Verschiedene: Die Gartenlaube (1891) | |
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(176–200 km) 200 x 3 = 600 Kreuzer oder 6 Gulden. Dazu Schnellzugszuschlag von 50 Prozent = 3 Gulden, macht zusammen 9 Gulden.
In welchem Maße die Herabsetzung gegen die früheren Taxen der österreichischen Staatsbahnen und die noch bestehenden fremden Bahnen sich geltend macht, zeigen nachstehende Beispiele: von Prag nach Wien kostete die Reise in der 3. Klasse Personenzug 7 Gulden 10 Kreuzer, heute kostet sie 3 Gulden 50 Kreuzer; von Wien nach Lindau in der 1. Klasse Schnellzug früher 43 Gulden 40 Kreuzer, heute 33 Gulden 75 Kreuzer; von Wien nach Salzburg in der 2. Klasse Personenzug früher 9 Gulden 60 Kreuzer, heute 7 Gulden. – Eine Reise von Breslau nach Stettin kostet in den drei Wagenklassen 33 Mark 50 Pf., 24 Mark 90 Pf. und 17 Mark 40 Pf.; nach dem österreichischen Zonentarif gerechnet würden die Fahrpreise 24, 16 und 8 Mark betragen. Von Berlin nach Königsberg ist heute der Schnellzugsfahrpreis 3. Klasse 27 Mark 80 Pf., nach dem österreichischen Zonentarife würde er sich auf 18 Mark belaufen.
Die größte Ermäßigung haben die Taxen der 3. Klasse Personenzug erfahren; hierfür war der Umstand entscheidend, daß 3/4 aller Reisenden diese Wagenklasse benützen; es kommt somit die Wohlthat des billigen Tarifs vornehmlich den unbemittelteren Volksklassen zugute. Dadurch, daß die Anfangszonen nur kleinen Umfang haben und erst die späteren an Ausdehnung zunehmen, ist dem Verkehr auf kurze Strecken, zwischen benachbarten Orten, bedeutender Vorschub geleistet, indem in allen Fällen zu den genau nach der Kilometerzahl berechneten Preisen nur ein kleiner Zuschlag, wie er durch die Zone bedingt ist, gezahlt werden muß; wer z. B. 41 Kilometer durchfährt, zahlt für 50 Kilometer (5. Zone), also nur für 9 Kilometer mehr; wer dagegen 201 Kilometer zurücklegt, zahlt für 250 Kilometer (13. Zone), also für 49 km mehr, als bei kilometrischer Berechnung zu zahlen sein würde.
Das Einfache und Natürliche dieser Preisbildung, die Klarheit und Uebersichtlichkeit des ganzen Tarifbaues, die es jedermann ermöglichen, sich die Fahrpreise rasch selbst zu berechnen, müssen als außerordentliche Vortheile dieses Tarifes bezeichnet werden. Indem auch die zahllosen, für verschiedene Fälle eingeführten Fahrpreisermäßigungen - mit Ausnahme derjenigen für Kinder, für Personen, die auf Kosten öffentlicher Behörden befördert werden, und endlich für Arbeiter, welche nur die halben Zonenfahrpreise bezahlen – aus dem neuen Tarife ausgeschieden wurden, findet eine durchaus gleichmäßige und gerechte Behandlung aller Reisenden statt; auch dadurch ist in die Gebahrung wesentliche Klarheit gebracht worden.
Als eine wichtige Einrichtung muß endlich hervorgehoben werden, daß die Zonenkarten nicht allein bei den Kassen der Bahnhöfe, sondern auch in Gasthäusern, Tabaktrafiken, bei Kaufleuten u. dergl. im voraus gelöst werden können; denn die Zonenkarte behält, solange sie nicht vom Schaffner durchlocht ist, ebenso wie eine ungestempelte Briefmarke ihre Gültigkeit und wird auch für beliebige Strecken ausgegeben. So kann man z. B. einem Freunde mit der Einladung zu einem Besuche die für die Herreise gültige Fahrkarte senden, oder mit einer von Bregenz nach Salzburg reichenden Zonenkarte eine Sommerferienreise als sinniges Geschenk auf den Weihnachtstisch legen.
Beim Tarife der ungarischen Staatsbahnen bestehen 14 Zonen, welche ebenfalls von jeder Station aus gezählt werden. Die erste Zone umfaßt 25 Kilometer und ist wieder für sich in 2 Unterabtheilungen für den sogenannten „Nachbarverkehr“ zerlegt; es folgen 10 Zonen von je 15 Kilometern Umfang und 2 Zonen zu 25 Kilometer; die 14. Zone dagegen umfaßt alle Entfernungen über 225 Kilometer. Es gelangt damit das Prinzip des Personenportos in bedingter Form zur Geltung, nämlich nur für jene Fälle, als in einer Fahrt mehr als 225 Kilometer zurückgelegt werden. Diese Maßnahme findet darin ihre Erklärung, daß bei den früheren hohen Tarifen der ungarischen Staatsbahnen auf Entfernungen über 200 Kilometer fast gar kein Verkehr stattfand, und einen solchen wollte man nun, wenigstens innerhalb der Grenzen Ungarns, ins Leben rufen. Die Fahrpreisermittelung erfolgt nicht so systematisch, wie beim österreichischen Tarife, sondern es sind für die einzelnen Zonen bestimmte Fahrpreise in runden Ziffern festgesetzt; bis zur Entfernung von 225 Kilometern sind sie im Durchschnitte etwas höher gehalten als jene der österreichischen Staatsbahnen, deren Sätze erst durch den Preis der 14. Zone, welche unter Umständen auch Entfernungen bis zu 1000 Kilometern in sich begreift, unterboten werden. Bei Benutzung der Karten für die 14. Zone besteht übrigens die Beschränkung, daß, wenn die Reise naturgemäß über die Landeshauptstadt Budapest führt, die Fahrpreise nur bis zu und von dieser gerechnet und hier neue Karten gelöst werden müssen. Einerseits liegt es also in der Absicht des ungarischen Tarifs, den Verkehr auf große Entfernungen zu entwickeln, und andererseits, diesen Verkehr nach der Hauptstadt, dem Mittelpunkte des politischen und wirthschaftlichen Lebens des Landes, zu lenken.
Und nun der Erfolg?
Daß sich mit der Einführung von so bedeutend billigeren Fahrpreisen, wie sie der neue Tarif in Oesterreich-Ungarn gegenüber dem alten der Bevölkerung bot, die Zahl der beförderten Personen ganz bedeutend steigern werde, das war als sicher vorauszusetzen. Die Statistik der ungarischen Staatsbahnen ergiebt nach Dr. Perrots „Monatsschrift für Eisenbahnreform“ folgende abgerundete Zahlen:
Vom 1. August 1888 bis 1. August 1889 wurden Fahrkarten gelöst 5685000;
vom 1. August 1889 bis 1. August 1890 wurden Fahrkarten gelöst 13456000.
Das bedeutet also eine Steigerung der Zahl der beförderten Personen auf annähernd das Zweieinhalbfache. Man sprach wohl vom „Reiz der Neuheit“, der bei diesem riesigen Aufschwung auch seine Rolle spiele; aber die Statistik hat diesen Erklärungsversuch fürs erste beseitigt, denn es liegt die offenkundige Thatsache vor, daß die Verkehrssteigerung bis heute, nach anderthalb Jahren, eine ununterbrochene geblieben ist. Während nämlich die Zahl der beförderten Personen sich vom 1. August 1889 bis 1. August 1890 auf rund 131/2 Millionen belief, betrug sie nach vorläufiger Feststellung im Kalenderjahre 1890 bereits 141/2 Millionen; ja, wenn man noch genauer sein will, kann man die fünf Monate August bis Dezember 1889 mit den entsprechenden Monaten von 1890 vergleichen. Die letzteren weisen ein Mehr an beförderten Personen von 1200000 auf – ein Beweis, daß der Reiz des neuen Tarifs doch sehr nachhaltig wirkt. In Oesterreich wurden während der ersten 31/2 Monate nach Einführung des Kreuzerzonentarifs 4 Millionen Personen mehr befördert als in der gleichen Periode des Vorjahrs; also auch hier ist alle Aussicht, daß die auf dem ungarischen Boden gemachten Erfahrungen sich bestätigen. Die Einnahmen der Bahnen aber blieben nicht nur nicht zurück hinter den früheren, sondern wiesen sogar recht erkleckliche Zunahmen auf: sie stiegen in Ungarn beispielsweise von 9424000 Gulden in dem Jahr vor der Einführung des Zonentarifs auf 11452000 Gulden in dem ersten Zonentarifjahr, während das Kalenderjahr 1890 vollends eine Einnahme von 12311000 Gulden zu verzeichnen hat.
Das sind die zahlenmäßigen Erfolge des Zonentarifs. Wichtiger noch, wenn auch vorläufig oder überhaupt nicht in Ziffern auszudrücken, sind die mittelbaren Vortheile, die Erweiterung und Belebung des Verkehrs, Hebung des Handels und der Betriebsamkeit, Ausdehnung des Gesichtskreises für einen erheblichen Theil der Bevölkerung. Wir nennen sie Erfolge des Zonentarifs, ohne dabei zu verkennen, daß ebendieselben Erfolge jeder andere entsprechend billige Personentarif auch erreichen könnte. Nur insofern, als eben die Einführung der „Zonen“ Gelegenheit zu Ersparnissen an den Betriebskosten und dadurch mittelbar zur
Herabsetzung der Fahrpreise giebt, stehen die hervorgehobenen Segnungen in einem ursächlichen Zusammenhang gerade mit dem „Zonentarif“. Ob die billigeren Tarife auf diesem oder auf anderem Wege ermöglicht werden, das ist eine Frage. die erst in zweiter Linie in Betracht kommt. In erster Linie steht und muß stehen bleiben, daß die Verbilligung des wichtigsten aller Verkehrsmittel überhaupt durchgeführt wird. Hoffen wir, daß das Deutsche Reich nicht zu lange mehr hintanstehe in der Durchführüng dieser zeitgemäßen Reform. Schon schweben Verhandlungen zwischen den verschiedenen deutschen Bahnverwaltungen, die es nur noch
als Frage der Zeit erscheinen lassen, daß auch dem deutschen Volke
diese Wohlthat zu Theil wird, eine Wohlthat, die sich augenscheinlich am allerbesten für den Wohlthäter selbst rentirt. W.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_156.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)