Verschiedene: Die Gartenlaube (1894) | |
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schlafen gelegt, und da ist mir im Traum gewesen, als hätt’ ich den Köppelecker gesehen, wie er ein Körbl voll Zeug davontragt und hinausgeht nach dem Lokistein ... und wie ich so steh’ und schau’ ihm nach, da schlagt auf einmal das Feuer aus seinem Haus. Und das ganze Wesen hab’ ich niederbrennen sehen bis auf den Grund. Mir ist leid gewesen um den armen Teufel – alles im Traum, Richtmann – und denk’ Dir, derweil das Haus noch brennt, geht der Kaganhart an mir vorbei, mit einem Pack auf dem Buckel. ‚Wohin?‘ frag’ ich. ‚Hinaus,‘ sagt er, ‚zum Lok’stein!‘ Und ich sag’ zu ihm. ‚Recht so, geh’ nur zu!‘ Ich seh’ noch, wie er hinübergeht über den Achensteg ... und da dreht sich auf einmal der Baum überm Wasser und der Kaganhart ist weg. Ich hab’ um Hilf’ geschrien, aber kein Mensch hat mich hören wollen. Ich schrei’ allweil und schrei’, und auf einmal kommst Du daher!“
„Ich, Herr?“ stammelte der Bauer mit bleichen Lippen.
„Alles im Traum, Richtmann, natürlich nur im Traum!“ lachte Herr Waze und streckte sich behaglich, als hätt’ er seine rechte Freude an dem sonderbaren Traum. „Und schau’, die Krax’ dort, dieselbig’, die auf der Hausbank steht ... ja, Richtmann, die hast Du auf dem Buckel getragen. Ich hab’ natürlich gleich gemerkt, wo Du hin willst mit Deiner Krax’, hab’ Dich auf die Schulter geklopft und hab’ Dein gutes Herz gelobt. So sind wir auseinandergegangen ... alles noch im Traum, Richtmann ... und wie ich heimzieh’ durch den Untersteiner Wald, lauf’ ich an eine Bärengrub’ hin. Und was meinst, was ich drin gesehen hab’?“ Der Schönauer schüttelte nur den Kopf; er brachte kein Wort mehr über die Lippen. „Ein Bär ist drin gestanden in der Grub’, die helle Roten ist ihm vom Maul und über die Tatzen geronnen, und unter ihm, denk’, Bauer, unter ihm ist Dein Bub’ gelegen, der Ruedlieb. Mich hat das Grausen gepackt – der arme, schmucke Bub’! – und im Erbarmen um ihn hab’ ich an mich selber nimmer gedacht, bin hineingesprungen in die Grub’ und hab’ zugestoßen mit dem Fänger. Der Bär ist gelegen, aber Deinem Buben hat ’s nimmer geholfen. Bei dem war’s aus! Ich hab’ Dir noch zuschreien wollen: Du sollst umkehren ... aber da bin ich aufgewacht. Was sagst, Richtmann? Solche Sachen soll ein Mensch träumen können! Da muß man doch lachen gelt?“ Herr Waze klatschte auf dem Schwertknauf die Hände übereinander und schaute lachend den Bauer an.
Der Schönauer hatte keinen Tropfen Blut mehr im Gesicht; schlaff hingen ihm die Arme nieder, und seine Lippen klafften.
„Was hast denn, Bauer? Du wirst doch nicht erschrocken sein über meinen Traum?“ fragte Herr Waze und erhob sich. Freundlich klopfte er dem Schönauer auf die Schulter. „Schau, es ist ja doch nur ein Traum gewesen, Dein Bub’ lebt ja und ist heil und frisch! Freilich“ – Herr Waze zögerte mit dem Wort und hob die Schultern – „das haben meine Träum’ so an sich, sie pflegen einzutreffen. Aber mach’ Dir keine Sorg’! Mein gestriger Traum, der kann ja nicht eintreffen, da müßtest Du zuerst die Krax’ hinaustragen zum Lokistein ... und die Krax’ dort, das hast Du ja selber gesagt, die geht doch zur Alben hinauf. Und ein Richtmann wird doch nicht lügen, gelt?“ Herr Waze nickte dem Bauer zu und ging, um sein Roß zu besteigen. Als er im Sattel saß, blickte er auf Ruedlieb nieder. „Ein schmucker Bub’, Richtmann!“ rief er über die Schulter dem Bauer zu, der noch immer drüben bei den Eichen stand. „Ein schmucker Bub’! Ich wünsch’ ihm, daß er alt wird!“ Und lachend ritt Herr Waze zum Thor hinaus.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_106.jpg&oldid=- (Version vom 29.6.2024)