört zu den nützlichen Vögeln, da er nur Insekten vertilgt, an Knospen, Beeren, Kirschen oder Trauben sich aber nicht vergreift.
Man sucht ihn darum in Nordamerika, wie bei uns den Staar, durch Nistkästen anzulocken. Leider ist diesem schönen Vogel in neuerer Zeit ein arger Feind erwachsen. Der europäische Sperling, der erst vor wenigen Jahrzehnten nach Amerika eingeführt wurde, hat sich in der Nähe der Städte, wie z. B. Chicago, ins Ungeheuerliche vermehrt und macht dem Hüttensänger den Platz streitig; in der That werden dort, wo die Sperlinge schon zahlreich sind, kaum noch Blauvögel brütend angetroffen. Der Sperling ist aber an dem Verschwinden des Blauvogels nicht allein schuld. Konrad Kretz beschuldigt in seinem Gedichte, das den Hüttensänger verherrlicht, den Rauch und Lärm der Fabriken, das Verschwinden der Wälder – kurz die Kultur und wundert sich nicht:
„Wenn die Wandervögel den Weg verfehlen,
Oder wenn mein Nachbar, der Hüttensänger,
Einen stillen Platz für die Brut sich auf dem
Lande gesucht hat,
Wo die Luft noch rein ist, wo Flocken Ruß noch
Nicht sein himmelblaues Gewand beschmutzen,
Wo die Nacht noch Nacht ist und müden Wesen
Heilsamen Schlaf bringt.“
verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Leipzig: Ernst Keil’s Nachfolger, 1891, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_034.jpg&oldid=- (Version vom 28.6.2023)