Verschiedene: Die Gartenlaube (1891) | |
|
festsitzende Knospen, welche mit den übrigen Thieren der ganzen Kolonie in Verbindung bleiben, dem allgemeinen Gesetze, das für alle festsitzenden Thierkolonien gilt. Die auf ungeschlechtliche Weise erzeugte Knospe vermehrt die Insassen der Kolonie, das durch geschlechtliche Befruchtung erzeugte Junge verläßt die Kolonie, um als Pionier in das Weite zu schweifen und in größerer oder geringerer Entfernung eilte neue Kolonie zu bilden.
Wie dies geschieht, habe ich schon angedeutet - es dürfte aber wohl von Interesse sein, den Vorgang etwas näher zu verfolgen.
Die Eier werden innerhalb der Hohlräume, an deren Wänden sie sich entwickeln, zu kleinen, platten Würmchen, die etwa einen Millimeter Länge haben, weißlich durchsichtig und über und über mit Flimmerhaaren bedeckt sind, mittels welcher sie in der Flüssigkeit umherschwimmen. So drehen und winden sie sich eine Zeitlang in den engen Innenräumen umher, bis sie durch die Spalten des Magensackes in diesen gelangen und schließlich durch den Mund des Polypen in das freie Wasser hinausschlüpfen. Diese wurmförmigen, etwas abgeplatteten Larven, die man Planulae genannt hat, haben noch keinen Mund, aber eine innere, ringsum geschlossene Höhlung; erst nach einigem Umherschwimmen, wobei sich das eine Ende ballenförmig ausdehnt, das andere aber etwas röhrenförmig auszieht, bricht an diesem spitzeren Ende der Mund durch, so daß dann das Thierchen einer hohlen Birne gleicht. Es schwimmt stets mit dem dicken Ende voran, steigt gern zur Oberfläche des Wassers empor, um sich dann wieder auf den Boden sinken zu lassen. Da es sich nach mehrtägigem Umherschwimmen mit dem stumpfen Ende an irgend einem festen Körper festsetzt, so erklärt sich aus dieser Gewohnheit des Aufsteigens die Thatsache, daß die Koralle gern auf der Unterfläche überhängender Felsen sich festsetzt.
Während man schon Ende April und Anfang Mai in den Gewässern von la Calle, dem Hauptorte der algerischen Korallenfischerei, reife Eier in den Korallenstöcken findet, scheint die Ausstoßung der Larven erst gegen das Ende des Monats August zu beginnen und in der ersten Hälfte des September ihren Höhepunkt zu erreichen; dann nimmt sie ab und im November findet, man weder Larven noch Eier in den Korallenstöcken.
Wollte man auf die Hegung der Korallen dieselben Regeln . anwenden, wie auf den Schutz der Austern und der Fische, so sollte während der Fortpflanzungszeit, also vom 15. August bis letzten September, das Fischen nach Korallen gänzlich verboten werden. Allein bis jetzt hat man an solche Schonungszeiten noch gar nicht gedacht und ehe man sie einführte, müßte man durch erneute und ausgedehnte Beobachtungen erst feststellen, ob diese Epochen auch für alle Meere dieselben sind.
Nachdem die birnförmige Planula eitle Zeitlang umhergeschwommen und vielleicht von Wind, Wellen und Strömungen über weite Strecken weggeführt worden ist, setzt sie sich mit dem breiten Ende fest und bildet nun einen kleinen warzenförmigen Kuchen, ähnlich eitlem Gugelhupf, mit einer centralen Mundöffnung, die in den einfachen Magen führt. Die kleinsten festsitzenden Wärzchen, die der französische Forscher Lacaze-Duthiers fand, hatten nur ein Viertel eines Millimeters Durchmesser, sie machten sich aber schon durch die rothe Farbe bemerklich, die von kleinen Kalknädelchen herrührt, welche in dem durchsichtigen Zellengewebe der Körpersubstanz sich bilden.
Nun wächst der Polyp rasch aus; er erhebt sich auf einer schwammigen Wurzel; der Magensack mit seinen acht Strahlenbändern im Innern und die acht um den Mund gestellten Arme lasten sich bald unterscheiden.
Aber noch ist es ein einfacher Polyp, der mit verbreiterter Basis aufsitzt.
Bald erscheint aber an einer beliebigen Stelle des rothen Körpers ein weißes Wärzchen; es wächst aus, öffnet sich, die Arme brechen durch - ein Tochterpolyp hat sich als Knospe gebildet. Dieser Knospe folgt bald eine zweite, dritte und so fort, wobei sich das Gebilde mehr streckt und in seinem Innengewebe das feste Skelett aus sich zusammenschließenden und miteinander verschmelzenden Kalknädelchen entstehen läßt.
Die Knospung schreitet rasch vorwärts, die Warze wird zu einer lang gestreuten Keule, aus deren Endknopfe stets neue Polypen sprossen. Einige derselben werden vielleicht durch stärkere Zufuhr von Nahrung oder auf eine andere Weise begünstigt, so daß sie zahlreichere Knospen in ihrem Umkreise entstehen lassen; die Stelle hebt sich empor und wird zu einem Aste, der Nebenzweige treiben kann. Aber noch sind die Korallen nicht ganz vor Feinden geborgen, vor Unfällen geschützt. Ein vorüberstreifender Fisch kann wohl einen der sperrigen Zweige abbrechen; die Narbe heilt schnell zu ohne weitere Folgen. Noch öfter werden bei der Fischerei Zweige und ganze Bäumchen abgerissen, die nicht an dem Netze hängen bleiben, auf den Boden fallen, zu Grunde gehen und später als todte Abfälle aufgefischt werden. Es giebt Nacktschnecken, welche mit ihrer bezahnten Zunge die Polypen anderer Korallen förmlich abgrasen; auf den Korallenbänken der südlichen Meere leben Fische, die mit ihren harten schnabelförmigen Schneidezähnen sogar die Kalksubstanz der Korallen abraspeln, und sie mit ihren platten Backzähnen zu zermalmen und die thierische Substanz zu verdauen. In andere Korallen bohren sich kleine Krebsthiere, Rankenfüßer oder auch Muscheln ein; in den halb weichen Bandkorallen (Alcyonium), die ich bei Cette fischte , traf ich fast regelmäßig eingebohrte Krebse an, die tief in das Innere eingedrungen waren. In anderen Fällen werden gewisse Korallen von Schwämmen oder Moossthierchen dergestalt überwuchert, daß sie vollständig absterben und ihr Skelett den Schmarotzern nur noch als Stütze dient. Ich habe sogar Bandkorallen gefunden, um deren Zweige Tintenfische, kleine Sepiolen, ihre Eier so fest mittels eines lederartigen Ringes angeheftet hatten, daß manche dieser Zweige dem Absterben nahe waren.
Weder ich noch irgend ein anderer Beobachter hat ähnliche Vorkommnisse bei der Edelkoralle gefunden. Sie hat andere Feinde, die besonders häufig an den Korallen des westlichen Mittelmeeres, bei Oran und an den spanischen Küsten, sich finden lassen. Ein kleiner Röhrenwurm, eine Serpula, die sich mit einer weißen Kalkröhre umgiebt, bohrt sich bis in den Kern ein, so daß die bearbeitete Koralle von einer Unzahl feiner, weißtapezirter Löchelchen durchbohrt scheint. Die Koralle ist, wie der Händler sich ausdrückt, „gestochen“ und wenig werth. Viele spanische Korallen nehmen die die eigentümliche Durchsichtigkeit der Politur an, welche die Korallen von la Calle und Böne an der algerischen Küste so werthvoll macht. Ihre Masse ist von einem wahren Filze von mikroskopischen Fädelt einer Alge durchschwärmt, die sich auch in andere Korallen und selbst in Muschelschalen einnistet. Zuweilen, aber selten, bilden sich auch solche Filze von mikroskopischen Kieselschwämmen in dem Geäste der Korallen aus.
Aeußerst zart und empfindlich sind die Edelkorallen gegen äußere Einflüsse jeder Art und namentlich gegen schnelle Temperatur oder Lichtwechsel. Lacaze-Duthiers, der sich jahrelang mit ihrer Beobachtung und Behandlung in Aquarien beschäftigte, klagt Jammer und Noth über diese Empfindlichkeit; bei Scirocco starben regelmäßig alle seine Korallen in den Aquarien, wenn diese auch mit beständig fließendem Seewasser gespeist waren; wenn die Temperatur des Wassers 16° C. überstieg, wurden sie unbehaglich, die Polypen schlossen sich und starben nach kurzer Zeit; es war ihm unmöglich, sie den Sommer über am Leben zu erhalten, und im Winter tödtete sie ein Sinken der Temperatur unter 12° C. In den Aquarien der Station zu Neapel, wo die Gläser vor Sonnenstrahlen und grellem Lichte geschützt sind, lebten die Korallen während der Winter- und Frühlingsmonate vortrefflich - aber immerhin gab es unter den vielen einzelne Stöcke, die beharrlich ihre Kelche geschlossen hielten, obgleich die lebhaft rothe Farbe der Bäumchen, die bei dem Tode einer gelblichen Farbe Platz macht, deutlich bewies, daß sie in voller Lebenskraft sich befanden. Lacaze-Duthiers, der nur auf sich und die Mithilfe eines intelligenten Matrosen, den er sich herangezogen hatte, angewiesen war, mußte ungemein viel Zeit, Mühe und Sorgfalt verschwenden, um seine Untersuchungen zum Ziele führen zu können; jetzt hat man es leichter in solchen Stationen wie die von Neapel, wo frisches, durchlüftetes und zugleich Nahrung enthaltendes Wasser den Behältern. in welchen man die Korallen bewahrt. unmittelbar aus dem Meere in stetem Strome zugeführt wird.
Die Korallenfischerei ist für Italien kein unbedeutender Erwerbszweig,
der außer den Fischern selbst eine Menge von Arbeitern ernährt. Bis zu dem Jahre 1873 blieb die Fischerei fast stationär und beschäftigte etwa 360 Boote, van welchen 300 allein von Torre del Greco ausgingen, die anderen besonders von Alghero in Sardinien, Trapani und Messina in Sicilien, Santa Margherita
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_060.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)