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Seite:Die Gartenlaube (1891) 148.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

aus, wie man das aushalten könne. „Glückliche Nerven, die Sie haben, Frau Köhler, ich bewundere Sie darum! Wenn Sie Ihre Freundin morgen von der Galerie aus beobachten wollen, Fräulein Therese, so verschaffe ich Ihnen gern eine Karte, Sie können vortreffliche Toilettenstudien machen; der Beamtenball ist berühmt dafür. Man will sich vom Adel und der hohen Finanz nicht ausstechen lassen, das ist der Zeitgeist, lieber bringt man die größten Opfer!“ Sie athmete schwer auf. „O dieser abscheuliche Lärm! Daß man solche Gewerbe in einem Hause duldet, wo die besten Leute wohnen.“

„Sie zahlen gut für den Lärm, den sie machen, das ist der Grund, Frau Räthin,“ konnte sich Frau Köhler, in der es gährte, nicht enthalten, zu sagen.

Die Räthin wurde feuerroth und empfahl sich schleunigst. – –

(Fortsetzung folgt.)


Blätter und Blüthen.

Voltaire in Pommern. (Zu dem Bilde S. 136 u. 137.) Es ist bekannt, wie eng die Beziehungen waren, welche den Kronprinzen und späteren König Friedrich den Großen von Preußen mit dem französischen Philosophen Voltaire verbanden. Trotzdem dies Verhältniß mehrfach aus den Fugen ging, wurde es doch immer wieder eingerenkt. Voltaire war zweimal, in den Jahren 1740 und 1743, zum Besuche in Sanssouci und lebte dann von 1750 ab drei Jahre lang dort, mit dem Kammerherrnschlüssel, dem Orden pour le mérite und einem Gehalt von 20 000 Franken ausgezeichnet. Schließlich kam es aber doch wieder zum Bruche und zur Verhaftung Voltaires in Frankfurt unter der Beschuldigung, daß er dem Könige Papiere mit Gedichten entwendet habe. Der Dichter hatte nur zu sehr frühere Urtheile des Königs über ihn bestätigt: „Der Mann ist nur gut, ihn zu lesen, aber sein Umgang ist zu gefährlich.“ „Voltaire ist seinem Geiste nach ein Gott, seiner Gesinnung nach ein Schuft.“ Am wegwerfendsten, aber auch am schärfsten treffend ist die Aeußerung des Königs: „Voltaire hat die Gewandtheit und Bosheit eines Affen.“

War dieser Ausspruch des Königs auch in seine weitere Umgebung gedrungen oder verglich diese auf eigene Faust den mißliebigen Philosophen mit jenem Tropenbewohner – kurz, man erzählt, ein Page, der sich für die Bezeichnung als „pommersche Bestie“ an Voltaire rächen wollte, habe auf einer gemeinschaftlichen Reise des Königs und Voltaires durch Pommern diesen, der in seinem Wagen hinterdrein fuhr, für den Affen des Königs ausgegeben. Das abschreckend häßliche Gesicht des Fremdlings verlieh dieser boshaften Ausstreuung die nöthige Unterstützung, und so geschah’s, daß der verwöhnte Liebling des Fürsten von den pommerschen Bauern thatsächlich für einen leibhaftigen Affen genommen wurde.

Wir sehen auf unserem Bilde, wie er sich zornig mit geballter Faust aus dem Wagenfenster lehnt, während er der Dorfbevölkerung wie ein seltenes Thier in einem Menageriekäfig erscheint. Die einen betrachten ihn neugierig, die anderen lachen über seine sonderbaren Grimassen und suchen ihn noch mehr zu reizen, was ihnen ohne Zweifel auch gelungen ist. †     

Die Magalhãesstraße. (Zu dem Bilde S. 145.) Was für eine großartige Zeit muß das gewesen sein, jene drei Jahrzehnte am Uebergang vom 15. zum 16. Jahrhundert! Man stelle sich eine ganze Kette von neuen Entdeckungen vor, jede einzelne an Bedeutung für die geographische Wissenschaft, an Reiz für die Phantasie des lebenden Geschlechts zehnmal größer als die Durchquerung der Waldwüste Innerafrikas und die Feststellung des letzten der Nilquellseen! Columbus landet 1492 in Amerika, Vasko da Gama umschifft 1497 Afrika und Magalhães endlich durchbricht nach Westen die Grenzen des Atlantischen Oceans und fährt 1520 durch die Straße, die heute noch seinen Namen trägt, hinein in das endlose Weltmeer und giebt ihm, zum Dank für günstigen Fahrwind, den Namen „Mar pacifico“, das „Stille Meer“. Und zwei Jahre darauf kehrt das letzte übrig gebliebene Fahrzeug seiner Flottille, die „Viktoria“, mit 18 von den 239 Ausgezogenen nach Spanien zurück, das erste Schiff, „das gleich der Sonne den ganzen Erdball umkreist hatte!“ Ist es ein Wunder, daß die Geschichtschreiber der Zeit in ihren Ruhmeserhebungen über solche herrliche Thaten nicht hoch genug greifen können? „Seit Gott den ersten Menschen erschaffen, ist die erste Durchfahrt durch die Magalhãesstraße die größte Neuigkeit gewesen, die auf Erden vernommen wurde!“ schrieb der Spanier Herrera; Odysseus und die Argo erblaßten vor dem Ruhme Magalhães’ und seiner Gefährten und der Name des kühnen Seefahrers ward für würdig befunden, aus einem Sternbilde des südlichen Himmels, den „Magalhãesschen Wolken“, auf ewig zu leuchten.

Die Magalhãesstraße hat eine Länge von 600 Kilometern und windet sich in drei Abschnitten mit erst südwestlicher, dann südlicher, dann nordwestlicher Richtung zwischen dem Festland von Südamerika und den vorgelagerten Inseln – Feuerland ist die größte von ihnen – hindurch. Dem letzten dieser Abschnitte gehört die Ansicht an, die unser Bild zeigt. Hier verengt sich die Straße zwischen zahlreichen Klippen und tiefen Fjorden immer mehr und erweitert sich erst wieder gegen den Ausgang zum Großen Ocean.

„Die landschaftliche Scenerie der von düsteren Sagen umwobenen Meeresenge,“ so schreibt ein Augenzeuge, „ist ein seltsames Gemisch von Monotonie und Großartigkeit der Naturgebilde jener Zone. Ringsum starren dem Schiffe Eisberge entgegen mit tiefen undurchdringlichen Felsenspalten, mit zu Gletschern erstarrten Wasserfällen, die wie gefrorene Niagaras, wie ungeheure Klippen von blaugrünem, durchsichtigem Glas die Seiten der Gebirge und finstern Thäler überhängen. Dagegen dehnt sich das schwarze, dunkle Fahrwasser an hohen Felsen in zahllosen Windungen hin. Zuweilen führen diese Windungen in eine Bucht, die, scheinbar ohne Ausgang, von einer Mauer schroffer Felsen eingeschlossen ist, bis sich plötzlich verschiedene Kanäle zeigen, die den Seefahrer noch mehr in Verlegenheit setzen, da er, falls er fehl geht, wochenlang zwischen Klippen und Kanälen umherirren kann. .. Stets ist der Himmel von dichten Wolken umhüllt, die Atmosphäre ist trüb und beständig nebelig, die Gewässer sind von pechschwarzer Farbe wegen ihrer Tiefe und der finstern Bergschatten. .. Von den nackten, kahlen Felsspitzen aber fährt der Orkan in die Wassertiefe hinab und erzeugt daselbst jene kurzen, brechenden Wellen, die unter dem Namen der Teufelswellen bekannt und die namentlich Segelschiffen so unheilbringend sind.“

Erst in neuester Zeit hat diese Schilderung der Magalhãesstraße eine düstere Bestätigung gefunden. In ihren tückischen Felsenbuchten verlor sich die Spur des Dreimasters „Santa Margherita“ und seines Kapitäns Johann Orth, der einst den Namen „Erzherzog Johann Salvator“ geführt hatte.

Altvenetianische Taufe. (Zu unserer Kunstbeilage.) Die alten Kirchen der Lagunenstadt üben auf Künstleraugen den Zauber, daß aus ihren Schatten am hellen Mittag Gestalten vergangener Zeiten hervortauchen, wenn man still in einer Ecke ruht und mit halbgeschlossenen Augen in das Halbdunkel ihrer Nischen und Bogen hineinsieht. Auf einmal wandeln da paarweise über die uralten Mosaikplatten ernsthaft blickende Senatoren im Purpurgewand, an die Beichtstuhlgitter drängen sich schöne blonde Sünderinnen mit unbußfertig lächelnden braunen Sammetaugen, geistliche Häupter reihen sich im Chorgestühl, und durch den Weihrauchduft schimmert die Goldhaube des Dogen …

Am lieblichsten aber ist das Bild in der Taufkapelle, wo ein jüngster Sproß aus altadeligem Hause – ist’s ein Loredano, ein Pesaro oder ein Grimani? – in seiner Spitzenhülle ruhig den Segen der Kirche und die Aufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen verschlummert hat. Stolz hält die bildschöne Amme den kostbaren Schatz wieder auf den Armen, Mutter und Großmutter bewachen ihn mit liebevollen Blicken, während die junge blonde Tante sich noch einmal über das Pathchen beugt. Sie ist so vertieft in seinen Anblick, daß sie nicht auf die halblauten Reden hört, die dort am Taufstein, der Heiligkeit des Ortes uneingedenk, ihre schöne Base mit dem jungen Nobile tauscht. Seine brennenden Blicke sprechen deutlicher als die hastigen Flüsterworte, und aus ihren Augen strahlt die leichtlebige Heiterkeit, welche als allgegenwärtiges Element das Venedig jener Tage durchdrang, nur Freude und Genuß begehrend, mit künstlerischem Behagen im Glanz des Reichthums sich sonnend und froh nach allen Gütern des Lebens greifend …

Kein Wunder, daß die Künstler unserer Tage sich gerne zurückträumen in die schönheitsfreudige Zeit und die heute so still gewordenen Plätze und Hallen mit den Figuren wieder bevölkern, die so nothwendig in die alte Pracht gehören. Auch der Maler unseres Bildes hat das mit Glück gethan, und bei Betrachtung seiner Schöpfung wird sich mancher gemahnt fühlen an die unvergeßlichen Eindrücke, welche die wunderbare „Beherrscherin der Meere“ in ihm hinterließ.


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

F. R., Hagenau i. Els. Unseres Dafürhaltens ist ein Knabe mit Elementarbildung, wenn er nicht ganz außerordentliche Fähigkeiten besitzt, nicht imstande, die französische und englische Sprache durch Selbstunterricht ordentlich zu erlernen. Der erste Grund wird unter allen Umständen von einem Lehrer zu legen sein. Später können dann die Lehrbücher nach der Methode Toussaint-Langenscheidt ihren Dienst thun.

C. L. G., Verviers. Die Ulanen der deutschen Armee zählen nach dem Schema zur sogenannten „schweren“ Kavallerie. Nach ihrer Verwendungsart aber nehmen sie Mittelstellung zwischen der „schweren“ (Kürassiere) und der „leichten“ (Dragoner, Husaren) ein. Mit der allgemeinen Einführung der Lanze wird sich der thatsächliche Unterschied zwischen den verschiedenen Klassen der Reiterei immer mehr verwischen.

P. F. in Wien. Wir wüßten schon ein Werk, das Ihren Zwecken dienlich wäre, nur müssen wir fürchten, daß Ihnen die Anschaffungskosten zu hoch sind. Es betitelt sich „Die Pflanze in Kunst und Gewerbe“, ist bei Gerlach und Schenk in Wien erschienen und kostet nicht weniger als 270 Gulden oder 450 Mark. Es ist freilich auch ein prächtiges und nach höchst zweckmäßigem Plane angelegtes Werk. Kunstgewerbliche Bibliotheken werden sich dasselbe jedenfalls anschaffen.


manicula Hierzu Kunstbeilage IV „Altvenetianische Taufe“ statt Kunstbeilage III, welche als Farbenbild
der Osternummer beigelegt werden wird.

Inhalt: Eine unbedeutende Frau. Roman von W. Heimburg (8. Fortsetzung). S. 133. – Bekanntmachung. Bild. S. 133. – Voltaire in Pommern. Bild. S. 136 und 137. – Unschuldig verurtheilt! Beiträge zur Geschichte des menschlichen IRrthums. Neue Folge. II. Von Fr. Helbig. S. 138. – Emin Pascha und Casati. Mit Bildniß. S. 141. – Truggeister. Roman von Anton von Perfall (8. Fortsetzung). S. 143. – Die Magalhaesstraße. Bild. S. 145. – Blätter und Blüthen: Voltaire in Pommern. S. 148. (Zu dem Bilde S. 136 und 137.) – Die Magalhaesstraße. S. 148. (Zu dem Bilde S. 145.) – Altvenetianische Taufe. S. 148. (Zu unserer Kunstbeilage.) – Kleiner Briefkasten. S. 148.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1891, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_148.jpg&oldid=- (Version vom 28.6.2023)
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