verschiedene: Die Gartenlaube (1891) | |
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gemacht, bei denen wir bis 14 Stunden lang im Sattel gewesen waren. Da sagte er mir eines Tages: „Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Sie sind der erste deutsche Professor, der so etwas hier geleistet hat.“ Und als ich in diesem Frühjahr wieder bei ihm in Hissarlik war, kam er auf unseren Dauerspaziergang von Karanli Limani zurück und gestand ein, daß es ihm sehr schwer geworden sei, mit mir Schritt zu halten. Ich weiß nicht, ob jemals ein so nahes Freundschaftsverhältniß zwischen ihm und mir entstanden wäre, wenn ich ihm nicht auch durch körperliche Leistung einigermaßen imponirt hätte. Er nahm seine Leistungsfähigkeit als Maßstab der Vergleichung für andere; wer ihm nicht gleichkommen konnte, der erschien ihm auch minderwerthig. Das war die Folge der selbstbewußten Kraft, welche er in unaufhörlicher Uebung erworben hatte. Die Uebung derselben war ihm so sehr Bedürfniß geworden, daß er nach starker geistiger Anstrengung jedesmal in einem forcierten Ritt oder in einem Schwimmbad Erholung suchte.
Die letzten Jahre brachten freilich sichtbare Zeichen der Abnahme seiner Körperkraft. Seine Hand zitterte leicht und seine Haltung wurde etwas mehr gebeugt. Aber er verlor nicht die Herrschaft über seine Muskeln; es ist ein Irrthum, wenn man erzählt hat, er sei schließlich ein schwacher Mann geworden. Als wir von der letzten Ida-Reise zurückgekehrt waren, sagte er mir: „Ich glaube nicht, daß ich noch einmal den Sarikis besteigen werde.“ Es war ihm sauer geworden, aber er hatte es doch geleistet, und was ich betonen möchte, seine Lunge und sein Herz hatten sich gut gehalten. An ihm konnte man erkennen, was der Mensch durch gute Gymnastik aus einem ursprünglich schwachen Körper machen kann. Hätte die tückische Krankheit, die ganz lokaler Natur war, ihn nicht dahingerafft, so würde er sicher noch manches Jahr in froher Arbeit die Welt mit neuen Entdeckungen überrascht haben.
All sein Streben war dahin gerichtet, mit dem März eine neue, wie er dachte, die letzte Campagne auf Hissarlik zu eröffnen. Seit Jahr und Tag war alles daraufhin geordnet. Jetzt ist der Ort, von wo er so ruhmvoll „die Wissenschaft des Spatens“ verbreitet hat, vereinsamt. Wird sich ein Nachfolger finden, der die unterbrochene Arbeit aufnimmt und zu Ende fuhrt? Wird dies geschehen in dem Geiste treuer, hingebender Forschung, die der Verstorbene in immer reinerer Form entwickelt hatte, in der Gesinnung einer treuen Nachfolge, in der Begeisterung eines klassisch geschulten Geistes? – –
Aus den Tiroler Freiheitskriegen. (Zu dem Bilde S. 57.) Es war ein blutiges Jahrzehnt, das erste unseres sinkenden neunzehnten Jahrhunderts. In schauerlicher Majestät schritt der Kriegsgott über das gehetzte Europa, und wie die Bilder im Kaleidoskop, das des Kindes Hand planlos dreht, so wechselten die Geschicke der Länder und Völker.
Da drehten einmal die Diplomaten zu Preßburg wieder an dem Kaleidoskop: und das Steinchen Tirol, das bisher mit dem Steinchen Oesterreich zusammengelegen hatte, fiel zu dem Steinchen Bayern! Aber es waren eben keine Steinchen, keine empfindungslosen todten Massen, welche die Herren am grünen Tische da durcheinander warfen. Es waren Menschen von Fleisch und Blut, Völker von lebendigem, feurigem Selbstbewußtsein. Und so ging’s nicht!
Als die bayerische Regierung anfing, das Land Tirol nach ihrer Weise einzurichten und zu verwalten, nicht nach der alten, gewohnten, durch jahrhundertelange Ueberlieferungen geheiligten, da ergriff der Geist des Aufruhrs die verletzten Volksgemüther. Helden erstanden wie Andreas Hofer, Speckbacher, Haspinger, und selbst ein Erzherzog war ihrer Sache günstig, Und als die bayerischen Soldaten kamen, das Land zur Unterwerfung zu zwingen, da mußten sie jeden Fuß breit Boden, jeden Paß, jede Straße, jedes Haus erkämpfen. Das ganze tiroler Volk wehrte sich mit dem äußersten Heldenmuthe, vom Knaben bis zum Greise, und selbst die Mädchen und Frauen blieben nicht zurück. Sie luden die Büchsen, sie schleppten die Steine zusammen, sie wälzten die Stämme heran, sie pflegten die Verwundeten, retteten die Verfolgten, beteten für die Bedrängten – und sie vergossen mit ihren Gatten, Vätern, Brüdern ihr Blut im heiligen Kampfe für das Vaterland.
Eine Scene aus diesem Freiheitskriege Tirols hat uns die Meisterhand
Mathias Schmids geschildert. Ein Trupp Männer hat ein den
Thalweg günstig beherrschendes Gehöfte besetzt und die zwei blühenden
Töchter des Bauern haben ihnen treulich geholfen, die Mauer gegen den
Thalhang hin mit Schießscharten zu versehen, Munition herbeizuschaffen
und alles zum ernsten Kampfe vorzubereiten. Da knattern die ersten
Schüsse – noch sieht man den Feind kaum. – Da bricht die eine der
Schwestern, von einer Kugel in die Brust getroffen, mit einem schrillen
Schrei in die Kniee. Mit dem letzten Rest von Kraft hat sie sich noch
hinüber zu dem Bilde des Gekreuzigten geschleppt, dort aber haucht sie ihr
junges Leben aus, und die jammernden Gebete der Schwester mischen
sich in das Toben des Kampfes. –
Venedig. (Zu dem Bilde S. 65.) Gesättigt, überwältigt, fast erschöpft von der Fülle der auf uns einstürmenden Eindrücke haben wir das Denkmal von Venetias Größe, den Markusplatz mit seinen stolzen Palästen, seiner wunderbaren Markuskirche und den tausend andern Sehenswürdigkeiten verlassen und uns, vorbei an dem Dogenpalast, über die „Piazetta“ nach dem Molo begeben, um von dort aus auf wonniger Gondelfahrt die Schlange des „Canal Grande“ entlang uns wieder zu sammeln und zu neuen Genüssen zu erholen. Da, gleich wie wir uns zur Einfahrt in den Kanal anschicken, bietet sich uns ein neues Bild voll zauberhaften Reizes – es ist das Bild, welches unser Künstler festgehalten hat. Zur Linken erhebt sich, eine breite Treppe bis zu dem Spiegel des Kanals herabsendend, die Kirche Santa Maria della Salute. Zwei prächtige Kuppeln wölben sich über dem anmuthigen Bau, der im siebzehnten Jahrhundert, nach der Ueberlieferung zum Andenken an die Pest des Jahres 1630, entstand. Auf der äußersten Spitze der Landzunge aber, welche von dem „Canal Grande“ und dem „Canal der Giudecca“ gebildet wird, fällt uns ein Thurm mit einem eigenthümlichen Aufsatz ins Auge. Es ist der Thurm des Hauptzollamts, der „Dogana di Mare“, und über ihm thut eine riesige Fortuna auf eine großen Kugel Dienste als – Windfahne. Der Künstler, Professor Schönleber an der blühenden Karlsruher Kunstschule, hat diesen Schauplatz noch mit einer reichen Staffage von Fahrzeugen aller Art ausgestattet, so das Ganze zu einem Bilde von packender lebendiger Wahrheit erhebend.
Gefärbte Spielwaren haben schon oft zu Vergiftungen Anlaß gegeben, denn trotz aller gesetzlichen Vorschriften giebt es doch gewissenlose
Leute, welche solche Waren mit giftigen Farben färben. Die Gefahr der
Vergiftung ist bei den lose anhaftenden und sich leicht auflösenden Wasserfarben
am größten, Oelfarbenanstriche sind schon weniger gefährlich, da
bei ihnen die Farben in den Firniß eingerieben sind, welcher die einzelnen
Farbstoffkörnchen mit der unlöslichen Masse des verharzten Leinöls umhüllt.
Am wenigsten gefährlich sind aber die Farben, die man zum Färben
von Kautschukspielwaren benutzt, weil hierbei als Bindemittel in
Schwefelkohlenstoff gelöster Kautschuk verwendet wird, der die Farbe durch feste
Verbindung mit der Kautschukunterlage ganz unlöslich macht. Diese
Farbe bewirkt nach der Aussage des Hygieinikers Prof. Rosenthal, selbst
wenn sie in den Mund genommen wird, keine Vergiftung. Die
Kautschukspielwaren kann man darum ganz besonders zur Anschaffung für ganz
kleine Kinder empfehlen. *
Inhalt: Eine unbedeutende Frau. Roman von W. Heimburg (3. Fortsetzung). S. 53. – Nicht weinen! Bild. S. 53. – Aus den Tiroler Freiheitskriegen. Bild. S. 57. – Die Edelkoralle. Von Carl Vogt. S. 58. Mit Abbildung S. 61. – Truggeister. Roman von Anton von Perfall (3. Fortsetzung). S. 62. – Bei der Kirche Santa Maria della Salute in Venedig. Bild. S. 65. – Erinnerungen an Schliemann. I. Von Rudolf Virchow. S. 66. Mit Bildniß S. 67. – Blätter und Blüthen: Aus den Tiroler Freiheitskriegen. S. 68. (Zu dem Bilde S. 57.) – Venedig. S. 68. (Zu dem Bilde S. 65.) – Gefärbte Spielwaren. S. 68.
[Verlagswerbung für den „Gartenlaube-Kalender für 1892“. ]
verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1891, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_068.jpg&oldid=- (Version vom 28.6.2023)